So wird sich am Sonntag auch die koptisch-orthodoxe Gemeinde in der Region Aachen zum feierlichen Weihnachtsgottesdienst in St. Franziskus Stolberg versammeln. Hier hat die Gemeinde nach längerer Suche seit Anfang 2018 einen festen Ort gefunden. Eine Kirche zu haben, in der sie Gottesdienst feiern könnten, sei sehr wichtig für sie, sagt Diakon Kamal Abadir: „Ein Kopte ohne Kirche ist wie ein Vogel ohne Nest.“ Gerne würde die Gemeinde daher das katholische Gotteshaus, das zur Stolberger Innenstadtpfarrei St. Lucia gehört, kaufen. Entsprechende Gespräche dazu laufen derzeit.
Kamal Abadir, der als Ingenieur an die RWTH Aachen gekommen war, um hier seine Doktorarbeit zu schreiben, hat die koptisch-orthodoxe Gemeinde St. Damiana vor drei Jahren mitgegründet.
Unterstützt wird sie vom für die koptischen Gemeinden in Süddeutschland zuständigen Bischof Michael, dem Abt des koptischen St.-Antonius-Klosters in Kröffelbach im Taunus. Von dort kommen auch wechselnde Priester, um mit der Aachener Gemeinde Gottesdienste zu feiern. Eine Zeitlang war die Gemeinde in verschiedenen Kirchen und Klöstern in Aachen zu Gast, ehe sie für anderthalb Jahre in der Kapelle des Lourdesheims in Aachen untergekommen war. Nicht zuletzt durch den Zuzug von Flüchtlingen ist sie schnell gewachsen, so dass sie mehr Platz brauchte. Etwa 150 Mitglieder zählt die St.-Damiana-Gemeinde derzeit, Christen aus Ägypten, aber auch Syrien, Irak, Libanon, Sudan, Äthiopien oder Eritrea. Da es nur wenige koptisch-orthodoxe Gemeinden gibt, kommen sie nicht nur aus der Städteregion Aachen, sondern auch aus den Kreisen Düren und Heinsberg sowie aus der belgisch-niederländischen Grenzregion. Die Gemeinde ist Mitglied im Dialog der Religionen in Aachen und seit Jahresbeginn in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Aachen.
Die koptisch-orthodoxe Kirche wurde der Überlieferung nach im 1. Jahrhundert in Ägypten durch den Apostel und Evangelisten Markus gegründet. Etwa zehn Prozent der Ägypter (rund 9 Millionen) sind heute noch koptische Christen. Die Zahl der in Deutschland lebenden Gläubigen liegt bei geschätzt 6000. Liturgiesprache ist bis heute koptisch.
Der Gottesdienst, zu dem die Aachener Gemeinde jeden ersten und dritten Sonntag im Monat zusammenkommt, ist dreisprachig: koptisch, arabisch und deutsch. Auch das Messbuch ist in diesen drei Sprachen verfasst. „Viele jüngere Gemeindemitglieder können nur deutsch“, erläutert Kamal Abadir. Ältere dagegen bräuchten eher das Arabische als sprachliche Brücke. Das Koptische pflegten sie weiterhin, damit die Sprache nicht verloren gehe.
Kamal Abadir ist Archediakon der Gemeinde. Er unterstützt den Priester mit weiteren Diakonen bei den zweinhalb bis drei Stunden dauernden Gottesdiensten. Die Liturgie ist im Vergleich zur katholischen „ausgeschmückter“, wie er erläutert, mit mehreren Lesungen, dem Evangelium sowie Gebeten und Psalmen. Auch Weihrauch spielt eine wichtige Rolle, und immer wieder kommt der Priester während des Gottesdienstes zu den Gläubigen, um sie zu segnen. „In der koptischen Kirche ist es nicht unüblich, dass Gemeindemitglieder zwischendrin aufstehen, um eine der zahlreichen Reliquien zu verehren und dort zu beten“, schildert Charlotte Abadir. Sie ist katholisch, aber durch ihren Mann inzwischen mit den Feinheiten der koptischen Kirche vertraut. Was die Frauen angehe, sei die noch „etwas alttestamentarisch“. Sie dürfen den Altarraum nicht betreten (was im Übrigen auch die Männer nur ohne Schuhe tun) und bedecken zur Kommunion ihren Kopf mit einem Tuch. Üblicherweise gebe es auch eine Frauen- und Männerseite, doch das mische sich zunehmend.
Verbindende Elemente zur katholischen und evangelischen Kirche sind die Bibel, das Vaterunser als von Gott selbst den Menschen gegebenes Gebet, sowie das Glaubensbekenntnis. Besonders wichtig ist auch für die koptischen Christen der Empfang der heiligen Kommunion im Rahmen des Gottesdienstes. Dazu erhält jeder neben der Hostie einen Schluck Wein. „Unsere Hostien tragen als Stempel ein koptisches Kreuz. Die schönste wählt der Priester als Leib Christi aus“, erklärt Kamal Abadir. Damit kein Krümel des Leibes Christi verloren gehen kann, halten die Gläubigen sich ein Tuch vor den Mund. Außerdem sollte, wer Brot und Wein empfangen will, zuvor gefastet haben. Das Fasten hat generell einen hohen Stellenwert im koptischen Glauben. So wird vor dem Weihnachtsfest 43 Tage gefastet, um sich auf die Geburt Jesu vorzubereiten. „Wir fasten vegan, das heißt, wir verzehren weder Fleisch noch Milchprodukte“, sagt Kamal Abadir.
Neben den regelmäßigen Gottesdiensten gehören zu den Aufgaben der Gemeinde der Beerdigungsdienst, die Feier von Hochzeiten und Taufen sowie die Begleitung bei Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten oder zu Anwälten und Behörden. Hier helfen deutschsprachige Gemeindemitglieder auch als Dolmetscher. Einen hohen Stellenwert haben in der koptischen Kirche die Kinder und Jugendlichen. „Sie sind die Zukunft unserer Gemeinde und unserer Kirche“, erklärt Diakon Kamal Abadir. Um sie an den Glauben heranzuführen, findet nach den Gottesdiensten regelmäßig eine Sonntagsschule für die Kinder statt, und es gibt Bibelkurse für Jugendliche und Erwach-sene. Außerdem bietet die Gemeinde Sprachkurse in Deutsch und Arabisch an.