Nähe über 9000 Kilometer

Zu 60 Jahre Partnerschaft zwischen dem Bistum Aachen und der kolumbianischen Kirche

Seit 60 Jahren verbindet das Bistum Aachen eine Partnerschaft mit der kolumbianischen Kirche. (c) Thomas Hohenschue
Seit 60 Jahren verbindet das Bistum Aachen eine Partnerschaft mit der kolumbianischen Kirche.
Datum:
12. Mai 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2022

Vor 60 Jahren wurde die Partnerschaft zwischen dem Bistum Aachen und der katholischen Kirche im südamerikanischen Kolumbien begründet. Das Jubiläum wird mit einer Reihe von Veranstaltungen begangen. Auftakt war die Dialogtagung zum Thema „Der Ungerechtigkeitsvirus“. KiZ-Chefredakteurin Dorothée Schenk hat mit dem Referenten für weltkirchliche Aufgaben Thomas Hoogen das „Land“ einmal durchbuchstabiert. 

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olumbien ist als viertgrößtes Land Südamerikas mehr als drei Mal so groß wie Deutschland. Kolumbien hat eine stark wachsende, junge Bevölkerung. Obwohl das Land drei Mal so groß wie Deutschland ist, zählt es nur 51 Millionen Einwohner. Die Partnerschaft zwischen dem Bistum Aachen und der Kirche Kolumbiens entstand Anfang der 1960er Jahre mit finanzieller Förderung aus Aachen für die Priesterausbildung in Kolumbien. Die Kolumbianer sind zutiefst religiös. Bis heute sind sie mehrheitlich katholisch, etwa 70 Prozent. 77 Diözesen bilden die 14 Kirchenprovinzen. Von 1960 bis 2000 hat sich die Zahl kolumbianischer Priester fast verzehnfacht. Einheimische Geistliche und Ordensleute, die heute aus allen sozialen Schichten kommen, leisten als Multiplikatoren in Kirche und Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum kirchlichen und sozialen Aufbau Kolumbiens.


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rganisiert und lebendig gehalten wird der Austausch durch eine Vielzahl an Institutionen. Verschiedene Projekte zu Pastoral, Bildung und Menschenrechten tragen zum lebendigen Austausch bei. Auf deutscher Seite setzen sich etwa der diözesane Katholikenrat, der Fachbereich Weltkirche im Bistum Aachen, aber auch Jugendverbände, Freiwilligendienste und Einzelgemeinden für den Austausch ein. Adveniat ist seit gut zehn Jahren der größte Zuschussgeber. Neben der Kolumbianischen Bischofskonferenz gehören zu den wichtigen Partnern vor Ort die Fundación Concern Universal Columbia, Pijao, die Nasa We’sx Gemeinde und auch Farc, die Guerilla-Bewegung, die den Friedensvertrag mit der Regierung ausgehandelt hat. Ein besonderes Zeichen setzte Alt-Bischof Mussinghoff, als er bei der Heiligtumsfahrt 2014 den kolumbianischen Kardinal Rubén Salazar Gómez als Ehrendomherr ins Kapitel aufnahm.

 

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and und Leute sind „geteilt“: Neben den großen Unterschieden der Lebensumstände von 2000 Metern auf den Andenhöhen bis in die Amazonaszuflussregionen geht die Schere zwischen Arm und Reich viel weiter auf als in Deutschland. Das wurde auf der Dialogtagung in Aachen überdeutlich. Die Organisationen vor Ort kämpfen für faire Preise des Exportschlagers Kaffee und die Eindämmung des Koka-Anbaus, für den Kolumbien mindestens ebenso bekannt ist wie für die Legende um „El Dorado“. Immer noch wird nach Gold geschürft mit großen Folgen für die Lebensgrundlage der Menschen: Durch den Einsatz von Quecksilber verenden Fische, Trinkwasserressourcen werden vernichtet. Wirtschaftsfaktoren sind der Anbau von Ölpalmen für Biotreibstoff, Gewinnung von Kohle und Erdöl, was derzeit in der Ukraine-Krise auch in Deutschland wieder Thema ist. Außerdem ist das Land zweitgrößter Exporteur von Smaragden und bedeutender Lieferant für Schnittblumen.


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ngerechtigkeits-Virus meint Covid 19 und steht stellvertretend für die großen Unterschiede in den Auswirkungen, aber auch den Gemeinsamkeiten allgemein. Weltweit haben die fast 3000 Milliardäre ihr Vermögen verdoppelt, während gleichzeitig mehr als eine viertel Milliarde Menschen akut von Hunger und Armut bedroht sind. Um Corona und seine Folgen für den Gesundheitssektor, Wirtschaft und Politik zu bewältigen, das wurde bei den Rednern wie Diskutanten auf der Dialogtagung hörbar, bedarf es einer weltgemeinschaftlichen Anstrengung. „Die Krise ist eine weltweite Krise.“


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ingà. Jeder in Kolumbien weiß, was es ist. Es kommt aus der indigenen Kultur und meint gemeinschaftliche soziale Arbeit, zu der man sich verabredet, aber auch Feiern. Das Wichtigste: Alle legen zusammen – alle profitieren. Dann ist kein Platz für „M wie Machismo“, was auch ein großes Thema in Kolumbien ist.

 

Derzeit ist eine kolumbianische Delegation zu Gast im Bistum Aachen und kam auch bei der Dialogtagung, die vom Bistum und dem Diözesanrat der Katholiken ausgerichtet wurde, zu Wort.  Mehr unter www.kolumbienpartnerschaft.de. (c) Thomas Hohenschue
Derzeit ist eine kolumbianische Delegation zu Gast im Bistum Aachen und kam auch bei der Dialogtagung, die vom Bistum und dem Diözesanrat der Katholiken ausgerichtet wurde, zu Wort. Mehr unter www.kolumbienpartnerschaft.de.

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eziehungen über rund 9000 Kilometer Luftlinie aufrecht zu erhalten, ist komplex. Das gelingt über eine Partnerschaftswoche, die aus dem Gebetstag am ersten Septembersonntag hervorgegangen ist und die Partner ins Bewusstsein der Glaubensgemeinschaft holt. „Partnerschaft braucht Gesichter“ ist auch ein Schlagwort. So werden – B wie Bildung – Stipendien für kolumbianische Studierende ausgegeben, die an der Aachener Katho Soziale Arbeit studieren. In Kolumbien sind außerdem Fachkräfte aus dem Bistum im Vor-Ort-Einsatz. 


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ndigene, Ureinwohner, machen nach eigenem Bekenntnis nur 3 Prozent der Bevölkerung Kolumbiens aus. Die weitaus meisten haben Vorfahren verschiedener Kontinente. Latenter Rassismus führt dazu, dass – so formuliert es Thomas Hoogen – „jeder, der nur eine weiße, spanische Urgroßmutter hat“, sich selbst als Weißen bezeichnet. „Es gibt kein gesamtkolumbianisches Bewusstsein.“

 

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stratos prägen die Gemeinschaft. Das Wort bedeutet „Schichten“, steht aber in Städten synonym für Wohnviertel. Was sozial scheint, nämlich dass, je höher die Schicht angesiedelt ist, umso höher die Kosten für die Grundversorgung mit Strom und Wasser sind, ist im Grunde ein Diskriminierungsinstrument. 

 


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achhaltigkeit ist gerade für die indigene Bevölkerung ein wichtiges Anliegen.   „Wir schützen unsere Mutter Erde weiterhin. Sie ist unsere Lebensgrundlage“, sagte Wilson Alexander Vera Bucuru stellvertretend bei der Dialogtagung. „Wir werden weiter dafür arbeiten, auch mit Eurer Unterstützung.“