Der Zahn der Zeit nagt an allem: Wir Menschen vertrauen dann auf die ärztliche Expertise, der Oldtimer wird in einer versierten Autowerkstatt gewartet, das alte Gemälde oder die alte Handschrift müssen in dem Fall zum Restaurator. Auch für in die Jahre gekommene Fahnen der Bruderschaften, Kirchen oder Studentenvereinigungen, die schon eine lange Tradition vorweisen können, sodass der ideelle Wert zuweilen deutlich über dem Materialwert liegt – auch für sie gibt es eine erste Adresse, wenn es um die Aufbereitung oder Restaurierung geht. Die Abtei Mariendonk in Grefrath bei Kempen stellt nicht nur neue Fahnen her, hier gibt es Expertinnen für die Aufbereitung und Restaurierung verschlissener oder beschädigter Fahnen. Schwester Petra berichtet über ihre Arbeit und gibt einen Einblick in die Fachwerkstatt.
Woher kommen die Fahnen, die Sie hier in der Abtei Mariendonk wieder aufbereiten?
Die Fahnen kommen in der Hauptsache aus dem Gebiet Neuss, Viersen, Düsseldorf, aber auch aus Aachen. Dabei handelt es sich um Bruderschaftsfahnen, aber auch Studentenfahnen und natürlich Kirchenfahnen. Aus Ostdeutschland hatten wir in letzter Zeit eine Reihe von Aufträgen und Anfragen. Die meisten Kunden kommen durch Mund-zu-Mund-Propaganda, aber wir inserieren auch in Schützenzeitschriften.
Welche Arbeiten können hier erledigt werden, und wann müssen Sie einen Auftrag ablehnen?
Wir hatten vor einiger Zeit die Anfrage einer Bruderschaft. Sie wollte unter anderem unten auf der Fahne Hakenkreuze haben. Das haben wir natürlich abgelehnt. Eine andere Anfrage bezog sich auf eine Karnevalsfahne, wo der Papst auf einer Kirche reitet. Da haben wir natürlich auch nein gesagt. Also die Aufträge müssen schon mit unseren Werten vereinbar sein.
Spielt auch der Zustand der Fahne eine Rolle? Gibt es Fälle, in denen eine komplette Restaurierung erforderlich ist und wo Sie dann sagen: Das können wir nicht leisten?
Ja, auf jeden Fall. Manchmal muss ich ablehnen, wenn ich sagen muss, dass das Budget des Kunden nicht reicht und wir die Fahne in dem finanziellen Rahmen nicht mehr herstellen können. Manchmal lohnt es sich auch einfach nicht mehr, vor allem dann, wenn die Fahne noch oft benutzt werden soll und sie aus minderwertigem Material gearbeitet wurde. Bei richtig alten, historisch wertvollen Fahnen kann es sinnvoll sein, diese in eine Restaurierungswerkstatt zu vermitteln. Unsere Werkstatt kann Textilien ausbessern und aufarbeiten, aber wirkliche Restaurationen sind in anderen Händen besser aufgehoben. Es kann auch vorkommen, dass man eine Fahne nur so weit ausbessert, dass sie nicht noch mehr kaputtgeht und sie dann als historisches Dokument in einer Vitrine aufgehoben werden kann.
Wie sehen die Schritte bei der Aufbereitung einer Fahne aus?
Es kommt zunächst einmal darauf an, wie die Fahne aussieht. Meistens ist der Stoff eher verschlissen als die Stickerei. Dann schaut man, wo der Stoff kaputt ist. Ist der Stoff bereits morsch, dann muss man ihn ganz ausbessern. In jedem Fall steht am Anfang eine genaue Begutachtung. Und wenn es dann an die Ausbesserung oder Aufarbeitung geht, muss man häufig die Fahne ganz auftrennen, sodass es praktisch zwei Tücher gibt und die müssen dann getrennt bearbeitet werden. Häufig ist es angemessen, dass die Fahnen vor der Aufarbeitung gereinigt werden. Sinnvollerweise nimmt man für die Bearbeitung der Fahne möglichst gleiches Material und stimmt die Garnfarben auf den Zustand der jetzigen Farben ab, da diese oftmals durch Lichteinwirkung verändert sind. Die Ausbesserung sollte ein möglichst harmonisches Bild ergeben. Wenn man neue Borten oder Garne verwendet, sollte der alte Stil gewahrt bleiben.
Aus welchem Jahr stammt die älteste Fahne, die Sie hier in der Abtei zur Ausbesserung hatten?
Wir hatten schon mehrere Fahnen aus den Jahren 1899/1900. Das kommt durchaus öfter vor.
Stellen Sie hier in Mariendonk auch neue Fahnen her? Sind die Aufträge dabei eher präzise oder haben Sie da auch freie Hand?
Das ist ganz unterschiedlich. Oft hat der Kunde nur vage Ideen, die wollen eben nur eine neue Fahne haben und haben noch keine klaren Vorstellungen, was da genau drauf sein sollte. Dann machen wir konkrete Vorschläge, wie die Fahne aussehen könnte. Das ist eigentlich ein interessanter Prozess, wenn das so dialogisch mit dem Kunden passiert. Das ist dann auch nicht mit einem Mal getan, dass man was vorschlägt und das wird genehmigt, sondern es geht eigentlich öfter hin und her, aber das ist dann auch das Interessante an unserer Arbeit.
Worauf muss man achten, damit eine Fahne möglichst lange erhalten bleibt?
Man sollte die Fahne möglichst glatt lagern. Hängen ist gut, und wenn sie liegt, ist das am besten. Aber das ist oft eine Frage des Platzes. Ist die Fahne eingerollt und wird dann auch noch feucht, sind die Schäden vorprogrammiert. Das ist für den Stoff dann ganz schlecht.
Wie viele Fahnen bearbeiten Sie hier pro Jahr?
Ich denke, es sind ungefähr 50 Fahnen im Jahr, wobei auch wirklich kleine Ausbesserungen oder nur eine Reinigung darin sind.
Wie stellen sich die Kosten für die Aufbereitung einer Fahne dar?
Der Preis wird natürlich auch durch den Stundenlohn bestimmt. Und so kann der Preis für den Kunden zwischen 50 und 5000 Euro liegen. Eine Aufarbeitung oder Restaurierung ist nicht unbedingt preiswerter als eine neue Fahne. Oft ist es natürlich so, dass die Bruderschaften an ihrer alten Fahne hängen und die dann aus ideellen Gründen aufgearbeitet werden soll. Mein Rat an alle Fahnenbesitzer: Es ist sinnvoll, alle paar Jahre die Fahne begutachten zu lassen, ehe der Verschleiß dann zu groß geworden ist.
Das Gespräch führte Christoph Reiners.