Die Farbe Gelb steht symbolisch für Licht und Wärme, weckt Begeisterung für das Leben, regt den Optimismus an. So verheißt auch das gelb angestrichene Haus, in dem die Dürener Sucht- und Drogenberatung in der Bismarckstraße 6 untergebracht ist, die Aussicht auf eine positive Wende: den Weg aus der Abhängigkeit.
Im Erdgeschoss lag das Café D aus Corona- und Personalgründen knapp drei Jahre lang brach. Nun hat es Wiedereröffnung gefeiert: als Ankerpunkt und offene Anlaufstelle. Hier trifft man sich – vorläufig nur mittwochs von 10 bis 13 Uhr – zum kostenlosen Frühstück, auf einen Tee oder Kaffee, zum Plausch mit Gleichgesinnten. Natürlich ist immer ein Ansprechpartner da, „um Menschen in prekären Lebenslagen zielgenaue, schnelle und unbürokratische Hilfe anbieten zu können“, unterstreicht Andreas Schön (54), der stellvertretende Leiter der Sucht- und Drogenberatung.
Klein, aber fein ist das Café D: als Treff in der Küche mit gepolsterten Stühlen und einem langen Tisch in der Mitte, dazu einem Aufenthaltsraum nebenan. Dort wird – je nach Zulauf – die Tafel gedeckt. Die Atmosphäre ist zwanglos, entspannt und freundlich, verstärkt durch den Naturlichteinfall durch die Fenster. Auf einer Fensterbank in der Küche steht handgeschrieben auf einer Kreidetafel: „Im Notwendigen die Einheit / Im Zweifel die Freiheit / In allem die Liebe!“
Wer mag, kann während der Öffnungszeiten des Cafés im Internet surfen oder im benachbarten Bad die Wäsche waschen. Dort stehen zum Nulltarif eine Waschmaschine und ein Trockner zur Verfügung. Demnächst soll es zusätzlich eine Duschmöglichkeit geben. Sollte jemand Hilfe bei jedweder Art von Anschreiben brauchen – auch da findet man Unterstützung, ganz gleich, ob es um Probleme mit Ämtern, der Jobcom oder einem Handyvertrag geht. Ein weiterer Schritt ist die Vermittlung in eine kostenlose Rechtsberatung. Ebenso zeigen die Mitarbeiter städtische Hilfs- und Unterstützungsangebote auf.
Während der Coronakrisenzeit, als das Café geschlossen war, wurden die Betroffenen von der Sucht- und Drogenberatung nicht alleine gelassen. Es gab und gebe immer noch, so Andreas Schön, das „Café D mobil“, für das zwei Kolleginnen von ihm verantwortlich sind. „Am Anfang der Pandemie waren sie mit Care-Paketen ausgestattet, Kleidung, Decken. Und es wurden Beratungsangebote unterbreitet“, blickt Schön zurück. Ebenso versorgte man Menschen mit Gebrauchsutensilien wie Spritzen. „Maßnahmen zu risikominderndem Drogengebrauch“, nennt Schön das und präzisiert: „Dabei geht es darum, gesundheitliche Folgeschäden durch Drogenkonsum zu reduzieren.“
Bei der Analyse der Situation in der Gegenwart hat Schön eine Explosion der Hilferufe ausgemacht. „Die Coronazeit hat die Probleme verstärkt, sei es durch Homeoffice, Arbeitslosigkeit oder psychische Belastungssituationen“, sagt Schön. Der Konsum von Drogen und Alkohol sei gestiegen. Manche, die es geschafft hatten, abstinent zu werden, hätten „Rückfälle in alte süchtige Verhaltensweisen erlitten“, schildert Schön. Die Folge: ein massiver Anstieg der Anfragen in der Sucht- und Drogenberatung Düren.
„Wir haben es nicht vermeiden können, nun eine Warteliste zu führen. Das ist fatal und setzt auch uns als Beratungsteam unter Druck“, sagt er. Auf der Warteliste stehen gegenwärtig etwa 50 Leute. Die Wartezeit beträgt im Schnitt etwa sechs bis acht Wochen. Doch wer um Hilfe bittet, braucht diese mehr oder minder sofort. Dazu Andreas Schön: „Die Menschen sollen möglichst schnell dort abgeholt werden, wo sie stehen, um sie in ihrer Motivation, an ihrem Verhalten etwas verändern zu wollen, zu stärken und zu unterstützen.“ Schön wünscht sich „eine bessere personelle Ausstattung, um die Anforderungen und Erwartungen, die an uns gestellt werden, erfüllen zu können – und unseren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.“
Der Wunsch von Schön richtet sich auf zumindest zwei Arbeitsstellen, damit man auch den ländlichen Raum erreichen könne. „Die Suchtproblematik ist kein Randgruppenphänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagt Schön und setzt hinzu, dass jedes siebte Kind in Deutschland in einer „alkoholbelasteten Lebensgemeinschaft“ aufwachse. Bei alledem sieht er Düren im bundesweiten Durchschnitt.
„Das Café D war schon immer eine bedeutende Vermittlungsstelle zu unserer Suchtberatung“, bringt es Leiter Rudolf Stellmach auf den Punkt und erinnert an die über 40-jährige Geschichte des Cafés. In den Anfängen war es für Abhängige, die oft von Verelendung betroffen waren, „ein Ersatz-Zuhause“, wie es seinerzeit hieß. So weit will man heute nicht mehr gehen. Das Café erleichtert für Betroffene den Brückenschlag, die Kontaktaufnahme. „Unsere eigentliche Zielgruppe, das sind Menschen, die auf der Straße leben oder die akut von Alkohol- und Drogenabhängigkeit bedroht sind“, umreißt Andreas Schön die Situation.
Die Hemmschwelle ist so niedrig wie möglich gehalten. Anmelden muss sich niemand für den Besuch. Sollte jemand kurz zuvor Alkohol oder Drogen konsumiert haben, wird er nicht abgewiesen. Natürlich ist der Konsum vor Ort tabu. Nach dem Willen der Verantwortlichen sollen die Öffnungszeiten des Cafés schrittweise erweitert werden. In den Zeiten vor Corona gab es drei Termine wöchentlich, zu denen manchmal 15 – im Maximalfall bis zu 30 – Menschen kamen, darunter diverse Stammbesucher. Nun ist aufs Neue ein Anfang gemacht.