Frauen haben in den Evangelien und in der Apostelgeschichte einen nicht ganz leichten Stand. Ihren Geschichten gestehen die männlichen Verfasser oft wenig Raum zu. Anders in der Ostergeschichte, die ohne die Frauen, die das leere Grab finden, nicht denkbar wäre.
„Alle Evangelisten kennen die Begegnung der Frauen (in unterschiedlicher Zusammensetzung) mit den Engeln und dem Auferstandenen am Grab. Das muss schon eine starke Botschaft sein“, bestätigt Annette Jantzen. Die promovierte Theologin und Frauenseelsorgerin für die Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land hat sich näher mit der Rolle der Frauen in dieser Geschichte und in der Nachfolge Jesu beschäftigt. Zunächst bleibt festzustellen, auch, wenn im harten Kern immer von den zwölf Jüngern Jesu die Rede ist, die mit ihm durchs Land gezogen sind, war der Kreis derer, die ihm gefolgt sind, weitaus größer und darunter waren auch Frauen. Die Zwölf ist vor allem auch eine symbolische Zahl, erinnert unter anderem an die zwölf Stämme Israels. Auch sei die Liste der Zwölf nicht in allen Erzählungen deckungsgleich, berichtet Annette Jantzen. „Nachfolge ist viel vielfältiger. Sie schließt auch alle mit ein, die Jesus nur zeitweise begleiten oder ihn aufnehmen, so wie zum Beispiel Martha und Maria.“ Die Unsichtbarmachung von Frauen in der Nachfolge Jesu setze sich aber auch in aktuellen Übersetzungen des Neuen Testaments fort, wenn etwa die hinzugefügten Zwischenüberschriften bei Männern von „Nachfolge“, bei Frauen aber von „Gefolge“ sprächen.
Nicht alle Frauen werden in den biblischen Geschichten beim Namen genannt und wenn, dann meist in ihrer Beziehung zu einem Mann: „die Frau des…“, „die Mutter des…“ Auch gebe es in der Bibel keine Berufungsgeschichten von Frauen, „obwohl die sicherlich interessant gewesen wären, zum Beispiel bei Maria von Magdala“, findet Annette Jantzen. Die interessanterweise als einzige nicht über einen Mann definiert wird, sondern über den Ort, aus dem sie kommt. Sie muss also schon eine besondere Rolle gehabt haben. Beschreibungen wie „Vertraute oder beste Freundin Jesu“ dürften ihr wohl ebenso gerecht werden wie „Apostelin der Apostel“. Dass Maria von Magdala auch Einfluss hatte, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass die Kirchenvertreter sie in den späteren Jahrhunderten zur „Prostituierten“ gemacht haben. Ein gerne gewähltes Mittel, um starke Frauen zu diskreditieren oder mundtot zu machen: Hure oder Hexe.
Wichtig sei jedoch zu sehen: Wie Frauen in der Bibel beschrieben sind, was von ihnen erzählt wird und was nicht, sage kaum etwas darüber aus, wie Jesus die Frauen gesehen hat. „Im Zusammensein mit Jesus spielten Geschlechter keine Rolle. Er begegnete jedem Menschen auf Augenhöhe und ohne Tabus“, beschreibt es die Theologin. Jesus habe keine Unterschiede gemacht, niemand ein- oder ausgegrenzt und jeden als Menschen gesehen. Auch das wird in den Erzählungen der Bibel beschrieben. Diese Erfahrung der Begegnung auf Augenhöhe sei gerade auch für die beteiligten Frauen Bestätigung und Befähigung gewesen. In den Gemeinden nach Jesu Tod dürften sie daher durchaus eine wichtige Rolle gespielt haben.
Um zu verstehen, warum es die Frauen sind (bei Lukas sind es Maria aus Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, bei Markus ist statt Johanna Salome genannt, bei Johannes ist es nur Maria aus Magdala, der später vor dem Grab Jesus erscheint), die das leere Grab als erste vorfinden, muss man den historischen Kontext etwas genauer anschauen. Es sei in der Antike nicht offiziell verboten gewesen, einen Gekreuzigten zu bestatten, aber nicht ganz ungefährlich. Zum Tode am Kreuz („systematische Folter“) wurden Staatsfeinde und Mörder verurteilt.
„Sich um so jemand zu kümmern, war eine Mutprobe, denn man geriet ins Blickfeld als mögliche Mitwisser“, erläutert Annette Jantzen. Ein Risiko, das die Männer in Jesu engerem Umfeld anscheinend zum größten Teil scheuten, mit Ausnahme des Josef von Arimathäa, der Pilatus bittet, den Leichnam vom Kreuz abnehmen zu dürfen. „Aus seinem Schüler- und Schülerinnen-Kreis blieben am Ende vor allem die Frauen.“ Ähnlich ist es unmittelbar nach Jesu Tod beschrieben, die Frauen, die ihm gefolgt sind – je nach Evangelisten sind darunter seine Mutter, Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus – bleiben bis zum Ende, sehen alles mit an und halten sein Leiden mit ihm aus. „Seine Freunde waren weg, seine Freundinnen nicht.“
Was die Frauen am Ostermorgen tun wollen, ist die normalen Bestattungsriten (den Toten salben) ausführen, um Jesus, den Gekreuzigten, so wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen. Der Umgang mit den Toten zu Jesu Lebzeiten war stark häuslich und damit weiblich geprägt. Und trotzdem erstaunt es, dass keiner der männlichen Anhänger Jesu sie begleitet. Sie müssen immerhin, um in das Grab zu gelangen, den schweren Stein vor dem Eingang wegrollen. Was die Frauen dann erleben, ist, wie Annette Jantzen sagt, „der Keim für den Glauben daran, dass der Tod nicht das letzte Wort hat“.
Dabei ist der Auferstehungsglaube nicht einmal neu. Er entwickelte sich in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende. Eine genauere zeitliche Eingrenzung ist schwierig, da er in den Bereich der häuslichen Spiritualität gehört, der wenig Niederschlag in den biblischen Schriften gefunden hat. Jesus selbst glaubte an die Auferstehung, sagt die Theologin.
Nach seinem Tod wird dann sichtbar/spürbar, was zentral für den christlichen Glauben ist: Tod und Gewalt haben nicht das letzte Wort. „Das ist Dreh- und Angelpunkt, aber nicht die einzige Erfahrung. Das ist auch heil werden, satt werden, Gemeinschaft finden, Schuld hinter sich lassen. Ort der Gottesmitteilung ist Jesu ganzes Leben.“ Es sei die Erfahrung, dass die Welt von Gott gehalten ist, die wir in Jesus von Nazareth machen. „Es sind die Frauen, die am Ostermorgen als erstes ins Wort bekommen, was geschehen ist, die mit einer Lebendigkeit konfrontiert werden, mit der sie nicht gerechnet haben“, fasst Annette Jantzen zusammen.
Wie das weitererzählt und überliefert wird, zeigt, dass die Bibel von Männern geschrieben und von ihnen über Jahrhunderte gedeutet wurde. Manche Begriffe seien unterschiedlich besetzt, je nachdem, ob von Männern oder Frauen die Rede ist, erläutert Annette Jantzen. So könne man den Begriff „Ekstase“ mit „Angst“ oder „Furcht“ übersetzen, aber eben auch mit „Freude“. Bei den Frauen, die Jesu Grab leer vorfinden und denen dort Engel erscheinen, die ihnen verkünden, Jesus sei auferstanden, ist von „Furcht“ die Rede. Als sie den Jüngern berichten, was sie gesehen und erlebt haben, glauben die ihnen nicht und tun es als „Weibergeschwätz“ ab. Eine knappe Generation später heißt es dann „Der Herr ist auferstanden und dem Simon erschienen“, so gibt es Paulus im ersten Korintherbrief wieder. Da fehlen die ganzen Ostermorgen-Erzählungen“, sagt Annette Jantzen. Und fügt an: „Die Frauen wurden ab dann eigentlich nicht mehr gebraucht.“ Sie treten in die zweite Reihe zurück.
Dass wir die Geschichte dennoch kennen und sie ein wichtiger Teil der Liturgie an Ostern ist, zeigt, wie stark diese Botschaft war und ist.