Seit 1. August leitet Carsten Gier die Abteilung Schule und Erziehung im Bischöflichen Generalvikariat des Bistums Aachen. Der 49-Jährige ist von ganzem Herzen Lehrer. Auch wenn sich der frühere Leiter der Bischöflichen Liebfrauenschule Eschweiler für seine neue Funktion vom laufenden Schulbetrieb verabschiedet hat, bleibt er ihm als Vater eng verbunden.
Carsten Gier ist eine treue Seele. Mehr als 20 Jahre war er Lehrer an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler. Von ihm lernten die Fünftklässler die ersten physikalischen Gesetze, und Abiturienten arbeiteten sich unter seiner Anleitung durch Kurvendiskussionen und Vektorrechnungen. Carsten Gier war mit Begeisterung Lehrer. Vor den Sommerferien nahm er seinen Abschied, den Schulen blieb er trotzdem treu. Seit dem 1. August leitet der 49-Jährige die Abteilung Erziehung und Schule im Bischöflichen Generalvikariat des Bistums Aachen. Mit seinem Team ist er damit nicht nur für eine Schule, sondern als Vertreter des Schulträgers für zwölf Bischöfliche Schulen verantwortlich.
Dass er einmal Lehrer werden würde, war Carsten Gier schon klar, als er selbst noch Schüler war. Als Nachhilfelehrer und als Übungsleiter im Turnverein habe er schon als Jugendlicher Spaß daran gehabt, Wissen zu vermitteln und weiterzugeben, sagt er. Physik habe ihn schon immer fasziniert, und so hat er nach dem Abitur 1992 an der RWTH Aachen das Studium der Mathematik und Physik aufgenommen. Fast sein ganzes Lehrerleben hat er an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler verbracht. Nach seinem Referendariat am Ratsgymnasium Minden (Ostwestfalen) hat er im Februar 2002 dort als Studienrat begonnen.
Dass man ein Leben lang lernt, hat er den Kindern vorgelebt. Als Lehrer machte er die Mangelfortbildung Informatik und baute das Medienkonzept der Bischöflichen Liebfrauenschule aus. 2010 folgte die Schulleiterqualifizierung, und er wurde Jahrgangsstufenleiter. Vier Jahre später wurde er stellvertretender Schulleiter. Am 1. Februar 2017 ist er schließlich selbst zum Schulleiter ernannt worden.
„Ich bin absolut überzeugt vom Mehrwert des katholischen Schulwesens“, sagt er. „Wir bereiten unsere Schüler, die in die Welt gehen, darauf vor, aus unserem christlichen Geist heraus Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Das tragen sie in die Welt hinaus.“ In schulischen Aktionen und in der Gemeinschaft werde nicht nur Wissen vermittelt, sondern Herzensbildung. „Viele Schülerinnen und Schüler engagieren sich für Nachhaltigkeit, setzen sich für Fair Trade ein oder unterstützen einen Eine-Welt-Laden“, zählt Gier auf.
Der soziale Aspekt spiele eine wesentliche Rolle. „Die Schulen sind da sehr unterschiedlich unterwegs, aber sie bemühen sich um eine Bildung der Schüler, bei der auch Mensch und Umwelt nicht vergessen werden, sondern in der Mitte stehen“, ist Giers Erfahrung. Die Entwicklung jedes Kindes stehe im Mittelpunkt der schulischen Aufmerksamkeit. „Wir wollen ihnen eine Herzensbildung mit auf den Weg geben, die sie als Multiplikatoren weitergeben können“, sagt Gier. „Damit unsere Gesellschaft menschlich bleibt.“
Als Vater von vier Kindern im Alter von 20 bis 5 Jahren kennt er gleich mehrere Perspektiven. Im Familienalltag lernt er jeden Tag: „Kinder brauchen Verlässlichkeit. Das gilt für die Großen genauso wie für die Kleinen.“ Dass seine Kinder in sehr verschiedenen Entwicklungsstufen sind, helfe ihm als Lehrer sehr, die Perspektive zu wechseln und sowohl die der Kinder als auch die der Eltern einzunehmen.
Der Umgang mit letzteren habe sich in der Schule in den vergangenen 20 Jahren verändert. Der Anspruch an Schule sei höher geworden, sagt Gier. Grundsätzlich habe er die Erfahrung gemacht, dass Eltern für ihr Kind das Beste wollen. „Eltern wollen heute mehr mitgenommen werden als früher“, sagt er. „Man muss für vieles mehr werben. Sie fragen kritischer nach.“ Offene Kommunikation helfe da in den meisten Fällen. Gerade bei größeren Projekten wie der Digitalisierung von Schulen oder den Herausforderungen der Pandemie könne man gut gemeinsam mit den Eltern viel bewegen.
Als Leiter der Abteilung Schule und Erziehung ist er vom laufenden Schulbetrieb abgerückt. Nun hat er die Entwicklung der Schulen als Ganzes im Blick: Es geht um Personalentwicklung und um Fragen rund um den Religionsunterricht. Er arbeitet mit seinem Team daran, wie der Weg der Schulen in der Zukunft aussehen wird. Als Vater schulpflichtiger Kinder steckt er weiter mitten drin im Schulbetrieb. Beruflich wie privat ist das Thema Schule also präsent. Wie kann er da abschalten?
„Ich muss die Berge hochrennen, um wieder runterzukommen“, sagt der 49-Jährige. Im Sport findet der leidenschaftliche Kite-Surfer seinen Ausgleich. Und in der Familie. „Die Familie trägt mich“, sagt er. Wenn seine eigenen Kinder am Abend vor der Klassenarbeit vor ihm stehen, weil sie für die Schule am nächsten Tag etwas dringend benötigen, dann ist er nicht Lehrer, sondern nur Vater mit denselben Herausforderungen, wie sie auch andere Väter haben. „Das erdet mich“, sagt er lachend.