Mit einem Herz für Kinder

Die Domsingschule widmet Aachens neuer Seligen ein Musical: „Claras Traum“

Noch sind alle Beteiligten in der Probenphase, doch so in etwa wird das Schlussbild von „Claras Traum“ aussehen. (c) Andrea Thomas
Noch sind alle Beteiligten in der Probenphase, doch so in etwa wird das Schlussbild von „Claras Traum“ aussehen.
Datum:
15. Mai 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2018 | Andrea Thomas
„Man müsste was tun – gerade als Christ!“ Mit so großer Inbrunst singen die Kinder diesen Satz, dass sich beim Zuhören die Frage aufdrängt: Und was tue ich, um die Welt ein bisschen besser zu machen?

Das Musical über das Leben der seligen Clara Fey, das die Kinder der Domsingschule derzeit einstudieren, verspricht unterhaltsam zu werden, manchmal berührend, immer wieder lustig, in jedem Fall informativ, aber eben auch nachdenklich machend. Vor nicht ganz einem Jahr ist das Musical-Projekt ins Rollen gekommen. Schwester Magda Veronika von den Schwestern vom armen Kinde Jesus in Aachen arbeitet ehrenamtlich an der Domsingschule mit. Weil ihr ein Rap, den Schulleiterin Irma Wüller und ihr Mann für eine andere Gelegenheit geschrieben hatten, so gut gefallen hatte, fragte sie an, ob so etwas nicht zu Ehren der Seligsprechung ihrer Ordensgründerin möglich wäre. Ihre Idee war ein Rap der armen Kinder, die Clara Fey und ihre Freundinnen aus den Fabriken geholt und ihnen eine Schulausbildung ermöglicht hatten. Bekommen haben Sr. Magda Veronika und ihre Ordensgemeinschaft sowie alle, die sich von der neuen Seligen berührt und angesprochen fühlen, ein ganzes Musical: „Claras Traum“, Text Irma und Martin Wüller, Musik Angelo Scholly. Denn, wie Martin Wüller lächelnd sagt, „wenn, dann auch richtig“.

Das war vor den Sommerferien 2017. Mit Angelo Scholly, Kirchenmusiker in ihrer Heimatgemeinde St. Martinus Richterich, hatten Wüllers 2016 bereits erfolgreich ein Musical über die Lebensgeschichte des heiligen Martin geschrieben und aufgeführt. Scholly war auch sofort bereit, wieder den musikalischen Part zu übernehmen. Für Ehepaar Wüller hieß das, seine Urlaubsplanung ein wenig anzupassen und unterwegs das Libretto zu entwickeln. Je tiefer die beiden dazu in die Lebensgeschichte Clara Feys eintauchten, desto faszinierter waren sie von ihr als Persönlichkeit, aber auch von dem Umfeld, in dem sie aufgewachsen ist. „Das war ja die gleiche Zeit, in der auch Franziska Schervier und Pauline von Mallinckrodt in Aachen aufgewachsen sind. Alle drei hatten außerdem die gleiche Lehrerin, die sie geprägt hat: Luise Hensel. Heinrich Hahn war der Hausarzt der Familie Fey. Wenn man sieht, was daraus entstanden ist und bis heute nachwirkt…“, fasst es Martin Wüller zusammen. Insbesondere Luise Hensel, Lehrerin, Dichterin und sozial hoch engagiert, die „aus ihrem Glauben heraus Mädchen und Frauen bewegt hat, sich einzubringen“, würdigen die beiden Autoren daher auch in ihrem Musical besonders. Von ihr haben sie sich sogar einen Text „geliehen“, einen ihrer bekanntesten: „Müde bin ich, geh zur Ruh“. Und auch ein weiteres Gedicht/Kinderlied aus dieser Zeit von Clemens Brentano und Achim von Arnim, zu denen Luise Hensel Verbindungen hatte, haben sie aufgegriffen.

Neben ihrer Lehrerin binden sie auch die anderen beiden Aachener Ordensgründerinnen ein. Ob sie tatsächlich in eine Klasse gegangen seien, sei nicht bekannt, doch „wir deuten das ein bisschen an, wenn im Stück von Franziska und Pauline die Rede ist“, sagt Martin Wüller. Es sei eine Menge geschehen in dieser Zeit rund um das Aachener Münster, in dessen Schatten auch die Domsingschüler von heute lernen. „Es ist spannend, mit den Kindern über diese Zeit und Claras Biografie zu sprechen“, sagt Schulleiterin Irma Wüller. „Spannend, weil das alles hier passiert ist. Wenn sie etwas über Kinderarmut damals lernen und darüber, dass es die zwar nicht mehr bei uns, aber anderswo in der Welt immer noch gibt, dann motiviert sie das, selbst etwas zu tun. Sie sehen, dass sie auch als Kinder etwas bewegen können.“ Ihre Hoffnung ist, dass die kleinen Sängerinnen und Sänger und auch das Publikum über das Theaterprojekt hinaus etwas über Aachens neue Selige und für sich selbst mitnehmen können. Nachdem der Text soweit fertig war – und mit den Schwestern vom armen Kinde Jesus abgestimmt, was den drei Verantwortlichen wichtig war –, hieß es für Komponist Angelo Scholly, die richtigen Melodien und Töne zu finden. Eine reizvolle Aufgabe, wie er sagt.

Schon die Arbeit am gemeinsamen Martinus-Musical hat viel Spaß gemacht, hier kommt nun dazu, dass die beteiligten Kinder alle eine gute Portion Musikalität und Musikwissen mitbringen. Da seien andere Dinge möglich. „Der Druck hilft“, erklärt er lächelnd dazu, dass es doch recht schnell gehen musste mit dem Komponieren. Von Vorteil sei auch, wenn die Texte schon da seien. Sie bestimmen den Rhythmus im Kopf und daraus ergeben sich dann „im Idealfall singbare Melodien und vielleicht sogar ein Ohrwurm“. Wer ihr Martinus-Musical kenne, werde beim Zuhören auch sofort wieder drin sein, denn „das letzte Lied da ist das erste Lied im neuen Stück“. Das verbindende Element: die Barmherzigkeit, die beide, der heilige Martin und die selige Clara, vorgelebt haben, und ein Traum, in dem Gott sie auf diesen Weg geführt hat. Doch bis Musik und Gesang live bei den Aufführungen (die Premiere ist am 8. Juni) erklingen, sitzt Angelo Scholly noch jeden Freitag am Klavier in der Schulaula, während Ehepaar Wüller mit den kleinen Darstellern am Stück arbeitet.

Über 80 Kinder von Klasse eins bis vier sind in zwei Gruppen und mit riesigem Spaß dabei. Mag auch noch nicht alles perfekt klappen, die Begeisterung ist bereits spürbar, wenn sie als Fabrikkinder mit nackten Füßen und als Töchter und Mitglieder der feineren Aachener Gesellschaft in Kleidern mit weißen Schürzen oder im Anzug die Bühne betreten. „Claras Traum“ beginnt im Heute, wenn in einer Rahmenhandlung Schwester Magda Veronika zwei Schülern von Clara Fey erzählt. Gemeinsam drehen sie am „Rad der Zeit“, einem überdimensionalen Webstuhl, auf den die wechselnden Bühnenbilder gespannt sind. Das Publikum findet sich unter anderem wieder im Klassenzimmer Luise Hensels, einer Aachener Fabrik, bei einer Arbeiterfamilie, in Aachens Straßen, dem Salon der Familie Fey und im „Schülchen“, das Clara und ihre späteren Mitschwestern gründen. Neben eingängigen Melodien erwarten die Zuschauer auch einige besondere Details. So versuchen sich die Kinder unter anderem an Öcher Platt, wie es vor 200 Jahren in den armen Familien gesprochen wurde. Und auch die Schwesterntrachten gegen Ende des Stücks sind etwas Besonderes: „Die haben uns die Schwestern nach dem Original in Kindergröße nachgeschneidert“, erzählt Martin Wüller. Überflüssig zu sagen, dass Sr. Magda Veronika und Sr. Petra, die hinter der Bühne beim Ankleiden der kleinen Schwestern hilft, bereits jetzt Fans von „Claras Traum“ sind, einer liebevollen und fröhlichen Verbeugung vor ihrer Ordensgründerin und einer großen Aachenerin.