Mit Hand, Herz und Kopf

Mit Freiwilligen Sozialen Diensten leisten junge Menschen einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft

Junge Freiwillige machen mit einem Aktionstag aufmerksam, welche Folgen Kürzungen hätten. (c) Andrea Thomas
Junge Freiwillige machen mit einem Aktionstag aufmerksam, welche Folgen Kürzungen hätten.
Datum:
5. Juni 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 23/2024 | Andrea Thomas

Den Schulabschluss in der Tasche, das Leben im Blick, aber noch keine konkrete Vorstellung, welcher Weg für einen der richtige ist. Für viele junge Menschen ist ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Bundesfreiwilligendienst eine Möglichkeit, sich zu orientieren und sich gleichzeitig für andere zu engagieren. Ein gesellschaftlich wichtiger Dienst, der durch geplante Kürzungen gefährdet ist. 

Die Freiwilligen Sozialen Dienste (FSD) im Bistum Aachen hatten daher zu einem Aktionstag im Aachener Elisengarten aufgerufen. Gemeinsam mit Freiwilligen, ihren Anleitern und Vertretern der Einsatzstellen wollten sie über die geplanten Mittelkürzungen für 2025 und ihre Auswirkungen informieren und deutlich machen, was verloren geht, wenn es weniger Plätze für Freiwillige gibt. Das taten sie unter anderem mit einem Tanz-Flashmob, vielen bunten Plakaten und einem „Aktionsmarsch“ vom Elisengarten zum Markt und wieder zurück. 
Der FSD begleitet im Bistum jährlich rund 250 Freiwillige im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Ihnen stehen rund 350 Einsatzstellen offen in Krankenhäusern, Rettungsdiensten, Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege oder für Menschen mit Behinderung, in Kindertagesstätten, Kinder- und Jugendzentren oder Schulen – um nur einige zu nennen. Anders gesagt, statt sich nach Schule und Lernstress eine Auszeit zu nehmen, setzen sich junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren für andere ein.

Ernstes Thema in eine fröhliche Aktion verpackt: Die Freiwilligen beim Flashmob im Elisengarten. (c) Andrea Thomas
Ernstes Thema in eine fröhliche Aktion verpackt: Die Freiwilligen beim Flashmob im Elisengarten.

Finanziert werden diese Einsätze über den Bundeshaushalt in Form von Kontingenten, eines pro Freiwilligem pro Monat. Erhalten die FSD im Bistum Aachen 1200 Kontingente im Jahr, haben sie Plätze für 100 Freiwillige. Beginn eines neuen Freiwilligenjahres ist jeweils der 1. September, 100 Freiwillige beenden dann ihren Dienst, 100 neue fangen ihn an. Verträge werden also immer mit Wirksamkeit ins neue Kalenderjahr hinein abgeschlossen. Was die Planung schwierig mache, wenn unklar sei, wie viele Kontingente im kommenden Jahr zur Verfügung stünden, erklärt Geschäftsführerin Silke Mehre. „Wenn alle Kontingente verplant sind, haben wir keine Plätze mehr und müssen Bewerberinnen und Bewerber abweisen.“

Bereits für 2024 war eine Kürzung der Mittel geplant, die aber zurückgenommen wurde. Da der Haushalt jedoch erst spät verabschiedet wurde, war unklar, wie viele Kontingente zur Verfügung stehen, und sie hätten keine neuen Verträge abschließen dürfen, erklärt Mehre. Für 2025 stehen nun Kürzungen von 7,5 Prozent bei den Freiwilligen Sozialen Diensten und bis zu 25 Prozent bei den Bundesfreiwilligendiensten im Raum. Da ein Großteil der Kontingente bereits durch die im September startenden Freiwilligen gebunden ist, würde das bedeuten, dass 2025 deutlich weniger interessierte junge Menschen auch die Möglichkeit bekämen, ein Freiwilligenjahr zu absolvieren.

Die Plakate machen deutlich, wie vielfältig die Einsatzfelder sind und was verloren gehen würde. (c) Andrea Thomas
Die Plakate machen deutlich, wie vielfältig die Einsatzfelder sind und was verloren gehen würde.

Das wäre ein Verlust auf vielen Ebenen. Silke Mehre und Vorstandsmitglied Mark Brülls gaben zu bedenken, welches Signal es sei, wenn junge Menschen sich engagieren wollten und es dann nicht dürften. Er sei selbst Zivi gewesen und empfinde die Zeit bis heute als sehr wertvoll, erklärte Michael Ziemons, Sozialdezernent der Städteregion Aachen. Selbst wer danach nicht in den sozialen Bereich gehe, nehme viel an Erfahrungen mit, engagiere sich später in gesellschaftlichen Debatten und übernehme Verantwortung.

Ein Verlust wäre es auch für die persönliche Entwicklung: Johanna und Felix (beide 19) leisten gerade ihr FSJ, sie im Kinder- und Jugendzentrum St. Barbara Aachen-Rothe Erde, er im Aachener Marienhospital. Für beide ist es nicht nur die Vorbereitung auf ein mögliches Studium (Soziale Arbeit oder Medizin), sondern Gelegenheit, praktische Erfahrungen zu sammeln jenseits von Schule und Elternhaus, aber auch, sich mit anderen jungen Menschen auszutauschen über das, was sie mit ihrem Leben machen wollen, wo sie ihren Platz in dieser von Krisen gezeichneten Welt finden können.

Von unschätzbarem Wert sind die Freiwilligen auch für ihre Einsatzstellen. Nicht weil sie hier fehlende Arbeitskräfte ersetzen, sondern weil sie einen „professionell unverstellten Blick“ mitbrächten, sagt Sigrid Ophoff, frühere Geschäftsführerin der FSD im Bistum Aachen und heute für den Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe Aachen tätig. „Sie sind eine Hand, Herz und Kopf mehr fürs Team.“ Und eine Bereicherung für die Menschen, mit denen sie in ihren Diensten zu tun haben, seien es Kinder, Jugendliche, Senioren.