Der nun zu Ende gehende November ist der Monat des Gedenkens. Wir erinnern uns der uns nahestehenden Verstorbenen und der Opfer von Krieg und Gewalt. Ein besonderes Datum war in diesem Jahr der 9. November, der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, aber auch mehr denn je ein Gedenktag, dessen Botschaft über den Tag hinausreicht. In der Region wurde das unter anderem bei den Gedenkveranstaltungen in Würselen und Herzogenrath deutlich.
In Würselen hatte das Vorbereitungsteam des christlich-jüdischen Arbeitskreises die jährliche Gedenkfeier in St. Sebastian bewusst auf den 7. November vorgezogen. „Wir wollten damit auf den Angriff der Hamas einen Monat zuvor verweisen“, erklärt Pfarrer Rainer Gattys.
Ein Gedenken der Opfer des Holocaust sei nicht möglich, ohne auch dieser jüdischen Opfer zu gedenken. Auf dem bis auf eine erleuchtete Menora leeren Altar lagen daher nicht nur Steine für die Opfer von damals, sondern auch von heute. „Kritik an der Politik, insbesondere der Siedlungspolitik der Staatsführung in Israel ist legitim, geboten und als Unrecht zu benennen. – Nur ist diese Politik kein Grund oder Legitimation, 1400 unschuldige Babys, Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer und alte Menschen zu überfallen und bestialisch umzubringen, wie dies am 7. Oktober 2023 geschehen ist.
Das ist widerlicher Terror und ein abscheuliches Verbrechen“, fand Rainer Gattys klare Worte.
Dies sei ebenso zu verurteilen wie das Leid, das die Hamas über die eigene Zivilbevölkerung bringt, die sie zu menschlichen Schutzschilden macht. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Ausspruch „Nie wieder“ zum Synonym einer Haltung geworden, die Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung nicht nur ablehnte, sondern ihr aktiv entgegenstehen wollte.
„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass auf Straßen in unserem Land nicht nur antisemitische Hassparolen skandiert werden können, sondern Tod und Vernichtung von Juden öffentlich gebrüllt werden dürfen. Was ist da grundsätzlich schiefgelaufen?“ Ihn mache die Unkenntnis vieler über die Komplexität des Israel-Palästina-Konflikts betroffen, sagt Rainer Gattys.
Und dass Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft mit Antisemitismus sympathisierten. Damals habe das Regime die Auslöschung der Werte der westlichen Zivilisation zum Ziel gehabt, und auch heute gehe es letztlich auch um unsere demokratischen Werte, Toleranz und Achtung vor dem anderen in seiner Andersartigkeit. Zum Abschluss zitierte er Martin Niemöller: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ – Worte, die mit Bezug „auf ihre bestürzende Realität“ auch Wilfried Hammers in Herzogenrath aufgriff. In St. Josef Straß, wo er sich nach Jahren als Gemeindereferent nun ehrenamtlich engagiert, ist es Tradition, im November die Stolpersteine für Leo Cytron und Pfarrer Josef Buchkremer nahe der Kirche zu säubern und so auch „die Erinnerung aufzupolieren“.
Was in diesem Jahr wichtiger sei denn je. Wenige Tage zuvor hatte Hammers bei der Gedenkveranstaltung des Arbeitskreises „Wege gegen das Vergessen“, der Stadt Herzogenrath, des städtischen Gymnasiums und des Soziokulturellen Zentrums Klösterchen, aufgefordert: „Es ist Zeit laut zu werden gegen Antisemitismus und Rassismus und für unsere Demokratie“.
Im ersten Teil im Klösterchen (danach ging es zum Mahnmal am Rathaus) stand dieser Appell neben der Erinnerung an die unter den Nazis verfolgten jüdischen Mitbürger im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums berichteten unter anderem eindrücklich von ihrem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz und ihren Gefühlen angesichts dieses Ortes, der für unvorstellbare Gräueltaten steht.
Was damals geschehen ist, dürfe nicht vergessen werden und müsse Konsequenzen für unsere Haltung heute haben. In einer Diashow vor der Veranstaltung bezogen die jungen Leute daher klar Stellung gegen jede Form von Intoleranz, Hass und Diskriminierung. „Nie wieder“, so hieß es in den Tagen um den Gedenktag an vielen Stellen, „ist jetzt!“.
Seit 2012 gibt es auf dem Friedhof in Roetgen für Eltern die Möglichkeit, ihr verstorbenes Kind beizusetzen, auch wenn es weniger als 500 Gramm gewogen hat und damit„nicht bestattungspflichtig“ ist. Für viele Eltern ist das wichtig, um mit diesem Verlust fertig zu werden, ihrem Kind eine würdige letzte Ruhestätte zu geben und selbst einen Ort für ihre Trauer und Erinnerungen zu haben. Ein solcher Ort ist die Gedenkstätte in Roetgen. Eltern können unabhängig von Religion oder Konfession ihr Kind – anders als in anderen Frühchenfeldern in der Region – in einem Einzelgrab beisetzen. Dies kann allein, zeitnah, mit einem Geistlichen oder durch den Beerdigungsdienst erfolgen. Die Gemeinde St. Hubertus stellt die Grabfläche kostenfrei zur Verfügung. Kosten entstehen nur durch das Beerdigungsinstitut und die Kommune. Inzwischen sind hier zahlreiche „Sternenkinder“ beigesetzt worden. Blumenschmuck und kleine Geschenke bezeugen, dass die kleinen Wesen, die hier ruhen, existiert haben, dass sie geliebt wurden und unvergessen sind.