Mit der Natur verbunden

Aufbrechen und Schöpfung bewahren als Aufgabe und Angebot der Nationalparkseelsorge

Den Blick für die kleinen Dinge der Natur zu schärfen, ist ein Anliegen der Wanderung. (c) Simon Hesselmann
Den Blick für die kleinen Dinge der Natur zu schärfen, ist ein Anliegen der Wanderung.
Datum:
9. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2022 | Arne Schenk

Ein Ort der Besinnung, abgeschieden vom Trubel und Lärm der Alltagswelt – das ist der Nationalpark Eifel. Er bietet eine besondere Möglichkeit des Rückzugs, der inneren Einkehr und sogar der Gottesbegegnung.

„Die vielfältige und beeindruckende Natur des Nationalparks lädt uns ein, die Schöpfung hautnah zu erleben und sich als Teil von ihr unmittelbar mit der Natur verbunden zu fühlen.“ So hat es ein Teilnehmer der mehrtägigen spirituellen Wanderungen beschrieben, die von der Nationalparkseelsorge angeboten werden.Dabei verstehen die Mitarbeitenden vor Ort den Nationalpark vor allen Dingen als Lern- und Erfahrungsort. „Diese beiden Komponenten sind uns wichtig, also das Lernen und das Erfahren, wobei das Erfahren vor dem Lernen kommt“, erklärt Pastoralreferent Georg Toporowsky, der die Leitung der Nationalparkseelsorge inne hat. „Und zwar sehen wir es als unser Ziel, als unsere Mission an, im Nationalpark Menschen zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu inspirieren, zu motivieren und anzuleiten. Das ist das, was immer oben drübersteht.“

Im Nationalpark spiele die Komponente „wertschätzender Umgang mit der Natur“ eben die entscheidende Rolle. Den Auftrag, diesen wertschätzenden Umgang zu vermitteln, fundiert bei der Nationalparkseelsorge als kirchlicher Einrichtung auf einer christlichen Schöpfungstheologie. Die Natur wird als Gottes Schöpfung und Gottes Darstellung in jedem Lebewesen betrachtet. „Unser Ansatz dabei, das so zu vermitteln, ist ein ziemlich breiter und weiter“, erzählt Georg Toporowsky. „Das macht die Sache so spannend, lässt sich aber auch nicht immer so leicht auf den Punkt bringen.“

Denn natürlich ist das Konzept wissenschaftlich fundiert und basiert auf biologiedidaktischen und umweltpsychologischen, ethischen, philosophischen sowie spirituellen, religiösen und auch christlichen Ansätzen. Doch bei allem theoretischen Unterbau geht es speziell um eine persönliche Haltung, und diese lässt sich nur intrinsisch vermitteln, also von innen heraus und aus eigenem Antrieb, weiß Toporowsky. „Wir versuchen, eine ganzheitliche Erfahrung zu ermöglichen mit allen Sinnen, mit ganz vielen Facetten, an die auch Menschen mit ganz unterschiedlichen Zugängen anknüpfen können.“ So finden eigentlich alle Teilnehmenden etwas für sich, wo sie sagen können: „Damit kann ich etwas anfangen, das motiviert mich. Daher will ich mein Handeln ändern.“

Es geht in den Programmen nicht darum, in erster Linie „kognitives Wissen“ im Sinne von „Ich kann die Klimaphänomene aufzeigen“ zu vermitteln. Ein Wissen um diese Phänomene allein führt noch nicht zu einer inneren Motivation und daraus abgeleitet dann zu einem tragfähigen, beständigen nachhaltigen Handeln. Nachhaltigkeit und Wirksamkeit laufe nicht allein über das Kopfgeschehen, also die rein kognitive Dimension ab. Denn diese könne nicht gewährleisten, darüber hinaus tätig zu werden.

„Wir machen unsere Veranstaltungen immer draußen in der Natur.“ Schließlich ist die Biologiedidaktik davon überzeugt, dass Menschen eine positive innere Motivation für den Naturschutz gewinnen, wenn sie eine Beziehung zu Natur und Naturerfahrungen haben. Die Umweltpsychologie wiederum empfiehlt, psychische Ressourcen im Menschen zu stärken. Um einen nachhaltigen Lebensstil betreiben zu können, seien für Menschen zum Beispiel Genussfähigkeit oder Achtsamkeit ganz wichtig, aber auch das Gefühl, selbst wirksam sein zu können. „Wenn ich nicht davon überzeugt bin, selber etwas ausrichten zu können, dann bemühe ich mich erst gar nicht um einen nachhaltigen Lebensstil“, erklärt der Pastoralreferent. „Im Sinne von: Was kann ich allein schon ausrichten?“

Ein Ziel ist es, sogenannte „psychische  Ressourcen“ in den Menschen zu stärken

Unterwegs sein –  zu sich selbst und zu Gott. (c) Andreas Schneider
Unterwegs sein – zu sich selbst und zu Gott.

Eine weitere Ressource ist die Selbstannahme: „Wenn ich mich selbst nicht annehmen kann, mich nicht wertschätze, dann versuche ich oft, fehlendes Selbstwertgefühl durch Konsum, durch Statussymbole zu kompensieren.“ Menschen, die sich selbst wertschätzen oder annehmen können, so wie sie sind, brauchen keinen übermäßigen Konsum, um diese Leerstelle zu füllen. Aber auch Solidarität oder Genussfähigkeit gehören dazu: Dinge wie die Stille im Wald, die gute Luft oder einfach ein Stück Brot zu genießen. Auch der Eigenwert der Natur als Gottes Schöpfung, die Heiligkeit des Lebens und der Einsatz für Menschen, die unter dieser fehlenden Nachhaltigkeit leiden, sind wichtige Punkte. Genauso wie ein Hoffnungsaspekt: „Angesichts der globalen Herausforderungen ist es wichtig, eschatologisch auch eine Hoffnungsdimension zu haben. Also im Sinne von: Wir kriegen das schon hin! Auch wenn die Herausforderung riesig ist.“

Es gehe also immer um die „Erfahrung von Natur als heilsam, als für mich guttuend und in Verbundenheit: Also wir sind ein Teil der Natur, die Natur ist ein Teil von uns.“ Denn dann erst greift die Idee der intrinsischen Motivation. Der Einsatz für den Naturschutz erfolgt nicht, weil man es muss oder weil es dem Menschen nützt, sondern weil die Menschen die Erfahrung gemacht haben: „Natur ist so was Schönes. Das tut mir so gut, es ist für mich so heilsam, und die Tage im Wald waren so toll“, dass es aus den Teilnehmenden automatisch heraussprudele: „Das will ich doch jetzt erhalten! Sonst schneide ich mir doch ins eigene Fleisch. Im wahrsten Sinne des Wortes.“

Und so übernimmt der Nationalpark selbst, also die Natur in all ihren verschiedenen Facetten und Ausdrucksformen, gleich beide Funktionen: Klassenraum und Lehrer. Er zeigt eindrucksvoll die Natur als Schöpfung, die es zu erhalten gilt, und vermittelt gleichzeitig, warum diese Haltung sinnvoll ist.

Das Angebot der Nationalparkseelsorge ist dem jeweiligen Alter der Teilnehmenden angepasst. Je jünger diese sind, desto „niederschwelliger“ oder „erfahrungsbasierter“ sollte so eine Veranstaltung sein, unterstreicht Toporowsky. „Mit Jugendlichen geht es vor allem darum, in den Wald zu gehen und Erfahrungen mit diesem Naturraum zu machen, die anschließend reflektiert werden können.“ Bei Veranstaltungen mit Erwachsenen 
wie den dreitägigen Aufbrechen-Touren gehe es zwar auch um Naturerfahrung, „aber man kann da doch noch mehr reflektieren oder abstrakter denken und diskutieren“. So seien gerade auch die fünftägigen Wildnis-Exerzitien besonders intensive Natur-Erfahrungen. 
Bei den Teilnehmenden ließe es sich ablesen, wie sie sich in den Tagen in der Natur verändern. „Das ist wirklich großartig zu sehen, wie viel offener, wie viel zugänglicher, wie viel sensibler, empfänglicher die Teilnehmenden für Impulse aus der Natur, für das gemeinsame Miteinander, auch für ihre eigenen Themen werden, und wie sehr auch diese Gemeinschaft stärkt.“ Dies sei auch für Georg Toporowsky einer der prägenden Punkte der Aufbrechen-Touren. „Das sind tolle Gemeinschaftserfahrungen. Da lebe ich dann auch draus.“

Aufbrechen und Schöpfung bewahren (27. bis 29. April sowie 13. bis 15. Juni); 
weitere Informationen und Termine unter www.nationalparkseelsorge.de sowie über 
Tel. 02 4 44/57 59 9 87 oder E-Mail: info@nationalparkseelsorge.de