Mit dem Schrebergarten-Projekt zeigt der Treff am Kapellchen in Mönchengladbach, wie Grenzen überwunden werden.
Dass sie ihre Arbeitshandschuhe vergessen hat, hält sie nicht von der Arbeit ab. Barbara Witzer hat sich auf den Boden vor das Beet gesetzt. Ihre Hände graben sich in die Erde und packen das Unkraut bei den Wurzeln. Mit einem Ruck zieht sie das Grün, das hier nicht wachsen soll, raus und wirft es in den bereitstehenden Eimer. Immer wieder lockert sie mit der kleinen Harke die Erde, das macht die Arbeit etwas einfacher. Dort, wo Witzer schon gearbeitet hat, sieht man die Erdbeerpflanzen stehen – nun befreit von den unerwünschten Nachbarn. So haben sie Luft und es kommt Licht an die Pflanzen, die im Mai und Juni Früchte tragen werden. Noch weist nichts auf eine Ernte hin, aber die Frauen und Männer vom Treff am Kapellchen (TaK) arbeiten daran.
Im Winter 2019 hat das TaK-Team den rund 400 Quadratmeter großen Schrebergarten in einer Kleingartenanlage übernommen. Eine Brachfläche ohne Laube, dafür mit viel Gestrüpp und einem eindrucksvollen Schilfbewuchs. „Das war richtig Arbeit, das alles da rauszuholen“, erinnern sich die, die von Anfang an dabei waren. Regulär treffen sich die aktiven Hobby-Gärtner des TaK hier jeden Montagnachmittag. Aber einige sind auch öfter hier, um zu pflanzen und säen, zu jäten oder den Rasen zu mähen.
Henry zum Beispiel, der im vergangenen Sommer drei Tage pro Woche hier gearbeitet hat. „Mal sehen, ob ich das in diesem Jahr auch mache“, sagt er und setzt sich zu den anderen auf der überdachten Terrasse. Hier machen sie im Schatten eine Pause von der Arbeit, trinken Kaffee, rauchen und erzählen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt in diesem Garten.
„Der Garten ist eine Aufgabe“, sagt Frank Berges. „Wir teilen die Arbeit und sind zusammen, wir hören uns zu und sehen den Erfolg“, nennt Michael Heitzer seine Gründe für sein Engagement. Die sozialen Kontakte bei der Gartenarbeit schätzt auch Norman Strelow. „Es hat sich hier ein Kreis von Leuten gebildet, die gerne im Garten arbeiten“, sagt er.
Um soziale Kontakte, Perspektiven und Bildung, kurz um gesellschaftliche Teilhabe, geht es bei der Arbeit im TaK. An der Rudolfstraße treffen sich Menschen, die schon lange arbeitslos sind, die von Bürgergeld leben, geflüchtete Frauen und Männer, aber auch wohlhabende Menschen, die die Arbeit des TaKs unterstützen und keine Berührungsängste zu denen haben, die gesellschaftlich oft an den Rand gedrängt werden.
Die frühere Leiterin des TaK, Sr. Luzia Schmuki, hat das Gartenprojekt 2019 mit Unterstützung der Stiftung Volksverein ins Leben gerufen. Mit der Leitung des TaK hat Sr. Barbara Roßmadl im September 2023 auch den Schrebergarten von Sr. Luzia übernommen. Von Anfang an sollte der Garten verschiedene Gruppen zusammen bringen. „Die Idee ist es, den Garten in kleinere Parzellen aufzuteilen und Obst, Gemüse, Kartoffeln und Blumen anzubauen. Die Gestaltung und Pflege der einzelnen Parzellen soll auf die Paten und deren Helfer übertragen werden. Der Fokus liegt auf der gemeinsamen praktischen Gartenarbeit“, hieß es in dem Flyer, mit dem im Dezember 2019 Paten für das Projekt gesucht wurden.
Neben Norman Strelow und Sr. Barbara engagieren sich Peter und Luzia Jagemann als Paten in dem Gartenprojekt. „Sie sind eigentlich diejenigen, die hier den Hauptteil bei der Anleitung übernehmen“, sagt Sr. Barbara. Heute ist das Paar nicht vor Ort, weil es gerade mit dem Wohnmobil die Welt erkundet.
Die im Werbe-Flyer angesprochene Idee des Miteinanders ist in den vergangenen Jahren sichtlich aufgegangen. Die afghanische Frauengruppe beackert seit einigen Jahren eine Parzelle. Gerade graben Nasiba Nazif und Diljan Noori den Boden um. Das ist schweißtreibend, weil der Boden in den vergangenen Wochen wenig Wasser bekommen hat. Regelmäßig treffen sich die Frauen im TaK. Eines Tages haben sie angefragt, ob sie sich am Garten beteiligen können. Seitdem pflanzen sie selbst an.
Auch die Frauengruppe des KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) hat im vergangenen Jahr eine eigene Parzelle bewirtschaftet. Für diejenigen, die sich nicht mehr so gut bücken können, sind zwei kleine Hochbeete angelegt worden.
Dass dieses Stück Land weit mehr bedeutet als körperliche Bewegung mit frischem Gemüse und Obst zur Belohnung, zeigt die Episode, die Michael Heitzer erzählt. „Wir haben gearbeitet und das ganze Schilf rausgeholt“, erinnert er sich. „Die afghanische Frauengruppe war auch hier und hat gegrillt. Auf einmal haben sie uns einen Teller mit Essen gebacht. Das fand ich unheimlich toll.“
Dieser Geist des Miteinanders über kulturelle und soziale Grenzen hinweg, der im TaK so selbstverständlich ist, wird auch hier gelebt. Die Laube zum Beispiel hat das Team der Volksverein-Schreinerei gebaut. Den Boden hat die Auszubildende Jennifer Kamps konzipiert und verlegt. Hier sind die Gartengeräte, die Stühle und die Sitzkissen trocken und sicher untergebracht. Aus einer alten Küche wurde ein großes Regal mit Unterschränken gebaut. Ein Mini-Herd mit Ofen und zwei Kochplatten sowie Kaffeemaschine und Wasserkocher stehen bereit.
„Vergangenes Jahr haben wir zum ersten Mal unser Sommerfest hier gefeiert“, sagt Strelow und die anderen freuen sich sichtlich bei der Erinnerung daran. Die Pause ist zu Ende: Matthias ist gerade gekommen, schnappt sich einen Spaten und beginnt, ein Feld umzugraben. Mit der Hand zerreibt Sr. Barbara die groben Erdklumpen zu Bröseln. Diljan Noori wässert derweil die Nachbarparzelle und Henry schnappt sich den Rasenmäher. Es gibt noch viel zu tun.