Mit der Faust ins Gesicht

Das zerstörte Marienbild von St. Barbara in Mönchengladbach wird derzeit wieder restauriert

Mit der Faust hat jemand in das Bild geschlagen. Das sieht man an den Rissen. (c) Garnet Manecke
Mit der Faust hat jemand in das Bild geschlagen. Das sieht man an den Rissen.
Datum:
10. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2021 | Garnet Manecke

Zwei Wochen ist es her, dass in der Kiche St. Barbara ein Marienbild mutwillig zerstört wurde. Die Schäden zeigen das Ergebnis von brutaler Gewalt. Mit der Faust hat der Täter direkt in das Gesicht Mariens geschlagen. Nun machen sich Restaurator Detlef Vischer und seine Tochter Vanessa daran, das Bild wieder instand zu setzen.

Die Risse ziehen sich quer über die Nase Mariens, über die Stirn des Kindes in ihrem Arm und über die Schultern. Die kleinen Fransen der gerissenen Leinwand wirken wie Narben. Narben, die bald nicht mehr zu sehen sein werden. Der Mönchengladbacher Restaurator Detlef Vischer und seine Tochter Vanessa werden in den kommenden Wochen daran arbeiten, dass die Schäden wieder repariert werden. Aber, das sagt er gleich, es wird mindestens Dezember, bis das Bild wieder an seinem alten Platz in St. Barbara hängen wird. Vielleicht sogar später. Da kann er nichts versprechen.

Zwischen zwei großen Holzplatten liegt das Bild, geschützt mit Papier. „Ich musste es glätten“, sagt Detlef Vischer. „Weil wir beim Ausrahmen festgestellt haben, dass es schon mal auf einer zweiten Leinwand war.“ An den Seiten des Bildes sind die beiden Leinwände deutlich zu sehen: die, auf die das Bild gemalt worden ist, und die, auf die diese bemalte Leinwand nochmals aufgebracht wurde. Lösen will Vischer die beiden Leinwände nicht voneinander. „Das könnte das Bild weiter beschädigen“, sagt der Fachmann. Der Schaden ist sowieso schon groß.

Drei Wochen ist es her, dass die Küsterin Nasrin Mobara die Schäden entdeckt hat. Passantinnen hatten sie darauf aufmerksam gemacht, dass jemand in der Marienkapelle der Klosterkirche gewütet hatte. Das Bild, das sich ihr bot, war verstörend: Das Marienbild hing schief an der Wand, mehrere Risse durchzogen es. Die Opferkerzen von den gusseisernen Ständern waren auf dem Boden verteilt, die Wachsauffangbehälter abgerissen und einige der Streben mit den Kerzenhaltern verbogen. „Da ist jemand mit brachialer Gewalt vorgegangen“, sagt Pater Wolfgang Thome. Der Franziskaner lebt mit einem Mitbruder im alten Franziskanerkloster am Bunten Garten. In den früheren Klosterräumen ist auch ein Verlag sowie die Gemeinschaft Sant’Egidio mit ihrer Regenbogenschule und dem Franziskustisch untergebracht.

Für Detlef Vischer bedeutet die Reparatur sehr genaues Arbeiten, damit im Anschluss nichts mehr von den Schäden zu sehen ist. Das Bild wird mit Wachs auf eine weitere Leinwand geklebt. Dafür wird der Rücken des Bildes und die neue Leinwand jeweils mit Heißwachs bestrichen, damit sich der Riss glatt auflegt. Weil der Wachs schnell trocknet, wird die neue Leinwand auf den Bildrücken aufgebügelt. Das Heißwachs verbindet dabei die Fasern des Risses. „Wir bringen die Fasern so weit runter, dass es wie eine Einheit wird“, sagt Vischer. Ein bisschen Wachs tritt bei dem Vorgang immer aus dem Riss heraus. Das lässt sich nicht vermeiden. „Diese Reste werden entfernt, wenn wir das Bild säubern“, sagt Vischer.

Das Säubern erfordert viel Konzentration: Hört man mittendrin auf, gibt es Ansätze

Mit einem Wattestäbchen reinigt Detlef  Vischer das Bild Zentimeter für Zentimeter. (c) Garnet Manecke
Mit einem Wattestäbchen reinigt Detlef Vischer das Bild Zentimeter für Zentimeter.

Das Säubern ist heikel und erfordert daher viel Konzentration. „Man kann nicht mitten drin aufhören“, sagt Vischer. „Sonst habe ich anschließend Ansätze.“ Zentimeter für Zentimeter wird das Ölbild mit einem Wattestäbchen gereinigt. Rund 15 bis 20 Stunden rechnet Vischer allein dafür. Aber dieser Schritt ist eine wichtige Grundlage. Nicht nur, um Wachsreste zu entfernen, sondern auch, um die Originalfarbtöne zu erhalten. Die werden danach gemischt und aufgetragen, so dass man nachher von der Beschädigung nichts mehr sieht.

Schon einmal sei in dem Bild ein Schaden repariert worden, ist Detlef Vischer aufgefallen. Über der rechten Augenbraue Marias gebe es eine Ausbesserung. Im 
19. Jahrhundert war das Bild gemalt worden. Allerdings sei der Wert eher im Ideellen zu sehen, sagt Vischer. „Auf dem Kunstmarkt ist die Nachfrage nach solchen Bildern gering.“ Dabei sei es von guter Qualität. „Das war ein Künstler, der mit Sicherheit durch die Akademie gegangen ist“, schätzt er. „Sonst hätte er die Gesichter nicht so hinbekommen.“ Schon während des Krieges hat das Bild in der Marienkapelle gehangen und Menschen Trost gespendet. „Die Bombennacht von 1943 hat es unbeschadet überstanden“, sagt Pater Wolfgang. Der Franziskaner ringt um Fassung. Schon einmal, vor drei Jahren, sah er sich den Folgen von Vandalismus gegenüber. Damals leerten Kinder einen Feuerlöscher in der Kirche. Der Schaden: 9000 Euro, die das Kloster über Spenden aufbrachte.

Versicherungen zahlen nicht, weil die Kirche damals wie heute offen war. Das gehöre zum Selbstverständnis der Brüder, sagt Pater Wolfgang. „Ich kann eine Kirche doch nicht abschließen. Die Vorstellung finde ich schrecklich.“ Menschen kämen hierhin, um Trost und Ruhe zu finden. Großeltern kämen häufig mit ihren Enkeln vom Spielplatz gegenüber in die Kirche, um eine Kerze anzuzünden. „Eine Kirche muss offen sein für die Menschen“, ist Pater Wolfgangs Grundüberzeugung. Auch Videokameras lehnt er in seiner Kirche ab. „Das Gebet und die Beziehung zu Gott ist etwas sehr Persönliches, fast Intimes. Da kann man nicht filmen“, sagt Pater Wolfgang.

Per Analyse und durch Erfahrung findet Restaurator Vischer heraus, wie die Farben zusammengesetzt sind. „Wir wissen, wann das Bild entstand und welche Farben und Techniken in dieser Zeit genutzt wurden“, sagt er. Wer jemals versuchte, für Ausbesserungen an Wänden oder Bildern den richtigen Farbton zu treffen, weiß, wie schwierig das ist. Die Restauratoren haben dafür einen Trick. „Wir tragen die Farbe auf Glasscheiben auf und halten sie an das Bild“, sagt Vischer. „So sehen wir, ob es passt.“ Aber hin und wieder trifft er eben doch nicht auf Anhieb den richtigen Ton. Dann wird die Farbe wieder abgetragen. Rund 100 Stunden wird er am Ende an dem Bild gearbeitet haben.