Wenn vom „Hotel Dubai“ die Rede ist, haben die meisten Menschen eine Luxusherberge im gleichnamigen arabischen Emirat vor Augen. In Mönchengladbach nennen die Obdachlosen ihren Schlafplatz unter einer Brücke „Hotel Dubai“. Mit seiner Kunst versucht Ahmed M’harrak, diesem Ort etwas Würde zu geben. Er gestaltet die Mauern der Unterführung mit Geschichten in Bildern.
Der Wind trägt den Geruch von Urin unter die Brücke. Auf den Mauervorsprüngen liegen Matratzen, darauf Schlafsäcke. Hier und da liegt ein Mensch und schläft. Um ihn herum ist es laut: Menschen unterhalten sich, Autos fahren direkt an den „Betten“ vorbei. Das Licht der Leuchtröhren ist grell. Dies ist ein Ort, an dem man nicht sein möchte.
Für einige Obdachlose in Mönchengladbach ist es eine Art Zuhause. Zumindest ist dieser Platz eine Zuflucht, an der sie vor Regen und Wind geschützt sind. Die Wände sind graubraun, so wie die Wände einer Eisenbahnunterführung nun mal sind. Diese Tristesse will Ahmed M’harrak aufbrechen. Er malt großflächige Bilder, die Geschichten erzählen, an die Brückenpfeiler.
„Divine Diversity Design“ nennt er sein erstes Bild, das die göttliche Vielfalt des Lebens darstellt. Er hat sein eigenes Leben darin verarbeitet. Ein Grabstein, auf dem der Name „Natascha“ steht, symbolisiert den Tod seiner Frau. Daneben ein Symbol für den Tod seiner Tochter. Im Hintergrund bricht ein Vulkan aus, der in einer Baumkrone mündet. „Aus dem Vulkan wird der Baum der Erkenntnis“, sagt M’harrak. „Ein Vulkanausbruch bedeutet nicht nur Zerstörung, sondern auch neue Erde, aus der wieder etwas wächst“, ergänzt er.
Durch das Bild zieht sich ein Fluss, an dem Wesen leben, die halb Dinosaurier, halb Schlange sind. „Die Dinosaurier sind untergegangen und zu Schlangen geworden“, sagt M’harrak. Daneben liegt eine Sphinx, über deren Kopf eine Krone schwebt. Das Symbol für das Göttliche.
Ausgerechnet an diesem Ort Kunst zu schaffen, ist für M’harrak vollkommen logisch. Seitdem ihn das Leben aus der Bahn geschleudert hat, übernachtet er selbst manchmal unter der Brücke. Früher hat er sich als Streetworker des SKM Rheydt um die Menschen gekümmert. „Man muss das Leben durch die Kunst lieben“, sagt der 54-Jährige. Etwas Schönheit gibt Hoffnung. Deshalb hat er auch eine Ecke unter der Brücke liebevoll mit einem Bild, das ein tränendes Auge zeigt, und einer Pflanze dekoriert.
Auch vor dem Zugang zur Brücke arbeitet er an einem großformatigen Bild: einer Klaviertastatur, über der sich gerade ein Vorhang öffnet. Ein Dreieck legt sich über die Tastatur: Damit hat er die Form eines Steins, der vor der Plakatwand liegt, aufgenommen. Die dunklen Striche hat er mit Kohle aufgezeichnet, die von einem Feuer übrig war.
Die Farben für seine Arbeit bekommt er gespendet. Ebenso Pinsel, Leiter und was er sonst noch so braucht. Die Bilder sollen nicht traurig sein, wenn auch das Leben unter der Brücke hart ist. Gerade wurde es zusätzlich erschwert, als Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes und der Stadtreinigung das Lager komplett räumten, statt nur Brandreste zu entfernen. Dabei gingen auch persönliche Sachen einiger Obdachloser verloren. Oberbürgermeister Felix Heinrichs hat sich bei den Betroffenen entschuldigt. Inzwischen wurden Matratzen und Schlafsäcke gespendet, so dass die Lager wieder unter der Brücke sind. Ehrenamtliche Initiativen kümmern sich um die Menschen, bringen ihnen warmes Essen und Getränke. „Es gibt auch Lichtblicke im Leben unter der Brücke“, sagt M’harrak.