Messe als Spiegel der Lage

Vorsichtig, mit Abstand, Skepsis, aber auch Freude sind Gottesdienste in den Regionen gefeiert worden

Neue Accessoires für den Gottesdienst: Zum eigenen Gebetbuch werden Masken gereicht. (c) Thorsten Büschkes
Neue Accessoires für den Gottesdienst: Zum eigenen Gebetbuch werden Masken gereicht.
Datum:
12. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2020 | Dorothée Schenk

Seit 1. Mai sind Messen grundsätzlich wieder erlaubt. Seither wurde viel diskutiert, und es wurden sehr unterschiedliche Konzepte entwickelt, wie angesichts der Hygiene- und Abstandsregelungen mit der Wiederaufnahme der Gottesdienste verfahren werden kann. Viel gibt es zu bedenken, da einerseits die Freude an der gemeinsamen Messfeier, andererseits der Schutz Kranker, Schwacher und Vorerkrankter zu berücksichtigen ist. Zwei Beispiele.

Zufrieden sind das Leitungsteam der  Pfarrei St. Augustinus und Pfarrer Hans Russmann nach den ersten positiven Erfahrungen mit einem öffentlichen Gottesdienst in der Pfarrei St Augustinus am Muttertags-Sonntag, als sich erstmals unter Berücksichtigung der Hygiene-Auflagen die Gemeinde wieder unter dem Kirchturm der Kirche Heilige Schutzengel in Krefeld-Oppum versammeln konnte. Rund 50 Gläubige waren zugelassen. Ermittelt worden ist die Zahl nach dem umbauten Raum und der Quadratmeterzahl. Da bleibt nicht mehr viel „Mensch“ übrig.

Ein umfassendes Sicherheitskonzept war entwickelt worden. Es galt die „Einbahnstraßenregelung“, die in der Kirche an der Hauptstraße ganz unproblematisch umgesetzt werden konnte, ein Ordnerdienst wurde organisiert, ein Anmeldeverfahren entwickelt. Per Telefon in Pfarrbüro mussten sich die Gottesdienstbesucher melden, um am Sonntag mit Nasen-Mund-Bedeckung erstmals nach sieben Wochen gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Der Aufwand ist erheblich. Zur persönlichen Andacht ist St. Karl Borromäus geöffnet – nicht so Pax Christi, da der Kirchenraum mit dem Pfarrheim verbunden ist, und letzteres durfte bis zum Wochenende 17. Mai nicht öffnen. Pax Christi ist dafür inzwischen nicht nur „Kunstkirche“, sondern auch „Streamkirche“ geworden. Seit der verordneten Schließung im März hat sich das Sonntags-Angebot um 11 Uhr bewährt – obwohl Pfarrer Russmann anfangs gar nicht überzeugt davon war. „Das war schon eigen, an Ostern in die leere Kirche ,Christus das Licht‘ zu verkünden, das ist nicht das, was man sich unter der Vollform eines Gottesdienstes vorstellt.“

Aber Erfahrung hat ihn eines Besseren belehrt, erzählt er in einer kleinen Anekdote: Eine Frau rief ihn an. „Herr Pastor, ich geh ja sonst immer nach Schutzengel, aber ich war heute in Pax Christi und ich saß in der ersten Reihe.“ Das sei sicher der Unterschied zum Fernsehgottesdienst, wenn man noch mal so eine Verbundenheit spürt. Zwischen 200 und 300 Geräte waren zugeschaltet, hochgerechnet bei rund zwei Zuschauern ergibt das eine erhebende Zahl an Gottesdienstbesuchern. „So viele habe ich normalerweise nicht im Gottesdienst“, räumt Russmann ein. Bedingung war allerdings, dass nur „live und gemeinsam“ gefeiert wurde. Als „Konserve“, also Film auf Youtube, gab es die Messfeiern nicht zu sehen.  Und dann kam die Möglichkeit, wieder mit der Gemeinde in einem Kirchenraum Messe zu feiern: „Wir haben auch die Öffnung sehr kontrovers diskutiert“, verrät der Pfarrer, der betont, wie gerade in der  „517/2-Gemeinde“ (Anm. d. Red.: Gemeint ist c. 517 § 2 CIC.) die Beteiligung der Ehrenamtlichen Gewicht habe. Letztlich stimmte die Augustinus-Runde als Entscheidungsgremium mit zwölf zu acht Stimmen für eine behutsame Öffnung. „Diese Diskussion war ein Höhepunkt, muss ich sagen – wie aufeinander gehört wurde, Bedenken gehört wurden, aber auch das Bedürfnis von Menschen berücksichtig wurde, Eucharistie zu feiern.“

Natürlich empfinden alle die Maskenpflicht und Abstandsregelung, beschränkte Zugangsbedingungen, den Verzicht auf Gesang als Einschränkungen, „die einer Feier nicht gerade zuträglich sind. Das ist keine volle Begeisterung – so schön es ist, dass man sich wieder trifft.“  Auf die Frage, ob er sich in der Haftung fühle gegenüber den Gläubigen, die nach einem falschen Verständnis der – im Übrigen in dieser Corona-Zeit ausgesetzten – Sonntagspflicht zur Messe kämen, obschon sie zur Risikogruppe gehörten, sagte Pfarrer Russmann: „Jeder Erwachsene ist ein Stück eigenverantwortlich. Die Verantwortung nehme ich ihm nicht ab.“ Und schließlich: „Die Corona-Krise ist auch eine Krise und nicht nur eine Chance.“  

 

Eigenverantwortung der Gefirmten und  Getauften 

„Es ist keine Rückkehr zur Normalität“, sagt auch Pfarrer Helmut Finzel von  St. Remigius in Viersen. „Die Messen wirkten auf mich gesammelt, still, ja auch etwas bedrückt. Besonders das Befreiende des Gesangs fehlt. Aber vielleicht ist damit die Liturgie, wie wir sie momentan feiern, einfach auch ein Spiegelbild unserer Lage, innerlich wie gesellschaftlich.“ Direkt am 2. Mai sind in der Pfarrkirche die Gottesdienste mit einer Vorabendmesse aufgenommen worden. Das Verfahren der Vorbereitung gleicht sich naturgemäß: Es gibt eine Anmeldung, weil die Platzzahl sehr begrenzt ist durch die Abstandsregeln, die ein Ordnungsdienst im Blick hat. Jede zweite Bank ist mit Flatterbank abgesperrt, die Plätze werden mit Punkten markiert, wohin sich die Gläubigen setzen dürfen. Die Hände werden desinfiziert, Mund-Nasen-Schutz wird getragen. „Was am befremdlichsten ist, dass im Gottesdienst kein Gesang möglich ist und natürlich die Austeilung der Kommunion mit Maske stattfindet. Trotzdem bin ich froh und dankbar, das ist auch die Rückmeldung aus der Gemeinde, dass es überhaupt wieder möglich ist, dass wir gemeinschaftlich Gottesdienst feiern können.“

Um möglichst vielen dieses Gemeinschaftsgefühl zurückzugeben, hat die Pfarrei St. Remigius die Zahl der Messfeiern erhöht, um den Mangel an Kapazität an Sitzplätzen aufzufangen. Auch hier baut der Pfarrer auf die Eigenverantwortung der Gottesdienstbesucher. „Das sind erwachsene Menschen, die auch in vielen anderen Lebensbereichen im Augenblick spontan entscheiden, was sie tun. Wir haben auch auf die Befreiung von der Sonntagspflicht hingewiesen, und dass jeder für sich zu einer verantworteten Entscheidung kommen muss. Ich habe auch den Eindruck, dass die Leute bewusst und überlegt damit umgehen. Jedem getauften und gefirmten Christ sollte man zubilligen, dass er für sich eine verantwortete Entscheidung treffen kann.“ Das gilt auch für den Gang zum Altar bei der Kommunionausteilung. Die wird übrigens nicht allerorts gleich gehandhabt: In St. Dionysius in der Krefelder Innenstadt geht der Priester mit der Kommunion zu den Gläubigen, die in der Bank sitzenbleiben, um ihnen die Hostie zu bringen. 

„Es ist schon eine fremde Atmosphäre, das ist auch kein befreites Feiern von Gottesdiensten gewesen, aber eben doch die Möglichkeit, die wir unter den jetzigen Bedingungen haben“, formuliert es Pfarrer Finzel. So haben es auch Gottesdienstbesucher zurückgespiegelt, die meinten: „Wir waren erstmal skeptisch, ob ein Gottesdienst mit Maske auszuhalten ist, aber es war in Ordnung. Wir melden uns Montag direkt wieder an.“  Freiluftgottesdiensten erteilen sowohl der Krefelder als auch der Viersener Pfarrer eine Absage. Sie wird zwar vom Bistum als alternative Möglichkeit empfohlen und frische Luft bei Abstand bietet auch einen gewissen Schutz vor Ansteckung, aber die Umsetzung der Auflagen erscheint wohl als zu schwierig. Das Zurückgewinnen des Alltags, wird wohl noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, und einen Königsweg gibt es nicht.

Impressionen aus den ersten Gottesdiensten

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