„Es war kein Tag mit Happy End“, beginnt eine der Ehrenamtliche die Beschreibung eines Einsatzes. Anonymisiert, aber darum nicht weniger eindrücklich, schildert sie, was es heißt, als Notfallseelssorgerin Menschen in ihren dunkelsten Stunden Beistand zu leisten.
Der Tod war unerwartet und mit voller Wucht in das Leben von Menschen getreten und das Einzige, was sie tun konnte, war hilflos und still bei ihnen zu sitzen. „Ich konnte kein Trost sein, nur sein.“ Dieser Satz fasst zusammen, was die Haupt- und Ehrenamtlichen der Notfallseelsorge Aachen seit 25 Jahren leisten. Denn dieses „nur sein“ ist so viel mehr, es ist da sein für jemand, dessen Welt gerade in Trümmer zerfällt, den Schock, den Schmerz und die Verzweiflung mit ihm aushalten. So wie es die Frauen unter dem Kreuz Jesu getan haben. Notfallseelsorgende seien „Karfreitagsmenschen“.
Viele der Rednerinnen und Redner im Dom, wo das Jubiläum mit einem ökumenischen Gottesdienst gefeiert wurde, ebenso, wie beim anschließenden Empfang im Krönungssaal des Rathauses, nahmen Bezug auf dieses „Da sein und aushalten“. Bischof Helmut Dieser (der wegen einer anderen Verpflichtung nicht da sein konnte) sprach den Frauen und Männern, die diesen Dienst übernehmen, seinen Respekt und Dank aus. Wie Jesus gingen sie hin zu den Menschen in den Katastrophen dieser Welt, seien wie er „Mitmensch“ und ließen sich vom Verlust und der Not anderer treffen, damit diese sie nicht allein tragen müssten.
Sie seien da in Situationen, wie der Flutkatastrophe oder der Explosion in Eschweiler, bei schweren Unfällen, Suiziden und unerwarteten Todesfällen und zeigten, dass Menschen in Not nicht allein gelassen werden, würdigte auch Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen, was die Notfallseelsorge in und für die Gesellschaft leiste. Sie seien Teil eines Teams an Rettern vor Ort, einer besonderen Kooperation, die es ermöglicht „auch seelisch Erste Hilfe zu leisten“. In ihren Dank schloss sie die Familien ein, die den Ehrenamtlichen den Rücken freihalten, oft auf sie verzichten und sie nach Einsätzen auffangen.
Bianca van der Heyden, Landespfarrerin im Landespfarramt für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland, würdigte die Arbeit als einen „zutiefst menschlichen Dienst“. Als kleines Geschenk für das Team, dessen Buntheit, Vielfalt, Empathie und Kreativität sie hervorhob, hatte sie Pins mit dem Logo der Notfallseelsorge dabei. „Der Kreis steht für die Not der Menschen, das gelbe Sternenkreuz in der Mitte dafür, dass sie dableiben, wo andere weglaufen, und der blaue Hintergrund für die Hoffnung der Menschen, über den Tod hinaus geborgen zu sein.“
Für Rita Nagel, die katholische Koordinatorin der Notfallseelsorge Aachen, hatte Bianca van der Heyden noch ein weiteres Geschenk dabei, die Verdienstmedaille der Notfallseelsorge in Silber für 24 Jahre Einsatz und Engagement für die Aachener Notfallseelsorge.
Gegründet hat sie 1999 Frank Ertl auf evangelischer Seite gemeinsam mit Benediktinerpater Georg Mießen auf katholischer Seite. Ertl beschreibt die Notfallseelsorge als ein Aushängeschild von Kirche. „Seelsorge ist einer der wenigen Bereiche, wo Kirche Menschen nicht mit Macht begegnet.“ Zudem steht diese besondere Form der Seelsorge für eine tätige Nächstenliebe, die nicht nach Religionszugehörigkeit fragt, sondern hilft, wo Hilfe gebraucht wird. Auch die Ehrenamtlichen müssen nicht mehr einer Konfession angehören. Wichtig ist, dass sie für diese christliche Überzeugung einstehen.
Gemeinsam mit ihrem evangelischen Kollegen, Eckhard Weimer, steht Rita Nagel dafür, dass keine Einsatzanfrage unbeantwortet und kein Mensch in Not alleine bleibt, dass ihr Team aus derzeit 46 Ehrenamtlichen und neben ihnen beiden drei weiteren Hauptamtlichen, immer gut gerüstet und begleitet seinen Dienst versieht. Zwischen 250 und 270 Einsätze haben sie im Jahr, die meisten sind Todesfälle zuhause, ungeklärte ebenso wie natürliche, Suizide, Verkehrsunfälle und andere Unglücksfälle. Manche wirken auch Jahre später noch nach. Dass sie diesen Dienst mit Leidenschaft versehen, liegt auch am guten Geist innerhalb der Gruppe. Man steht für einander ein, lacht und weint miteinander – und singt zusammen. Wie der Projektchor, der sich zum Jubiläum zusammengefunden hat.