Krieg in Europa, was derzeit in der Ukraine geschieht und insbesondere das unermeßliche Leid der Menschen dort, lässt die Menschen in den Aachener Regionen nicht kalt. Solidarität und der Wunsch zu helfen sind groß, ebenso wie Sorgen und Befürchtungen – auch bei Pax Christi in Aachen.
Überrascht hat Lambert Esser, ehrenamtlicher Vorsitzender von Pax Christi Aachen, allenfalls der konkrete Zeitpunkt, nicht, dass Wladimir Putin die Ukraine angegriffen hat. Das habe sich abgezeichnet: Maidan-Proteste, Annexion der Krim, die Situation in Belarus. „Putin will die alte Sowjetunion wiederbeleben. Die Ausweitung der Demokratie sieht er als größte Gefahr.“ Der Krieg nun sei „die nächste Runde“. Womit der russische Präsident wohl nicht gerechnet habe, meint Lambert Esser, sei der Widerstand der Menschen in der Ukraine. „Ihre Hauptwaffe ist, sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie kämpfen für Demokratie und Freiheit.“ Im Gegensatz zu vielen der jungen russischen Soldaten, die sich plötzlich in einem Krieg gegen ein Land wiedergefunden haben, mit dessen Menschen sie eine Menge gemeinsam haben.
Alle Kriege brächten Leid, Tod und Trauer und würden immer zu Lasten der Zivilbevölkerung ausgetragen, die die Hauptleidtragenden seien, sagt Lambert Esser. Ein Grund, warum sich Pax Christi als katholische Friedensbewegung auf den unterschiedlichsten Ebenen für Frieden einsetzt. Sei es über junge Menschen, die über Pax Christi Aachen einen Friedensdienst in Polen, auf dem westlichen Balkan, in Ecuador oder Israel/Palästina absolvieren, oder über Friedensbildung, wie den Aachener Friedenslauf. Eine Welt ohne Waffen, insbesondere Atomwaffen, ohne Rüstung und ohne Krieg, das sei immer schon Ziel ihrer Bewegung gewesen und ziehe sich seit den 80ern als Linie durch ihre Arbeit.
Erst kürzlich hat Pax Christi Aachen dies als Mitglied des Bündnisses „Keine Atomwaffen rund um Aachen“ mit dem „Aachener Appell“ zum Ausdruck gebracht. Er verweist darauf, dass im Umkreis von 100 Kilometern um Aachen drei der sechs Atomwaffenstützpunkte der USA in Europa liegen und fordert von der Bundesregierung die Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags der UN, ein Verbot von Atomwaffen sowie die Verschrottung von Massenvernichtungswaffen.
In der jetzigen Situation erscheint dies unerfüllbar. „Wenn Kriege toben, ist das schwer“, räumt Lambert Esser ein. Aber das zeige auch wie wichtig es ist, daran festzuhalten. Waffen und Rüstung seien nicht notwendig, um in der Welt in Frieden und Freiheit zu leben. Es brauche dringend einen gemeinsamen Konsens der UN, Waffen zu reduzieren und stattdessen auf den Klimaschutz zu setzen und darin zu investieren. Der Klimawandel sollte eigentlich das sein, was die Welt an einem Strang ziehen lässt. So aber werde es auch durch die Folgen des Klimawandels zu Flucht und Vertreibung kommen, was weitere Konflikte und Kriege zur Folge haben werde, so seine Einschätzung.
Was also tun, wenn der Wunsch nach Frieden groß ist, aber Krieg das Tagesgeschehen bestimmt. „Ich habe die Hoffnung und den Wunsch, dass es möglichst bald zu einem Waffenstillstand kommt, weil beide Seiten hohe Verluste an Menschen und Ressourcen haben“, sagt Lambert Esser. Ohne, dass es zu immer weiteren Eskalationen kommt. Was ihm Sorgen bereitet – auch über ein Ende des aktuellen Krieges hinaus – ist, dass Menschen aus Russland oder mit russischen Wurzeln in Schulen und in der Bevölkerung zunehmend unter Druck geraten. Pauschale Verurteilungen und Verallgemeinerungen würden zu neuen Konflikten und Unfrieden führen, Völkerverständigung erschweren. Da gegenzusteuern, sieht er auch als eine Aufgabe ihrer Arbeit bei Pax Christi in der kommenden Zeit.
Das andere ist, aktiv etwas zu tun, um das Leid derer, die gerade auf der Flucht sind, ein wenig zu lindern. Auch an Pax Christi wenden sich vermehrt Menschen, weil sie das Gespräch und Ideen suchen, wo und wie sie helfen können. In und um Aachen entsteht da aktuell viel, von Aktionen gegen den Krieg, der Sammlung von Hilfsgütern und der Vorbereitung auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. Pax Christi in Aachen selbst hat einen engen und guten Kontakt zum Caritasverband in Stettin, wohin sie vor Corona auch regelmäßig Freiwillige entsandt haben. Mit den Verantwortlichen dort wollten sie überlegen, wie eine Unterstützung vor Ort aussehen kann, denn „viele Ukrainer wollen in Polen bleiben, weil sie sich dort verständigen können und weil sie sobald wie möglich zurück in ihre Heimat möchten.“
Und nicht zuletzt hat Pax Christi als katholische Organisation auch einen spirituellen Teil. Bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn haben sie gemeinsam mit dem Aachener Friedenspreis zur Übertragung des Friedensgebetes mit Pax Christi-Bischof Peter Kohlgraf in die Citykirche eingeladen. An diesem Sonntag (20. März) lädt Pax Christi nun um 17 Uhr zum Friedensgebet in die Nikolauskapelle des Aachener Doms, wo derzeit das Aachener Friedenskreuz steht. Das Gebet ist eines von vier Friedensgebeten in der Fastenzeit im Dom.
Auch in vielen Gemeinden der Aachener Regionen gibt es dieser Tage Friedensgebete, als einmalige Angebote oder regelmäßig. Sie bieten die Möglichkeit, das Mitgefühl für die Menschen, die noch in der Ukraine ausharren oder auf der Flucht sind, vor Gott zu tragen, aber auch die eigenen Ängste und Gefühle von Hilfslosigkeit und Trauer. In den Gottesdiensten ist „Friede“ ebenfalls ein zentrales Thema. Schon die Kleinsten greifen das auf, so wie die Kinder der Kita St. Castor in Alsdorf, die für den Sonntagsgottesdienst einen Baum mit Friedenstauben geschmückt haben. Jede Taube hatte eine eigene Flagge für die Länder, aus denen die Kinder und ihre Familien kommen. „Auch wenn dies nur kleine Zeichen sind, so glauben wir, dass gerade das Gebet um Frieden die Kraft ist, die uns mit allen Menschen guten Willens weltweit verbindet“, formuliert es Pfarrer Rainer Gattys aus St. Sebastian Würselen in einer Stellungnahme. Hier wird seit einigen Jahren in der Fasten- und Osterzeit die Pfarrkirche farbig angestrahlt. In diesem Jahr als Zeichen der Solidarität in den Farben der ukrainischen Flagge, blau und gelb. Geplant ist außerdem, die ukrainische Flagge zusammen mit Friedensfahnen an allen Kirchen zu hissen.
Die überall große Anteilnahme und Hilfsbereitschaft zeigt sich auch in Spendenaufrufen und Aktionen. Die Pfarrei St. Jakob in Aachen hat zum Beispiel ein Benefizkonzert zu Gunsten der Ukrainehilfe von Caritas international mit dem aus der Ukraine stammenden Pianisten Kyrill Korsunenko veranstaltet. Die Pfarrei Christus unser Friede in Herzogenrath-Kohlscheid organisiert einen Transport mit Hilfsgütern für die westukrai- nische Stadt Lwiw, an dem sich auch die Pfarrei St. Willibrord aus Herzogenrath-Merkstein beteiligt. Die katholische Hochschulgemeinde sammelt ebenfalls dringend benötigte Sachspenden, von Hygie- neartikeln über Medizinprodukte bis zur Campingausrüstung für deutsche Partnerstädte in der Ukraine. Fast noch wichtiger sind Geldspenden, mit denen Hilfe vor Ort finanziert werden kann. Infos dazu gibt es unter anderem auf der Seite des Bistums: www.bistum-aachen.de