Mit schwerem Gepäck

Wie Entscheidungen entwickeln, treffen, durchtragen? Einblicke in die Arbeit eines Kirchenvorstands

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Gepäck Nachricht
Datum:
29. Aug. 2017
Die Aachener Pfarrei Christus unser Bruder gehört zu den vielen Gemeinschaften, die sich vor Jahren im Bistum Aachen aus vorher eigenständigen Gemeinden gebildet haben.
Ritzerfeld (c) Thomas Hohenschue
Ritzerfeld

Gleich nach der Fusion kam die nächste Großbaustelle: Die neue Pfarrei beriet über den Umgang mit ihren Gebäuden. Am Schluss stand die Entscheidung, die Kirche St. Elisabeth zu verkaufen. Bis das erfolgte, ging noch einmal Zeit ins Land. Über die Mühen dieses langen Weges berichten im KiZ-Gespräch zwei Kirchenvorständler, offen, ehrlich. Ein Blick hinter die Kulissen.

 

Täuscht der Eindruck oder haben Sie die hohe Schlagzahl bei der Gremienarbeit nach der Fusion beibehalten?

Klaus Ritzerfeld In der Tat waren wir die ersten offiziellen Kunden von KIM, dem Kirchlichen Immobilien-Management des Bistums. Wir hatten gerade gut zusammengefunden, durch paritätisch genaue Besetzung in den Gremien, durch faires Miteinander, unabhängig von der Größe und dem Vermögen der jeweiligen Gemeinde. Dieses gute Miteinander wollten wir weiter pflegen und den Schwung, den wir hatten, in die neue, schwierige Thematik mitnehmen. Das hat uns geholfen, die Energie für KIM aufzubringen.

Johannes Bartholomäus Wir haben einfach gedacht: Irgendwann kommt es sowieso, dann machen wir es direkt.

 

Wie ließ sich die Sache an?

Klaus Ritzerfeld Wir haben uns die Aufgabe nicht leicht gemacht. Alle pastoral genutzten Gebäude wurden begutachtet. Wir haben alle Zahlen hin und her gewendet. Wir haben Szenarien entwickelt, wie die Sparvorgabe vom Bistum erreicht werden kann. Relativ rasch sind wir dann bei den Kirchen gelandet, wegen ihrer Größe und der Kosten, die sie verursachen. Und da wurde es richtig schwierig.

Johannes Bartholomäus Zugespitzt gesagt gilt: Die schönste Kirche der Welt ist die, die zu einem gehört. In so einer Situation kommen Sie sich als Verantwortlicher in einem Gremium wie in einer griechischen Tragödie vor: Egal, was Sie tun – es ist schlecht. Dem können Sie einfach nicht entrinnen – auch wenn jetzt noch manche in anderen Pfarreien davor weglaufen, das Thema vertagen, alles auf wenig realistische Fördervereine setzen, Funktion über Funktion in ein Gotteshaus hineinpressen. Das alles hilft nicht – die eine oder andere Kirche wird verkauft werden müssen. Das ist nicht einfach, sondern schmerzlich – für alle Beteiligten, auch für uns Gremienmitglieder.

 

Wie kamen Sie zu einer Entscheidung und wie ging es dann weiter?

Johannes Bartholomäus Wir haben gemeinsam die Verantwortung gespürt für eine Entscheidung, die auf längere Zeit hin trägt. So konnten wir das Kirchturmdenken hinter uns lassen. Die Szenarien zeigten eindeutig, dass es darauf hinauslief, die Elisabethkirche zu verkaufen. Alles andere wäre noch grausamer geworden.

Klaus Ritzerfeld Wir haben sehr intensiv und auch kontrovers im Gremium miteinander gerungen. Einfach hat es sich niemand von uns gemacht. Wir wollten eine Entscheidung und sie sollte gemeinsam getragen werden. Schließlich stimmten auch die Mitstreiter aus St. Elisabeth zu. Niemand wurde über den Tisch gezogen – wir wollten uns weiter in die Augen schauen können. So fiel die Entscheidung einstimmig. Diese Geschlossenheit war uns sehr wichtig, um den Beschluss vor der Pfarrei zu vertreten, wie es dann in einer Pfarrversammlung geschah. Das sollte die Basis sein, in gegenseitigem Vertrauen die nächsten Schritte zu gehen.

 

Wie sahen diese nächsten Schritte aus?

Klaus Ritzerfeld Mit dem Beschluss fing die eigentliche Arbeit erst an. Denn jetzt galt es, einen Investor zu finden, der eine sinnvolle und würdige Nutzung für die Kirche garantiert. Das war wesentlich schwerer als erwartet. Letztlich haben wir drei Jahre lang Klinken geputzt und mussten dabei die eine oder andere Niederlage einstecken. Von so manchen unrealistischen Annahmen mussten wir uns verabschieden bei diesem Versuch, eine Kirche zu vermarkten. Und auch über die angebotenen Nutzungskonzepte haben wir kontrovers diskutiert. Es war ein zähes Hin und Her, Auf und Ab.

Johannes Bartholomäus Sie können es nicht jedem recht machen. Unsere Linie war, der gemeinsamen Entscheidung treu zu bleiben. Wir haben nicht über das „Ob“ neu diskutiert, sondern nur über das „Wie“. Das hat sich bewährt.

 

Wie haben Sie dieses dicke Brett gebohrt, so ganz praktisch gefragt?

Johannes Bartholomäus Sie brauchen zwei, drei Leute, die sich kümmern, in Gespräche gehen, Korrespondenz aufnehmen, das aber immer wieder ins Gremium zurückbinden, um dort zu belastbaren Ergebnissen zu kommen. Es ist ganz wichtig, stets mit offenen Karten zu spielen, zu informieren, Transparenz zu wahren. Wir haben sehr viel Zeit in all das investiert, und manche Hoffnung ist erst spät zerstoben, nach weitreichenden Überlegungen und Verhandlungen. Einmal standen wir kurz vor dem Abschluss und scheiterten. Wir brauchten wirklich einen langen Atem und ein dickes Fell.

Klaus Ritzerfeld Für eine ehrenamtliche Tätigkeit ist es manchmal ein bisschen viel gewesen.

 

Schließlich war der Investor gefunden und sein Konzept akzeptiert. Wie haben Sie die Neuigkeit öffentlich gemacht?

Klaus Ritzerfeld Auch hier war es uns ganz wichtig, mit allen Betroffenen gut umzugehen. Wir sind zuerst zu den Mietern der umliegenden Immobilien gegangen, die mit der Kirche veräußert werden mussten. Sie sollten nicht erst später aus der Presse erfahren, dass der Verkauf anstand. Mit dem Investor haben wir eine Pressemitteilung abgestimmt, die mit Sperrfrist rausging. Vor der Veröffentlichung wurde die Gemeinde in den Gottesdiensten und auf unserer Internetseite informiert.

 

Wie wurde die Botschaft aufgenommen?

Johannes Bartholomäus Als der Verkauf konkret war, wurde den Leuten klarer, was der Beschluss vor vier Jahren bedeutet. Es gab Protest, weil der Verlust nun greifbar nahe rückte. Da wird’s nochmal schwer, aber Sie müssen da als Verantwortlicher einfach durch. Sie tun Menschen weh mit Ihrer Entscheidung und das tut Ihnen auch selbst weh. Aber es ging kein Weg daran vorbei. Uns blieb noch, einen würdigen Abschied zu gestalten. Das war uns wichtig und den Gläubigen auch. Nun aber liegen die Geschicke der Kirche in den Händen des Investors.

 

Das Gespräch führte Thomas Hohenschue.

Bartholomäus (c) Thomas Hohenschue