Mehr als nur Tüfteln

Repaircafés werden immer beliebter. Das liegt vor allem an ihrer sozialen Komponente.

Eva Schneider hat eine Lampe mitgebracht, die Gangolf Gerighausen repariert. (c) Garnet Manecke
Eva Schneider hat eine Lampe mitgebracht, die Gangolf Gerighausen repariert.
Datum:
21. Okt. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 29/2025 | Garnet Manecke

Das alte Radio ist ein richtiges Schätzchen. „Ich habe es im Frankreich-Urlaub bei einem Trödelhändler gekauft“, sagt Claudia Minkenberg. „Er wusste nicht, ob es noch funktioniert.“ Das will jetzt Matthias Mikysek herausfinden. Mit einem Schraubendreher hat er das alte Röhrenradio geöffnet und schaut nun mit Hilfe eines Spannungsmessers, ob Strom durch die Leitungen fließt. Das wäre schon mal ein guter Anfang.

So ein Röhrenradio haben die Reparierer im Repaircafé Mönchengladbach eher selten auf dem Tisch. Aber Elektrogeräte im Allgemeinen bringen die Gäste an jedem ersten Sonntag im Monat in die Räume des Mehrgenerationenhauses, in dem das besondere Café eine Heimat gefunden hat. Mixer, Lampen, Laptops, Fotokameras oder die kompakte Musikanlage: Vieles kann noch repariert werden; manches sofort, für anderes müssen die Eigentümer erst Ersatzteile besorgen. Aber dafür geben die Reparierer dann genaue Tipps.

In Mönchengladbach hatten Studenten der Hochschule Niederrhein das Repaircafé gegründet. Das erste Repiarcafé des Allgemeinen Studierendeausschusses (Asta) fand 2014 statt. „Anfangs wurde das Repaircafé im Wechsel im Asta-Keller in Krefeld und in Mönchengladbach an der Richard-Wagner-Straße im Lakum organisiert“, erinnert sich Thomas. Hier im Repaircafé sprechen sich alle nur mit Vornamen an. Der 56-Jährige war in Mönchengladbach von Anfang an dabei. „Die Idee kommt aus den Niederlanden“, sagt Thomas. „Von dort hat sich das verbreitet.“

Warum er jeden ersten Sonntag im Monat im Repaircafé verbringt? „Zum einen wegen der Nachhaltigkeit“, sagt der 56-Jährige. „Schon als Kind bin ich mit Reparaturen in Verbindung gekommen. Man kann sein Wissen hier vielleicht an Jüngere weitergeben.“ In Mönchengladbach kommt regelmäßig ein Zwölfjähriger dazu, der sich dafür interessiert und den Älteren zur Hand geht.

Aber es geht nicht nur darum, Wissen weiterzugeben, sondern auch darum, selbst Neues zu lernen. „Ich kenne mich aus in der Mechanik-Abteilung“, sagt Thomas. „Einige Kollegen sind elektrotechnisch sehr versiert. Ich kann hier fachübergreifend arbeiten.“ Dazu komme die soziale Komponente. „Es kommen gerne auch ältere Menschen, die Erinnerungsstücke mitbringen“, sagt Thomas. Ihnen diese Dinge zu erhalten, die Geschichten dazu zu hören und seine Kollegen zu treffen, gebe ihm selbst auch viel. „Für mich gibt es hier nur Gewinner“, sagt er.

Das sieht auch Oliver Sitt vom Repaircafé Korschenbroich so. Zu jedem Repaircafé sei ein harter Kern von etwa zehn Aktiven da. Im E-Mail-Verteiler und in der im Messenger-Dienst Signal eingerichteten Gruppe seien 40 Frauen und Männer dabei. „Wer Zeit und Lust hat, kommt“, sagt Sitt. „Ich glaube schon, dass es einen sehr hohen Rang hat, Leute zu treffen.“

Im Team seien viele Senioren, die sehr aktiv sind und auch gerne verreisen. „Wir fragen vorher ab, wer schon absehen kann, ob er da ist.“ In Korschenbroich geht es dabei auch um eine spezielle Kernkompetenz: die Installierung von Betriebssystemen bei Computern.
„Linux-Sonderschichten“ nennen die Korschenbroicher diese Abteilung. Angefangen hat alles, als Microsoft die Unterstützung und regelmäßige Sicherheits-Updates für Windows 7 einstellte. Die Rechner sind dann zwar technisch noch nutzbar, aber anfällig für Viren und Angriffe, weil Sicherheitslücken im Betriebssystem nicht mehr geschlossen werden. Das kann für die Nutzer schwerwiegende Folgen haben, wenn man zum Beispiel ans Online-Banking denkt. Die Korschenbroicher begannen, die Rechner ihrer Gäste mit dem Betriebssystem Linux auszustatten, das dieses Problem nicht hat.

Bis heute hat sich das Linux-Team erhalten und jetzt, wo der Software-Gigant sein Betriebssystem 10 einstellt, hat das Team jede Menge zu tun. „Die Rechner wären sonst Elektroschrott. Das muss nicht sein“, sagt Sitt. Die Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung stehen auch in Korschenbroich ganz oben auf der Motivationsliste.
Mit der „Linux-Sonderschicht“ haben sich die Korschenbroicher einen Ruf erarbeitet, der auch andere Repaircafés in der Region erreicht hat. „Es kommen auch Leute von anderen Repaircafés und schauen sich das an“, sagt Sitt. Auch das gibt den Aktiven ein gutes Gefühl: etwas anzustoßen.

Was angeboten wird, hängt aber in allen Repaircafés von zwei Faktoren ab: Wobei können die Reparierer helfen und was wird nachgefragt? Das kann von Region zu Region sehr unterschiedlich sein. Im Repaircafé Mönchengladbach bringen regelmäßig drei Frauen ihre Nähmaschine mit. Die Fähigkeit, gerissene Nähte wieder zu schließen oder Löcher kunstvoll verschwinden zu lassen, ist in Mönchengladbach sehr gefragt. Susanne sitzt an ihrer Nähmaschine, gegenüber von ihrem Tisch warten Frauen geduldig bis sie dran sind. „Die meisten Aufträge sind Knopflöcher, Risse oder aufgegangene Nähte“, sagt sie. Acht Frauen hilft sie an diesem Sonntag.

Auch im Repaircafé in Erkelenz wurden anfangs Näharbeiten angeboten. „Aber das wurde gar nicht so nachgefragt“, sagt Michael Kock, Koordinator in Erkelenz. Seit seiner Eröffnung 2017 in Räumen gegenüber der Kirche kommen vor allem technische Haushaltsgeräte und Lieblingsstücke auf die Reparaturtische. „So etwas wie der erste Grundig Kassettenrekorder aus der Kindheit“, nennt Kock ein Beispiel. Von Anfang an gab es in Erkelenz aber auch die Fahrradreparaturwerkstatt. Im ländlichen Raum rund um Erkelenz ist das Rad ein viel benutztes Fahrzeug. Obwohl mit dem Schulkomplex mit zwei Gymnasien und einer Realschule viele junge Familien eine Verbindung zu Erkelenz haben, sind sie im Repaircafé seltener Gäste. „Unser Hauptklientel ist die ältere Generation, die aber auch schon mal von den Kindern zu uns geschickt wird“, sagt Kock. „Junge Familien und Jugendliche sind eher die Ausnahme.“

Um diese Zielgruppe zu erreichen, hat es das Erkelenzer Team einmal mit einem Kinderrepaircafé versucht. „Das wurde nicht angenommen“, sagt Kock. Dafür werden andere Angebote umso mehr nachgefragt. Seit seiner Gründung ist das Team stark gewachsen. Heute werden die Reparaturtische im Pfarrzentrums aufgebaut. Angefangen hat es mit drei Tischen, heute sind es 14.

Begegnung zwischen Nähmaschinen, Computern und Fahrrädern

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