Seit 20 Jahren betreut Andrea Heinrichs als Tagesmutter Kleinkinder. Mit nachbarschaftlichem Babysitten hat der Beruf nichts gemein. Tagesmütter müssen eine pädagogische Qualifikation erwerben und dem Jugendamt ein Konzept vorlegen, wenn sie Kinder betreuen wollen. Denn sie übernehmen ähnliche Pflichten wie Kitas. Dafür besuchen sie Kurse des Katholischen Forums für Erwachsenen- und Familienbildung.
Wenn man Andrea Heinrichs’ Haus betritt, muss man etwas aufpassen, nicht auf ein Spielzeug zu treten. Die Treppe in den obersten Stock ist mit einem Gitter gesichert, der Durchgang zum Wohnzimmer mit einem dicken Kissen versperrt. Und zwischen Haustür und Flur ist ein kleiner Raum, so dass keines der fünf Kinder versehentlich auf die Straße laufen kann, wenn es mal klingelt und die Haustür geöffnet wird.
Fünf Kinder, da erwartet man eine gewisse Lautstärke, wenn man die Tagesmutter besucht. Aber weit gefehlt: Die Kinder spielen ruhig. Im Gespräch hat Andrea Heinrichs immer ein Auge auf ihre Schützlinge. Heute sind nur zwei da. Margret Laprell, seit zwei Jahren Tagesmutter, ist mit ihrem Tageskind Lena* zu Besuch. Lena kennt die anderen Kinder nicht, aber die drei Kleinkinder verstehen sich auf Anhieb. Nur kurz schauen sie neugierig auf den Besuch, dann ist das Spielen wieder wichtiger.
„Als ich vor 20 Jahren als Tagesmutter angefangen habe, reichte es völlig aus, dass man Kinder gern hat“, erinnert sich Andrea Heinrichs. „Das ist heute nicht mehr so.“ Wer heute Tagesmutter werden möchte, muss eine vom Jugendamt anerkannte Qualifikation vorweisen. In Heinsberg arbeitet das Jugendamt eng mit dem Katholischen Forum für Erwachsenen- und Familienbildung zusammen. Seit 2007 besteht die Kooperation – und wird von Jahr zu Jahr intensiviert.
„Der Bedarf an Tagesmüttern in der Region ist groß. Speziell im Einzugsgebiet der Stadt Heinsberg“, sagt Ulla Otte-Fahnenstich, pädagogische Mitarbeiterin des Katholischen Forums. Das Forum hat daher sein Angebot an Qualifikationskursen erweitert. Im Prinzip können alle Frauen und Männer, die sich für den Beruf der Tagesmutter oder des -vaters interessieren, die Qualifikation erwerben. Voraussetzungen sind mindestens ein Hauptschulabschluss und gute Kenntnisse der deutschen Sprache.
Eva Schoenmakers-Houben, Fachberaterin Kindertagespflege des Jugendamts Heinsberg, interessiert sich darüber hinaus für die Motivation der Bewerberinnen. „In einem Erstgespräch schaue ich, ob deren Vorstellungen mit der Realität übereinstimmen“, sagt sie. „Danach besuche ich sie zu Hause und schaue mir die Familien an.“ Die Familien sind ein wichtiger Faktor: Denn es kann sein, dass die eigenen Kinder während der Betreuungszeiten aus der Schule kommen oder der Lebenspartner Urlaub hat. Dann vermischen sich Privatleben und Betreuung.
Jede Tagesmutter ist frei, ihre Arbeit mit
einem eigenen Schwerpunkt zu gestalten
Andrea Heinrichs hat als Tagesmutter angefangen, als ihre eigene Tochter eineinhalb Jahre alt war, also im Alter ihrer Tageskinder. Um 7.30 Uhr beginnt ihr Kindertag. Um 8.30 Uhr wird mit den Kindern gefrühstückt. Mittagessen, schlafen, spielen: Alles hat seine feste Zeit. „Es gibt viele Rituale bei uns“, sagt Andrea Heinrichs. Zum Beispiel wird vor dem Mittagsschlaf immer das „Gute Nacht“-Buch gelesen. „Die merken sofort, wenn ich das vergesse“, sagt Heinrichs. Auch bei Margret Laprell ist der Tag klar strukturiert. „Bei uns wird viel gesungen“, sagt sie. Auch vor dem Essen. „Ich habe noch kein Kind erlebt, das nicht gerne tanzt oder Klangkörper ausprobiert“, ist ihre Erfahrung.
Zwei Tagesmütter, zwei verschiedene Ansätze: Für Eva Schoenmakers-Houben ist das in Ordnung. In der Gestaltung ihrer Arbeit sind die Tagesmütter frei. Jede hat einen anderen Schwerpunkt. „Ich entscheide auch selbst, welches Kind ich nehme“, sagt Heinrichs. Ihr ist das wichtig. „Ich kann nur Kinder nehmen, die ich mag.“ Auch mit den Eltern muss die Chemie stimmen, damit sich das Kind wohl fühlt. Die Aufgabe der Tagesmutter ist anspruchsvoll, wenn es auf den ersten Blick auch spielerisch aussieht. Jedes Kind ist anders, auf jedes Kind muss entsprechend anders eingegangen werden. Wie für die Erzieherinnen in Kitas sind auch für die Tagesmütter die Bildung und Förderung der Kinder die beiden Leitstränge, an denen sich alles ausrichtet. Die Förderung der Sprachentwicklung und Motorik sowie das Lernen von Sozialverhalten muss auch bei der Tagesmutter gegeben sein.
Zusammen mit den Eltern müssen Ziele entwickelt und besprochen werden. Das kann auch unangenehme Themen betreffen. Um sie bei ihrer Aufgabe möglichst gut zu unterstützen, hält Eva
Schoenmakers-Houben engen Kontakt zu den 22 Tagesmüttern, die sie betreut. Sechs Mal im Jahr lädt sie alle zu einem Netzwerktreffen ein, so dass sich die Frauen gegenseitig kennenlernen. Auch untereinander halten viele Kontakt. Wenn eine krank wird, können so schnell Vertretungen organisiert werden, und in schwierigen Situationen können sie sich gegenseitig helfen.
*Name geändert
Kindertagespflege ist eine familiennahe Betreuungsform von Kindern im Alter vom 4. Lebensmonat bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz wird die Kindertagespflege der Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen gleichgestellt. Sie umfasst neben der Betreuung und Pflege die Erziehung, Bildung und Förderung der Kinder.
Voraussetzung ist neben einem abgeschlossenen Hauptschulabschluss und sehr guten Deutsch-Kenntnissen ein Qualifikationskurs. Die Qualifizierung ist gegliedert in einen Basiskurs mit 48 Unterrichtsstunden und Aufbaumodulne, die jeweils acht bis 13 Unterrichtsstunden umfassen. Die gesamte Qualifikation beinhaltet insgesamt 150 Unterrichtsstunden plus den Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses, der Vorlage eines schriftlichen Konzepts sowie der Absolvierung eines Abschlusskolloquiums. Sowohl Frauen als auch Männer können die Ausbildung machen.
Kosten Die Kosten übernimmt in der Regel die Teilnehmerin. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Übernahme eines Teils der Kosten durch das Jugendamt möglich.
Kurse bietet das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung an. Ein neuer Basiskurs findet vom 13. September bis 23. November im Haus des Forums, Karl-Arnold-Straße 95, 52511 Geilenkirchen-Gillrath, statt.
Infos beim Katholischen Forum www.forum-mg-hs.de