Menschen nicht verlieren

Der Kirchenchor Nütheim-Schleckheim gibt einen Einblick, was ländliche Gemeinden derzeit beschäftigt

Kirchenchor Nütheim-Schleckheim (c) Kirchenchor Nütheim-Schleckheim
Kirchenchor Nütheim-Schleckheim
Datum:
5. Dez. 2017
Von:
Andrea Thomas
Mit seiner Aussage zu den kleinen ländlichen Gemeinden hat Bischof Dieser beim diesjährigen Medienempfang Staub aufgewirbelt und in so mancher kleinen Gemeinde für Verunsicherung gesorgt. Ihre bange Frage: Braucht Kirche uns jetzt nicht mehr?
Kapelle Schleckheim (c) Kirchenchor Nütheim/Schleckheim
Kapelle Schleckheim

Eine dieser „Land-Ei-Gemeinden“, wie Ulla Breuer sie scherzhaft-liebevoll beschreibt, ist die Kapellengemeinde Nütheim-Schleckheim im Süden von Aachen. Breuer ist die Vorsitzende des dortigen „Dreifaltigkeitskirchenchors“, des zweitgrößten in der GdG Himmelsleiter, zu der die Gemeinde gehört. Gut 50 Sängerinnen und Sänger zwischen Mitte 20 und Mitte 80 sind hier aktiv. „Wir sind bei allen Festen und Aktionen im Ort mit dabei. So singen wir beispielsweise in jedem Jahr in der Messe zur Erstkommunion. Nicht um als Chor zu glänzen, sondern um der Gemeinde und denen, die nicht mehr so vertraut damit sind, bei den Liedern Sicherheit zu geben. Das macht immer viel Freude“, berichtet sie.

Auch sonst ist ihr Chor aktiv und rührig. Zum Cäcilienfest, „ihrem Fest“, haben sie in diesem Jahr mit ihrem Chorleiter Reinhold Rüttgers extra eine neue Messe einstudiert. Von den vier Jubilaren, die an diesem Tag für 50 Jahre Chorzugehörigkeit geehrt wurden, sei nur einer über 80, die anderen drei alle Mitte bis Ende 50. Seit Kindesbeinen dabei zu bleiben, spreche schon für eine große Treue. „Es zeigt, was unseren Chor ausmacht: christliche Werte und ehrenamtliches Engagement. Nur die Wertschätzung für uns ist uns ein wenig abhanden gekommen“, sagt Ulla Breuer und spricht damit an, was ihre Chorkollegen und sie beschäftigt. Ihnen ist klar, dass Kirche sich verändere und neue Wege finden müsse. „Es geht nicht darum, an alten Zöpfen festzuhalten. Man muss für neue Dinge werben, aber dabei neben dem Verstand auch das Herz einsetzen.“

Menschen brauchten Heimat, und die sei für Christen nun mal auch ihre Gemeinde vor Ort. „Die würden wir auch gerne zukünftig behalten, und wir glauben, dass sich das durchaus mit neuen Ideen vereinbaren lässt.“ Die sind ebenso wie Eigeninitiative vor Ort vorhanden. In Schleckheim gibt es nur noch einmal im Monat eine Sonntagsmesse. An den restlichen Sonntagen fahren die Schleckheimer in die Nachbargemeinden. Um denen, die das nicht immer so können, etwas anzubieten, hat der Chor die Idee entwickelt, im Januar sonntags zur üblichen Gottesdienstzeit zu einer musikalischen Andacht einzuladen. Ein weiteres Projekt, das aus der Ortsgemeinschaft heraus entstanden ist, ist „Kino in der Kapelle“. „Da kommen rund 30 Leute zum Film-Gucken, von denen die meisten hinterher noch bleiben und miteinander ins Gespräch kommen“, erzählt Ulla Breuer.  Zurzeit hätten sie im Chor allerdings das Gefühl, nur sie müssten sich verändern. Sie wünschen sich Respekt im Dialog zwischen Kirchenleitung und Gläubigen, dass man sie als Menschen wahr und ernst nimmt und ihnen nicht die Türe zuschlägt, ohne sie wirklich zu sehen. „Lebendige Kirche darf doch nicht da enden, wo die Möglichkeiten der Hauptamtlichen enden. Der Mensch darf dabei nicht verloren gehen. Wir leben als Christen von Begegnung, von Kontakten und Gemeinschaft.“ Etwas, das gerade im länd-lichen Raum noch sehr ausgeprägt ist – und eines der Pfunde, die diese Gemeinden gerne auch in den Dialog um die Zukunft von Kirche einbringen möchten.

Kirchenchor Nütheim-Schleckheim (c) Kirchenchor Nütheim-Schleckheim