Der Mensch steht für Hannah Kämmerling im Mittelpunkt. Die frischgebackene Abiturientin hat sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Namibia entschieden. In der Hauptstadt Windhoek wird sie in einem Internat für Behinderte mit 7- bis 18-Jährigen leben und arbeiten. Kurz vor dem Abflug erzählte sie von ihren Beweggründen und Zielen.
So ganz abreisefertig ist Hannah noch nicht: Nachdem sie vom letzten Vorbereitungsseminar in Wiesbaden zurückgekommen ist, hat sie eine böse Erkältung erwischt. Dafür steht zu Hause in Boslar bei Linnich alles andere schon parat: Der eigens angeschaffte Laptop und das Mobiltelefon für den Kontakt nach Hause, und gegen eventuelles Heimweh das Erinnerungsbuch, in das Freunde und Familie geschrieben haben. Außerdem, da strahlt Hannah, weil es das Wichtigste ist, was sie zum Abitur bekommen hat: eine Handpuppe. Sie, davon ist sie überzeugt, wird ihr bei der Arbeit mit den behinderten Kindern und Jugendlichen eine wertvolle Begleiterin sein.
Als Kind hatte Hannah Kämmerling eine auditive Gedächtnisschwäche. Das heißt: Ob in der Schule oder zu Hause, Gesagtes konnte sie sich einfach nicht merken. „Ich hätte mir gewünscht, dass man mir hätte mehr helfen können.“ Darum möchte sie nun ihrerseits Menschen mit Behinderungen unterstützen.
Das geht am besten im Eins-zu-Eins- Verhältnis als Sonderpädagogin, ist sie überzeugt, weil sie besonders nah am Menschen sein kann. Bei der Lebenshilfe in Heinsberg begleitete sie, wenn möglich, eine Freundin bei Ausflügen und Unternehmungen mit Behinderten, ging mit in die Disco, bowlen, schwimmen oder Ähnliches. Darüber hinaus gibt sie einem lernbehinderten Jungen Nachhilfe. So hat sie schon erste Erfahrungen erworben.
Wie genau sie darauf gekommen ist, sich um ein FSJ zu bewerben, weiß sie gar nicht mehr. „Irgendein Freund“ hat sie auf das Weltwärts-Programm aufmerksam gemacht. Dass es Namibia geworden ist, ist auch eher Fügung: „Es sollte ein englischsprachiges Land sein, und ich wollte unbedingt mit Kindern arbeiten. Mein Ziel ist, Sonderpädagogik zu studieren. Da war es ein glücklicher Zufall, dass es in Windhoek die Förderschule gibt“, erzählt die 19-Jährige.
Natürlich ist sie auch neugierig auf Land und Leute. „Es hat mich schon immer ins Ausland gezogen: Etwas Neues kennenlernen, eine neue Kultur sehen – nach dem Abitur hat man auch die Gelegenheit dazu“, sagt sie. Gut vorbereitet geht sie auf Reisen: „Nachdem ich die Zusage hatte, habe ich meine Mutter in den nächsten Buchladen geschleppt und alles gekauft, was ich bekommen konnte,“ erzählt Hannah lachend. Das waren zehn Führer zu Land und Leuten, ein Bildband und das Buch „Licht und Schatten in Namibia“ von Anna Mandus, die ihre guten und schlechten Erfahrungen schildert.
Aus Kolonialzeiten, erzählt Hannah, sind noch viele Deutsche in Namibia und haben ein Stück Kulturgeschichte erhalten – etwa Karneval und das Oktoberfest. Aus dieser unrühmlichen Vergangenheit stammt gleichzeitig die christliche Verankerung: Rund 87 Prozent der Namibier sind Christen. Damit liegt das Land deutlich über dem afrikanischen Durchschnitt, wie die langjährige Messdienerin von
St. Lambertus Erkelenz weiß. Die Deutschen sind eine der zwölf Ethnien im Land, die durch die Strahlen, die sich um die Sonne gruppieren, auf der Nationalflagge dargestellt sind. Ernst genommen werden diese Stammeszugehörigkeiten: Bis zu fünf Mundarten sprechen die Kinder wenigstens rudimentär, wenn sie zur Schule kommen – nur die Amtssprache Englisch nicht. Das wird sicher eine Herausforderung, ist Hannah überzeugt. Allerdings sprechen viele Afrikaans, das dem Niederländischen verwandt ist. Die Sprache hat Hannah in der Wassenberger Gesamtschule gelernt. „Wenn ich mich traue zu sprechen, wird das schon.“
Dennoch, ist die 19-Jährige realistisch, wird sie vor allem meistern müssen, dass der Arbeitsplatz der Wohnort ist und sie die Einzimmer-Wohnung im Internat mit einer Mit-FSJlerin teilt. „Ein Jahr keine Privatsphäre… Ich glaube, das ist die echte Herausforderung.“
Wer Hannah Kämmerling unterstützen möchte, findet Informationen unter https://www.betterplace.org/de/projects/57909-spende-fur-einen-freiwilligendienst-in-einer-forderschule-in-namibia