Einen Gottesdienst der etwas anderen Art feierte die Cityseelsorge zum Abschluss ihrer Sommer-Kirche 2021 in der Stadtkirche St. Dionysius. Vier Diskutanten sprachen mit Kaplan Dennis Rokitta über das Thema Ehe und Partnerschaft.
Das Format der Talkshow hält seit einigen Jahren im deutschen Fernsehen einen festen Sendeplatz. Vor allem der politische Talk zeichnet sich dadurch aus, dass, wie es Kaplan Rokitta formulierte, „Menschen verschiedener Meinungen zusammenkommen, um öffentlich zu kollidieren“. So jedoch sollte es bei dieser Premiere nicht laufen. Sieger wolle man bei diesem Talk-Gottesdienst nicht küren, sondern sich daran erinnern, dass „wir als Getaufte mit dem Heiligen Geist beschenkt sind und in seinem Sinne reden dürfen“.
Mit dem Talk-Gottesdienst versucht die Cityseelsorge an der Innenstadtkirche
St. Dionysius auch ein anderes Format der Verkündigung. Der Titel „ANNE WILL heiraten“ verwies dabei nicht nur auf das Format, sondern auch auf das Thema – Partnerschaft und Ehe. Vier Diskutanten aus verschiedenen Lebensbereichen nahmen dafür auf dem Podium im Altarraum Platz: Tim Rokitta, 34, Religionslehrer aus Mönchengladbach und seit Kurzem verheiratet. Er war quasi der Impulsgeber des Themas, denn als Bruder war Kaplan Rokitta auch familiär in die Vorbereitungen eingebunden. Jeannette Jantz (27) und Sven von Gehlen (31) engagieren sich beide in der Jugendkirche St. Elisabeth Krefeld. Sie sind ein Paar noch ohne Trauschein. Der letzte im Bunde, Hajo Greve, führt ein Maßkonfektionsgeschäft für Herren und kleidet dabei auch regelmäßig Bräutigame ein. So betrachtet der 50-Jährige das Thema auch aus zweifacher Perspektive: als aktiver Christ und als Kaufmann.
Die verschiedenen Frageblöcke wurden eingeleitet durch einen biblischen Impuls, jeweils vorgetragen von Michelle Engel und musikalisch begleitet vom ehemaligen Kirchenmusikdirektor Josef Schwalbach. Dem ersten Impuls aus Genesis 2,23–24 liege viel zugrunde, was die Kirche unter Ehe verstehe. Bei den Diskutanten ergibt sich da schon ein differenzierteres Bild: Während für Tim Rokitta die Textstelle sehr gut veranschaulicht, was Partnerschaft bedeutet, ist für Sven von Gehlen die Ehe ein gemeinsamer Weg, der nicht immer glücklich ist. Für Jeannette ist es praktisch ein Beginn bei Null, denn es bedeute auch, sich auf den Partner einzustellen. Durch den Weg, als Paar Lösungen zu finden, wachse man auch persönlich. In eine ähnliche Richtung weist Hajo Greve: Die Ehe versteht er als das Versprechen einer nie aufhörenden Suche nach einem gemeinsamen Weg unter dem Schutzmantel von Gottes bedingungsloser Liebe.
Sven von Gehlen
Doch was ist, wenn diese Suche doch an ihr Ende kommt? Matthäus 19,3–9 formuliert die Unauflöslichkeit der Ehe, ein Anspruch, den auch die katholische Kirche vertritt. Doch was ist, wenn Partner diesem Anspruch nicht gerecht werden? Mehr Großherzigkeit in der Kommunikation wünscht sich Hajo Greve in diesem Fall von der katholischen Kirche. Und Angebote in der Begleitung von Krisen in der Partnerschaft: „Es kann nicht sein, dass Kirche auf der einen Seite die bedingungslose Liebe Gottes verkündet, auf der anderen Seite aber den Menschen vermittelt: ,Wenn du unseren Ansprüchen nicht gerecht wirst, müssen wir uns überlegen, ob wir dir weiter den Segen erteilen.‘“ Viele gingen vielleicht den vermeintlich einfachen Weg, statt sich den Schwierigkeiten zu stellen, geben von Gehlen und Tim Rokitta zu bedenken. Das wiederum wollte Hajo Greve so nicht stehenlassen. Auch Menschen, die sich mehr als einmal ehelich binden, nehmen dieses Versprechen ernst, so seine Beobachtung. Doch seien heute auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen andere als vor 100 oder 50 Jahren. Belastungen würden anders wahrgenommen. Das werde ihm zu wenig berücksichtigt, auch in der Begleitung der Menschen.
Die Liebe als Grundauftrag der Kirche, so formuliert es auch Paulus im ersten Korintherbrief (13,1–13). Was bedeutet das für Menschen, deren Lebensentwürfe nicht in die herkömmliche Schablone passen? Sven von Gehlen und Jeannette Jantz haben da eine klare Haltung: „Wir sind alle Kinder von Gott. Egal, wie man liebt.“ Für Jeannette wäre es wichtig, wenn Kirche Menschen aus der LGBT-Gemeinschaft mehr signalisiere, dass sie angenommen wären, ihnen „zumindest die Türklinke in die Hand gibt“. Für Tim Rokitta bezieht sich das Sakrament der Ehe auf die Ehe zwischen Mann und Frau. Andererseits sage die Kirche auch, dass jede Form der Diskriminierung falsch sei. Neben dem Ehesakrament gebe es andere Formen, in denen der Zuspruch und die Annahme deutlich würden. Diese deutlich erkennbarer zu zeigen im Blick auf alle ihre Schäfchen, wünscht sich Hajo Greve. Denn neben einem Gefühl sei Liebe auch eine Frage der Haltung.
Fast zu schnell verflog die Stundenfrist, Besucherinnen und Besucher erlebten eine engagierte, faire Diskussion. Eine gelungene Premiere, die ein größeres Publikum verdient hätte. Eine Wiederholung sei dennoch nicht ausgeschlossen, die, wenn Corona es zulässt, auch mehr Beteiligung der Zuschauer zulässt.