Niemanden allein lassen

Neues seelsorgliches Angebot in der Region Aachen-Stadt hilft Menschen in Grenzsituationen des Lebens

Das Team des  Seelsorge-Rufs:  (v. l.) Koordinatorin Regina Dietze, Marielies Schwering, Hans-Georg Schornstein und Dorothee Jöris- Simon. Nicht mit im Bild ist Theo Wellens. (c) Andrea Thomas
Das Team des Seelsorge-Rufs: (v. l.) Koordinatorin Regina Dietze, Marielies Schwering, Hans-Georg Schornstein und Dorothee Jöris- Simon. Nicht mit im Bild ist Theo Wellens.
Datum:
28. Juni 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 26/2023 | Andrea Thomas

Wohin können sich Menschen in seelischen Notlagen wenden? Wenn jemand schwer krank ist oder im Sterben liegt? Bei einer schweren Diagnose oder wenn das Leben gerade aus den Fugen gerät? Wenn Einsamkeit überwältigt oder eine Schuld zu schwer allein zu tragen ist? In der Region Aachen-Stadt gibt es dafür seit Juni eine Nummer, den Seelsorge-Ruf.

Jeder Seelsorgende erhält eine Mappe mit den Dingen, die zum  Segen, Trost oder Kommunion spenden wichtig sind. (c) Andrea Thomas
Jeder Seelsorgende erhält eine Mappe mit den Dingen, die zum Segen, Trost oder Kommunion spenden wichtig sind.

Das Angebot ist rund um die Uhr sieben Tage in der Woche besetzt. Die Anrufe kommen im Marienhospital an, wo die Anliegen der Menschen an einen der Seelsorgenden, die sich zu diesem Dienst zusammengeschlossen haben, weitergeleitet wird. Der oder die nimmt noch am selben Tag Kontakt mit dem hilfesuchenden Menschen auf, um zu einem persönlichen Besuch vorbeizuschauen.

Denn das unterscheidet den Seelsorge-Ruf von der Telefonseelsorge. Da zu sein, wenn ein Mensch seelsorgliche Begleitung braucht, nicht nur als jemand, der zuhört, sondern der auch mal eine Hand hält, mit einem Menschen betet oder den (Sterbe-)Segen spendet. Das sei ein anderer Ansatz als der, den Telefon- oder Notfallseelsorge bieten, weshalb sie sich nicht als Konkurrenz dazu verstehen, sondern als unterschiedliche Angebote in einem Netzwerk, das Menschen Hilfe bietet, wenn sie sie am dringendsten brauchen, betonen die Initiatoren.

Das sind Dorothee Jöris-Simon und Theo Wellens, Seelsorgende am Luisenhospital in Aachen, Marielies Schwering aus dem Büro der Regionen und Pfarrer Hans-Georg Schornstein. Unterstützt werden sie von Regina Dietze als Koordinatorin sowie einer Gruppe haupt- und ehrenamtlicher Seelsorgender. Dorothee Jöris-Simon und Theo Wellens haben in ihrer Arbeit am Krankenhaus immer wieder festgestellt, wie wichtig es ist, Menschen in Ausnahme- und Grenzsituationen des Lebens zu begleiten, aber auch, dass diese oft nicht wissen, wohin sie sich wenden können, oder unklar ist, wer ansprechbar ist.

„Dabei gibt es so viele, die in der Region im Bereich Kranken-, Trauer- oder Sterbebegleitung unterwegs sind“, sagt Dorothee Jöris-Simon. All diese Akteure hätten sie besser miteinander vernetzen und eine Nummer schaffen wollen, unter der Menschen – ähnlich der 112 in medizinischen Notfällen – in dringenden seelischen Notfällen Hilfe bekommen können. Als es noch kleine Pfarreien gab, hätten Menschen in solchen Situationen gesagt „Ich ruf mal den Herrn Pfarrer an“, sagt Hans-Georg Schornstein. Das habe sich verändert, doch diese Nähe von Kirche bei den Menschen, die wollen und müssten sie wieder erreichen. „Weil das unsere urchristliche Botschaft ist.“

Schwere Lebenssituationen  mit Menschen aushalten

Nach Wochen der Vorbereitung und Entwicklung gilt es nun, den Seelsorge-Ruf in der Region bekannt zu machen. (c) Andrea Thomas
Nach Wochen der Vorbereitung und Entwicklung gilt es nun, den Seelsorge-Ruf in der Region bekannt zu machen.

Es hat Jahre, viel Kraft, Zeit und Nerven gekostet, die Bistums- und Regionalleitung zu überzeugen, wie wichtig dieses Projekt für die Menschen in der Region ist, wie die Initiatoren erklären. Neben Seelsorgenden braucht es auch finanzielle Ressourcen. Die Hemmerle-Stiftung übernimmt die Sachkosten und über Projektmittel von „Kirche am Ort“ können sie für drei Jahre eine Koordinatorin beschäftigen. Ohne die sei das Angebot nicht möglich, da sie alle das neben ihrer normalen Arbeit machten. „Man braucht schon einen langen Atem“, sagt Dorothee Jöris-Simon mit einem Lächeln. Sowie Leidenschaft und Empathie für Menschen.

„Not ist sehr persönlich“, betont Marielies Schwering. Bei jedem Anruf würde daher überlegt, wie diesem Menschen geholfen werden könne. Jeder, der sich bei ihnen melde, habe die Zusage, dass noch am selben Tag jemand zu ihm kommt, er nicht allein gelassen wird in seiner Not. Das sei das Pfund, mit dem sie wucherten: Wir kommen! Wir hören zu und sind einfach da. „Wir müssen nicht auf alles eine Antwort finden“, erklärt Hans-Georg Schornstein. Auf die Frage „Warum kann Gott das zulassen?“ habe er auch keine. Es gehe vielmehr darum, schwere Situationen mit Menschen auszuhalten, ergänzt Marielies Schwering, „so, wie wir das Leiden mit Jesus mit ihm aushalten“. Es gehe ums Da-Sein, Mitgehen, miteinander Beten und Segnen.

Dazu haben sie in den vergangenen Wochen Seelsorgende gesucht, die diese Aufgabe übernehmen und die sie nun mit dem entsprechenden Rüstzeug versehen. Sie haben verschiedene Module entwickelt zur Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer sowie Grenzerfahrungen im Leben, dem Umgang mit Menschen in Not und zur Vorbereitung auf Orte und Situationen, zu denen sie gerufen werden und dem, was sie dort erwartet. Mit Ehrenamtlichen stehen aktuell gut 25 Seelsorgende für diesen Dienst bereit. Weitere sollen folgen. Wichtig ist den Initiatoren auch, dass auf diese Weise ein Netzwerk an Erfahrungen und Kontakten entsteht.

„Wir bieten eine akute, einmalige Begleitung an. Für eine längere Begleitung verweisen wir die Menschen an Menschen in den Gemeinden vor Ort“, erklärt Hans-Georg Schornstein. Deshalb, sagt Dorothee Jöris-Simon, fragten sie, ob sie in diesem Fall den Kontakt mitnehmen und weitergeben dürften, damit sich Koordinatorin Regina Dietze in den nächsten Tagen mit Informationen und Kontakten zu weiterführenden Stellen wie kirchlichen Beratungsangeboten melden könne. „Wichtig ist, Menschen nicht mit ihren Sorgen allein zu lassen.“

Zu erreichen ist der Seelsorge-Ruf ab sofort unter Tel. 02 41/6 00 60