Düren/Jülich. „Wann die Zeit abläuft, weiß niemand“, sagt Hermann-Josef Peters. Der 65-Jährige aus Merzenich ist ehrenamtlicher Hospizbegleiter. Er nimmt sich Zeit, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. Es gab einmal eine solche Begleitung, die endete nach dem ersten Treffen, weil die noch verbliebene Zeit plötzlich verstrichen war. Einem Mann, der mit schwerster Erkrankung in einem Altenheim lebte, wurden noch viele Monate geschenkt. Alle zwei bis drei Wochen kam Peters zu Besuch, wurde gemeinsam Zeit verbracht. Einmal bei Quiz-Shows vor dem Fernseher, dann wieder „stadtfein“ bei Ausflügen in die Innenstadt. „Er hatte einen köstlichen Humor, die Treffen haben einen Heidenspaß gemacht“, blickt Hermann-Josef Peters zurück. Noch heute bedauert er, dass er nicht rechtzeitig da war, um Abschied zu nehmen, um dem Mann für das wirklich letzte Stück Weg zur Seite gestanden zu haben.
Rund 90 ehrenamtlich tätige Hospizbegleiter gibt es aktuell im Kreis Düren, die vom ambulanten Caritas-Hospizdienst des Caritasverbandes Düren-Jülich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet und während ihrer Tätigkeit unterstützt werden. Ein neuer Befähigungskurs startet Ende April. Besondere Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. „Jeder, der Offenheit und Mitgefühl mitbringt, kann sich engagieren. Wir bringen alle ganz unterschiedliche Fähigkeiten und unsere Lebenserfahrung als Menschen in die Arbeit ein“, sagt Hospizkoordinatorin Tine Quast. „Hospizbegleitung bedeutet nicht nur, anderen Menschen beizustehen, sondern auch persönlich zu wachsen und eine Perspektive auf die Themen Sterben, Tod und Trauer zu gewinnen. Es ist eine zutiefst menschliche Aufgabe, die für beide Seiten sehr wertvoll ist“, fügt Quasts Kollege Patrick Pickart hinzu.
45 Jahre lang hat Hermann-Josef Peters als Fachkrankenpfleger in der Psychiatrie gearbeitet und auch eine Demenzstation geleitet. Ein glücklicher Zufall also, aber eben kein Muss. Doch warum hat ihn das Ehrenamt interessiert? Warum absolvierte er selbst vor einigen Jahren den Befähigungskurs? „Ich bin ein Dorfkind. Tod und Sterben waren da immer ein Thema“, sagt er. Sterbebegleitung fand damals zum Teil auch öffentlich statt, war Teil des Zusammenlebens. Heute hingegen sei der Tod oft eine „klinische“ Angelegenheit.
Hinzu komme eine zunehmende Vereinsamung – im Alter oder bei Krankheit. „Viele Menschen wünschen sich, in vertrauter Umgebung und in Begleitung nahestehender Personen ihren letzten Lebensabschnitt zu verbringen“, berichtet Tine Quast. An dieser Stelle setzt der Caritas-Hospizdienst an, der ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und -begleiter auf der einen und schwerkranke Menschen auf der anderen Seite zusammenbringt.
Die Hospizkoordinatoren führen dazu (nach Möglichkeit auch mit Angehörigen) Vorgespräche, um eine möglichst passende Hospizbegleitung zu finden. Das erste Treffen findet stets auch in moderierender Begleitung statt. „Es passt nicht immer. Ob es passt oder nicht, können alle zu jedem Zeitpunkt entschließen“, sagt Patrick Pickart. Hermann-Josef Peters hat bei einer seiner elf Begleitungen auch schon erlebt, dass anfangs die Chemie stimmte, aber wie im Fall einer dementen Person plötzlich die Stimmung kippte, der Ehrenamtler als „schwarzes Schaf“ der Familie identifiziert wurde. „Da habe ich die Begleitung beendet“, sagt Hermann-Josef Peters.
Wichtig sei es, nicht die Treffen in Erinnerung zu behalten, an denen etwas nicht funktionierte, sondern die guten, die schönen Augenblicke, in denen auch schwerkranke Menschen durchaus noch einmal aufblühten, den Augenblick genießen konnten, eine schöne Zeit hatten. Weder für das erste Treffen noch für alle weiteren Begegnungen, die regelmäßig stattfinden sollen, gibt es eine Blaupause. „Da muss sich jeder herantasten, ausprobieren, was funktioniert, was als angenehm empfunden wird“, erklärt Hermann-Josef Peters. Oft helfe es, dass von den Hospizkoordinatoren im Vorfeld beispielsweise biografische Details erfragt werden. Einer Lehrerin konnte der Hospizbegleiter so eine Freude machen, indem er Gedichte vortrug, manchmal wird auch gesungen – oder zugehört, eine Hand gehalten. „Die Hospizbegleitung belastet mich nicht, kann aber sehr emotional werden. Es entsteht ja eine Bindung, eine Beziehung“, sagt Hermann-Josef Peters. Zwischen den Begleitungen nimmt er daher durchaus auch einmal eine Pause.
Betreut werden etwa 80 Prozent der Menschen, die eine Hospizbegleitung in Anspruch nehmen, in Einrichtungen, rund 20 Prozent im häuslichen Umfeld. Die Ehrenamtlichen haben nicht selten auch ein Ohr für Partner und Verwandte der Menschen, die sie begleiten. „Hier ist aktives Zuhören gefragt“, sagt Hermann-Josef Peters. Besonders Angehörige würden sich oft nicht trauen, die schweren Themen Tod und Krankheit anzusprechen. „Viele Angehörige von Klientinnen und Klienten tun sich schwer, Tod und Krankheit sind Tabuthemen. Die Ehrenamtlichen ermöglichen mit ihrem Wissen, das ihnen beispielsweise über Krankheitsbilder vermittelt wird, eine gute Möglichkeit, diese Themen zu enttabuisieren, den Fokus wieder zu verändern“, sagt Tine Quast. Oder anders formuliert: Nur weil ein Mensch in absehbarer Zeit sterben wird, müssen Tod und Krankheit nicht allgegenwärtig sein, darf es auch schöne Stunden geben. „Hospizbegleitung hat oft einen negativen Beiklang. Dabei ist es etwas Positives. Es geht darum, auch am Ende des Lebens die Lebensqualität aufrecht zu erhalten“, gibt Patrick Pickart zu bedenken.
Der ambulante Hospizdienst des Caritasverbandes Düren-Jülich bietet einen kostenlosen Befähigungskurs für Ehrenamtliche an, die schwerstkranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten möchten. Der Befähigungskurs zum Hospizbegleiter umfasst rund 120 Unterrichtsstunden, die sich in vier Module gliedern, zu denen auch ein Praktikum gehört. Besonders wichtig ist der Hospizkoordination Tine Quast und Patrick Pickart dabei die persönliche Reflexion und der Austausch mit der Gruppe. Vor dem Start gibt es ein einstündiges Kennenlerngespräch und es wird ein Fragebogen zur Vorbereitung der Kursteilnahme ausgefüllt. Wer Interesse an dem kostenlosen Kurs hat, sollte nicht lange warten und Kontakt zum Hospizdienst unter 0 24 21/481-84 oder per E-Mail an hospizdienst@caritas-dn.de aufnehmen.