Mutig gegen das Regime

Der Hülser Priester Reinhold Friedrichs überlebte den NS-Terror. Sein Geburtsort erinnert an den Geistlichen

Pfarrer Paul Jansen (l., mit den Originalbriefen) und Gregor  Micus vor der Grabplatte von Domkapitular Reinhold Friedrichs. (c) Dirk Jochmann
Pfarrer Paul Jansen (l., mit den Originalbriefen) und Gregor Micus vor der Grabplatte von Domkapitular Reinhold Friedrichs.
Datum:
2. Feb. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 05/2022 | Chrismie Fehrmann

Die Worte des Krefeld-Hülser Priesters Reinhold Friedrichs an die Mutter im letzten Brief vor der angekündigten Deportation 1941 lassen den Leser erschauern: „Ich gehe mit Gott. Darum macht euch keine Sorgen. Jetzt beginne ich erst recht, ganz Priester zu sein.“ Die Wörter „ganz Priester“ hat Reinhold Friedrichs unterstrichen. Er wurde zum Opfer des NS-Regimes, weil er für seinen Glauben eintrat.

Von Chrismie Fehrmann


Der Originalbrief befindet sich heute mit weiteren Schriftstücken des Geistlichen gut verschlossen im Safe der Kirchengemeinde St. Cyriakus Hüls. Dort wirkt Pfarrer Paul Jansen, der sie von Maria Drink, der Nichte des Verfassers, erhalten hat. Sichtbar ist hingegen die große und wertvolle Grabplatte aus Bronze des späteren Domkapitulars Friedrichs. Sie hängt seit Kurzem in der Betkapelle der Kirche St. Cyriakus und stammt von seiner Gruft in Münster, die aufgegeben wurde.
Doch der Reihe nach: Friedrichs wurde 1886 in Hüls geboren. Sein Theologie-Studium absolvierte er in Münster. Dort erfolgte auch seine Priesterweihe. Er hatte sich besonders um die Jugendlichen gekümmert und deren Vertrauen gewonnen. Später wurde er Religionslehrer an den Berufsschulen in Münster und Polizei-Oberpfarrer. Doch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde sein Aufgabengebiet drastisch eingeschränkt. Ab 1935 durfte er nicht mehr Religionslehrer sein. Einer der Gründe: Er hatte gefordert, Baldur von Schirach, den Nazi-Pädagogen und Reichsjugendführer im Dritten Reich, abzusetzen. Friedrichs versuchte vergebens, eine Wiedereinstellung zu erreichen.
Als der engagierte Priester bald keine Aufgabengebiete mehr besaß, ging er nach Recklinghausen-Essel. Dort predigte er sechs Mal am Tag. Seine Kirche füllte sich zusehends. Nicht nur mit Gläubigen. „Schreiben Sie ruhig mit“, forderte der unerschrockene Geistliche die Spitzel von der Kanzel herab auf. Das konnte nicht lange gutgehen. Er wurde von der Gestapo verhaftet.
„Mir kann nichts passieren“, schrieb er aus Dachau vom sogenannten Priester-block 4. „Ich wirke hier als Seelsorger im kleinen Kreis. Es herrscht eine herrliche Kameradschaft, und ich erlebe, wie rührend hilfreich die Gefangenen sind.“
Jansen berichtet: „Im April 1945 wurde der Priester nach vier Jahren in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau – gesundheitlich schwer angeschlagen – entlassen. Nach dem Krieg war Friedrichs wieder als Polizei- und gleichzeitig auch als Bundesgrenzschutz-Pfarrer tätig.“ 1962 weihte er die vier neuen Glocken in der Hülser Pfarrkirche ein. Im Juli 1964 starb er als Domkapitular in Münster und wurde dort auf dem Domherrenfeld des Zentralfriedhofs beigesetzt.
„Ich hatte zuerst beabsichtigt, die bronzene Grabplatte auf die Priestergruft des Hülser Friedhofs zu legen. Doch von dort wäre sie sicher schnell ,verschwunden‘. Deshalb hängt sie nun in der Betkapelle“, berichtet Jansen. „Restaurator Matthias Sandmann aus Kempen hat sie gereinigt. Er hat auch die Türen des Kölner Doms restauriert.“
Derzeit werden die Briefe des verdienstvollen und hohen Geistlichen, der sich mutig gegen den Nationalsozialismus gestellt hat, gesichtet. „Wir haben noch nicht alles gelesen“, berichtet Gregor Micus, der gemeinsam mit Gerd Hosten das Pfarrarchiv in St. Cyriakus betreut. „Wir werden sie jedoch in Kopie der NS-Dokumentationsstelle in Krefeld übergeben. Dort werden sie wissenschaftlich aufgearbeitet; auch dahingehend, was ,zwischen den Zeilen‘ steht.“
Eine Straße in Münster trägt den Namen des verdienstvollen Geistlichen. Die mit dem Nachlass beschäftigten Männer in Hüls können sich vorstellen, dass auch eine Straße in ihrem Stadtteil den Namen des Domkapitulars Reinhold Friedrichs tragen könnte.