In diesem Jahr feiert das Domkapitel den 40. Jahrestag der Ernennung des Doms zum Unesco-Weltkulturerbe. Aber was bedeutet diese Bezeichnung eigentlich? Ist sie ein schönes Etikett, das den Dom schmückt? Oder steckt mehr dahinter? Welche Pflichten und welche Vorteile bringt der Status Weltkulturerbe mit sich?
Am Thema Weltkulturerbe kam 2009 keiner vorbei. Damals entschied die Stadt Dresden, die Waldschlösschenbrücke zu bauen und damit für den immer größer werdenden Verkehr eine weitere Möglichkeit zu schaffen, von einem Elbufer an das andere zu kommen. Dem Welterbekomitee der Unesco aber gefiel das Bauvorhaben gar nicht. Die Brücke, hieß es im Gutachten, zerteile „den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle“. Die Folge: Der erst knapp vier Jahre zuvor verliehene Titel des Weltkulturerbes wurde dem Dresdner Elbtal wieder aberkannt. Fragt man heute in Dresden nach, welche Folgen die Aberkennung hatte, hört es sich so an, als ob lediglich der Verlust eines hübschen, aber nicht allzu wertvollen Schmuckstücks zu beklagen wäre.
„Die Aberkennung des renommierten Unesco-Welterbetitels 2009 ist für Dresden natürlich sehr bedauerlich“, teilt Pressesprecher Karl Schuricht auf Anfrage der KirchenZeitung mit. „In welchem Umfang für die Stadt tatsächlich ein Imageschaden eingetreten ist, kann heute schlecht beurteilt werden. Glücklicherweise konnten wir jedoch keine direkten Auswirkungen auf den Tourismus in der Landeshauptstadt erkennen. Vielmehr haben sich unsere Gästezahlen auch nach dem Titelverlust weiter kontinuierlich positiv entwickelt.“ Allerdings hat Dresden nach der Aberkennung des Titels die Kürzung von Fördermitteln hinnehmen müssen. Denn damit erfüllte die Stadt nicht mehr die Kriterien für das Förderprogramm der deutschen Welterbestätten. Auch in Aachen hängt die Attraktivität der Stadt nicht am Weltkulturerbe-Titel. Der Aachener Dom ist ein Wahrzeichen mit einer 1200 Jahre alten Geschichte. „Der Dom ist das Herz der Stadt. Ohne ihn würde es Aachen nicht geben“, sagt Jutta Bacher, Leiterin des Stadtmarketings Aachen. „Er steht als Teil der Pfalz Karls des Großen für die erste Hauptstadt seines europäischen Reiches, hier wurden zahlreiche deutsche Könige gekrönt, hier wird jährlich der Karlspreisträger empfangen und damit die europäische Tradition Aachens weitergeführt.“
Trotzdem hält Bacher den Status als Weltkulturerbe für einen Punkt, der die Stadt für Touristen attraktiv macht. „Der Dom als Unesco-Welterbe ist immanenter Bestandteil des Stadtmarketings. Ohne die Anerkennung wäre die Anzahl der Aachen-Besucher sicher nicht so groß, wie sie das jetzt ist“, teilt sie mit. „Veranstaltungen, für die der Dom von Bedeutung ist, werden daher von Stadt und Domkapitel oftmals gemeinsam geplant und durchgeführt, so etwa die Karlsausstellungen 2014. Überall, wo es um die Marke Aachen geht, findet das Unesco-Welterbe Erwähnung.“
Für Dombaumeister und Welterbe-Manager Helmut Maintz hat der Titel aber auch eine ganz andere, sehr pragmatische Bedeutung. „Für die Werbung ist der Titel wichtig, vor allem, wenn Geldmittel bei Stiftungen für den Erhalt eingeworben werden müssen“, benennt Maintz den Vorteil der Auszeichnung. „Man kann damit weltweit anders auftreten, wenn man etwa Stiftungen wie die Bill-Gates-Stiftung anspricht.“ Der Titel Unesco-Welterbe hat Gewicht und ist bekannt. Der Aachener Dom gehört zu den zwölf Weltkulturerbestätten, die auf die erste Welterbeliste der Unesco 1978 gesetzt wurden. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft: Auch die außergewöhnliche Pflanzen- und Tierwelt der Galapagos-Inseln und die Altstadt von Krakau gehören zu dem Kreis der ersten Welterbestätten. Mit seiner Auszeichnung war der Aachener Dom 1978 das erste Welterbe in Deutschland. Heute enthält die Liste des Welterbe-Komitees allein in Deutschland 42 Kultur- und Naturdenkmäler.
Aufgrund der Auszeichnung steht Dombaumeister Helmut Maintz unter ständiger Kontrolle. Denn jedes Jahr kommen Experten des Internationalen Rats für Denkmalpflege (Icomos) vorbei, um im Auftrag des Unesco-Welterbe-Komitees die Qualität der Arbeiten am Dom zu überprüfen. „Dann schauen sie sich an, was gemacht wird und ob das so im Detail auch richtig ist“, sagt Maintz. Alle sieben Jahre muss er einen Report abliefern, in dem er aufführt, ob das Welterbe bedroht ist, wie die Bedrohung gegebenenfalls aussieht und wie man mit den Belastungen, die zum Beispiel der Besuch der Touristen mit sich bringt, umgeht. Aber nicht nur der Dom selbst steht unter der scharfen Beobachtung der Weltkulturerbe-Hüter. Auch bei der Bebauung rund um das Gotteshaus redet das Komitee ein Wörtchen mit. „Es muss zum Beispiel darauf geachtet werden, dass die Sichtachsen nicht verbaut werden. Seit fünf Jahren gilt auch für die frühen Welterbestätten, die von Anfang an dabei sind, eine Pufferzone. In dem Bereich zwischen Templergraben, Karlsgraben, Seilgraben und Alexianergraben dürfen keine Hochhäuser gebaut werden. Auch die Sichtachse von der Burtscheider Brücke muss zum Beispiel erhalten bleiben. „Das ist alles im Detail in einem Plan eingezeichnet“, sagt Maintz. „Für die Stadtentwicklung ist der Bereich um das Welterbe eine stete Aufgabe und Herausforderung“, bestätigt auch Bacher. Mit aufwendigen Maßnahmen sei der Bereich um den Dom in den vergangenen Jahren aufgewertet worden, um seiner Bedeutung auch städtebaulich gerecht zu werden.
Wie man den Titel Weltkulturerbe bekommt
Wer bekommt den Titel?
Die Unesco verleiht die Titel Weltkulturerbe oder Weltnaturerbe an Stätten, die einzigartig sind und wegen ihrer historischen Bedeutung und Unversehrtheit für die ganze Welt von Interesse sind.
Wie bekommen die Stätten den Titel?
Sie müssen von den Ländern, in denen sie liegen, für den Titel vorgeschlagen werden. Die Nominierungen werden vom Welterbezentrum koordiniert. Jedes Jahr dürfen die Länder, die Vertragspartner des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 sind, zwei Vorschläge machen. Um den Titel bekommen zu können, müssen die Vorschläge schon zwei Jahre auf der bei der Unesco hinterlegten Vorschlagsliste gestanden haben und die Kriterien für den Titel erfüllen. Für den Titel Weltkulturerbe wurden sechs Kriterien festgelegt, für den Titel Weltnaturerbe sind es vier Kriterien.
Wann wurde die Welterbeliste zum ersten Mal erstellt?
Die Leitidee des Welterbes war es, Stätten mit einer außergewöhnlichen Bedeutung der ganzen Menschheit zu erhalten. Die erste Liste wurde 1978 mit zwölf Stätten in Deutschland, Polen, Äthiopien, Ecuador, Senegal, Kanada und den USA veröffentlicht.
Wie hat sich die Welterbeliste entwickelt?
Weltweit sind es 1073 Stätten in 167 Ländern. Davon sind 832 Weltkulturerbe und 206 Weltnaturerbe. 35 sind gemischte Kultur- und Naturerbestätten. 37 sind grenzüberschreitend oder transnational, weil sie sich über mindestens zwei Länder erstrecken.