In der Propsteikirche St. Kornelius in Kornelimünster werden seit Jahrhunderten Schürztuch, Grabtuch und Schweißtuch Jesu verehrt. Die Tuchreliquien werden auch biblische Heiligtümer genannt, da sie sich auf konkrete biblische Zeugnisse zu den Kar- und Ostertagen beziehen. Alle sieben Jahre werden sie im Rahmen der Heiligtumsfahrt Kornelimünster gezeigt, so auch in diesem Jahr.
„Die drei heiligen Tage (Triduum sacrum) lassen sich mit diesen Heiligtümern neu in den Blick nehmen und eröffnen eine Perspektive für unsere Welt und Kirche im 21. Jahrhundert“, erklärt Pfarrer Andreas Möhlig, der in diesem Jahr auch erstmals Wallfahrtsleiter in Kornelimünster ist, und formuliert seine Gedanken zu den drei Reliquien.
Die in Kornelimünster verehrten Tücher stammen ursprünglich aus dem Reliquienschatz, den Kaiser Karl seiner Marienkirche in Aachen geschenkt hatte. Sein Sohn, Ludwig der Fromme, gab sie als Geschenk an das um 814 im heutigen Kornelimünster gegründete Benediktinerkloster. Um 875 kam es dann – in diesen Zeiten nicht unüblich – zum Reliquientausch: Das neugegründete Kloster im französischen Compiègne erhielt die Hälfte des Grabtuches, das Kloster an der Inde dafür Schädeldecke und Armreliquiar des heiligen Kornelius. Dessen Verehrung wuchs stetig und gab dem kleinen Ort im 11. Jahrhundert schließlich seinen Namen: Kornelimünster. Daraus entwickelten sich die beiden besonderen Anlässe der Verehrung: die jährlich um den Namenstag des heiligen Kornelius (16. September) stattfindende Oktav und die alle sieben Jahre stattfindende Heiligtumsfahrt. Im Unterschied zu den Aachener Heiligtümern werden die Heiligtümer von Kornelimünster in einem einfachen Holzschrein in der Heiligtumskapelle der Propsteikirche St. Kornelius aufbewahrt.
„Das Schürztuch trug Jesus der Tradition nach beim letzten Abendmahl, als er seinen Jünger die Füße gewaschen und mit diesem Tuch getrocknet hat (Joh 13,5)“, erläutert Pfarrer Andreas Möhlig.
Das Schürztuch ist etwa 2,30 Meter lang und an den beiden Enden 1,28 beziehungsweise 0,95 Meter breit. Länge und Form legen die Vermutung nahe, dass es zur Umgürtung gedacht war. Es besteht aus einem einfachen Kreuzgewebe von starken Leinenfäden. Wissenschaftlichen Untersuchungen nach stammt das Schürztuch aus dem Raum des Vorderen Orients und der Zeit der Antike.
Zu seiner Bedeutung sagt Andreas Möhlig: „Wir verehren im Schürztuch das Zeichen des Dienstes und der Liebe Jesu. Er hat sich vor seine Jünger gekniet, um ihnen die Füße zu waschen; ein Dienst, den sie doch eigentlich an ihrem Herrn und Meister hätten vollziehen müssen. Wie so oft macht Jesus damit eine ‚verkehrte‘ Welt deutlich: Er, der Sohn Gottes, dient anderen Menschen.
Mit Blick auf das Schürztuch stellt sich mir heute die Frage: Wo kann und soll ich anderen Menschen dienen? Und wo können wir heute eine dienende Kirche sein, wie es auch die Beschlüsse des Synodalkreises sagen: ‚Jeder kirchliche Vollzug muss diakonisch sein‘ (Beschluss ‚Diakonische Verantwortung‘).“
Laut Überlieferung handelt es sich beim Grabtuch um eines der Tücher, in das der Leichnam Jesu eingewickelt und ins Grab gelegt wurde (Mt 27,59). Es ist ein kunstvoll gewebtes Leinentuch, das man mit einer Zierdecke vergleichen kann. Seine Maße sind 1,80 Meter in der Breite und 1,05 Meter in der Länge. Ursprünglich war es doppelt so groß. Die fehlende Hälfte ging um 875 an Karl den Kahlen für seine Klostergründung in Compiègne.
„Im Grabtuch verehren wir das Zeichen des Todes und der Erlösung Jesu“, führt Andreas Möhlig aus. „Wenn ich auf das Grab eines Menschen schaue, dann endet hier – mit menschlichen Augen gesehen – normalerweise alles. Das Leiden ist vorbei, aber auch die gemeinsame Zeit mit dem Verstorbenen. Auch die Mutter Jesu und seine Jüngerinnen und Jünger müssen so gedacht haben. Der Blick auf das Grabtuch eröffnet auch einen Blick auf so viele Menschen heute, die qualvoll leiden und sterben; viele von ihnen sogar allein und ohne, dass jemand ihren Namen jemals wieder ausspricht. Das reich verzierte Grabtuch Jesu ist auch die letzte Ehre für all diese Menschen.“
Das Schweißtuch wurde der Überlieferung nach bei der Grablegung Jesu benutzt (Joh 20,7) und verblieb nach seiner Auferstehung im leeren Grab. Hierbei soll es sich um das Tuch handeln, das den Kopf des Leichnames Jesu im Grab bedeckte. Das Schweißtuch besteht aus sogenanntem Byssusgewebe, das aus sehr feinen Seidenfäden besteht. Byssusgewebe zählten in der Antike zu den kostbarsten Stoffen überhaupt. Das Tuch ist vier Meter breit und sechs Meter lang und wird, 16 Mal gefaltet, auf einer roten Seidenunterlage aufbewahrt. Darüber ist zum Schutz ein Gazestoff gespannt. In der jüdischen Tradition war es üblich, den Kopf eines Toten mit diesem wertvollen Tuch zu bedecken. Da das Gewebe so fein ist, konnte man seine Gesichtszüge auch durch das Tuch noch erkennen.
„Im Schweißtuch verehren wir das Zeichen der Auferstehung und des Lebens Jesu. Durch seine Auferstehung hat er auch uns eine Hoffnung geschenkt, die Hoffnung auf das ewige Leben. Diese Hoffnung haben die Zeuginnen und Zeugen des leeren Grabes am ersten Ostermorgen sehen dürfen“, erläutert Pfarrer Andreas Möhlig. „Der Blick auf das Schweißtuch erneuert und vertieft auch meine Hoffnung auf die Auferstehung – meiner eigenen und der Menschen, mit denen ich Leben geteilt habe und die nicht mehr bei uns sind.“