Mehr als belegte Brötchen

Das Aachener Sonntagsfrühstück bietet seit einem Vierteljahrhundert konkrete Hilfe auf Augenhöhe

Die Ehrenamtlichen sorgen, unterstützt von Aachener Firmen, für einen reich gedeckten Frühstückstisch. (c) Andrea Thomas
Die Ehrenamtlichen sorgen, unterstützt von Aachener Firmen, für einen reich gedeckten Frühstückstisch.
Datum:
27. Sept. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2023 |Andrea Thomas

Im Mai 1998 starteten fünf Aachener Gemeinden – die evangelische Anna-Gemeinde, die katholischen Pfarreien St. Foillan,  St. Jakob, St. Marien und St. Peter – einen Versuch: Sie luden an fünf Sonntagen zu einem Obdachlosenfrühstück in ihre Pfarr- und Gemeindehäuser ein. Es war der Start einer eindrucksvollen Geschichte.

Jeden Sonntag ist seitdem ein anderes Pfarrheim oder Gemeindehaus Gastgeber des ökumenischen „Aachener Sonntagsfrühstücks“. Ein Team aus Ehrenamtlichen der verantwortlichen Gemeinde richtet jeweils das Frühstück aus. Die Tische sind einladend gedeckt, zu essen und zu trinken gibt es alles, was ein schönes Frühstück ausmacht: Brot, Brötchen, Eier, Wurst, Käse, Marmelade oder auch Rohkost und Obst, dazu Milch, Kaffee oder Tee. Und ein freundliches Lächeln für jeden Gast. 

Allen, die kommen, Wertschätzung entgegenzubringen, ist den Ehrenamtlichen wichtig. Ebenso wie eine Atmosphäre, in der Menschen, die Wertschätzung in ihrem Alltag nicht immer erfahren, sich angenommen fühlen.

Zwischen 9 und 12 Uhr – das variiert je nachdem, welche Gemeinde Gastgeber ist – können Menschen in Not hier frühstücken. Das sind längst nicht nur obdachlose Menschen, sondern Menschen, bei denen das Geld nicht zum Leben reicht, Bezieher von Sozialleistungen, ältere Menschen mit kleiner Rente oder auch einsame Menschen. Hier können sie mit anderen Menschen in ähnlicher Lebenssituation ins Gespräch kommen, was für viele genauso wichtig ist wie das Essen selbst. 

Ein Konzept, das ankommt, von 25 Besuchern beim ersten Termin im Mai 1998 ist die Zahl der Gäste mit den Jahren kontinuierlich gestiegen. Inzwischen kommen bis zu 160 Gäste pro Sonntag.
Damit es gelingt, sie alle gut und mit einer gewissen Auswahl zu verköstigen, erhalten die Frühstücksteams in den Gemeinden tatkräftige Unterstützung von der Aachener Geschäftswelt. Bäcker, Metzger und Gemüsehändler leisten Sachspenden und tragen Sorge, dass der Frühstückstisch stets reichhaltig gedeckt ist. 

Die Kirchen leisten mit ihrem Engagement für das „Aachener Sonntagsfrühstück“ seit einem Vierteljahrhundert einen wichtigen sozialen Dienst in Aachen. Entscheiden ist dabei die Gemeinschaft, denn alleine könnte das keine Gemeinde leisten, zusammen wird aktive christliche Nächstenliebe möglich.

Die konkrete Hilfe geschieht auf Augenhöhe. Betreut wird das Projekt der „Aachener Sonntagsfrühstücke“ von der Ökumenischen Cityseelsorge und der Franziska-Schervier-Stube. Koordiniert wird es seit 2009 von Klaus Szudra, Gemeindereferent in der Innenstadtgemeinde „Franziska von Aachen“.

Die Ökumenische Cityseelsorge gibt es als pastorales Arbeitsfeld seit Ende 1997. Der heutige Leiter der Fachstelle Exerzitienarbeit, Patrick Wirges, der damals als Pastoralreferent in diesem Bereich tätig war, hatte von einem Besuch in Nürnberg die Idee eines Frühstücks für Obdachlose mitgebracht. Zeitgleich stellte die damalige Leiterin der Franziska-Schervier-Stube, Schwester Maria-Ursula Schneider fest, dass die Schwestern mit ihrem Angebot zwar gut die Werktage abdecken konnten, nicht aber auch noch die Wochenenden.

Bei einem Regionaltag fanden beide Seiten zusammen und hoben gemeinsam mit anderen das Frühstück für Menschen ohne Obdach und in Notlagen aus der Taufe. Eine Erfolgsgeschichte, auch wenn das Angebot in den vergangenen Jahren schwierige Zeiten durchmachen musste. 

Neustart nach Corona

In der Corona-Zeit gab es - pandemiekonform - Frühstückstüten zum Mitnehmen. (c) Andrea Thomas
In der Corona-Zeit gab es - pandemiekonform - Frühstückstüten zum Mitnehmen.

Wie für so viele Angebote  markierte die Coronapandemie auch für das Sonntagsfrühstück einen harten Einschnitt. Wegen der entsprechenden Auflagen mussten die Verantwortlichen das Angebot im Frühjahr 2020 schweren Herzens vorübergehend einstellen.
Erst im Januar 2021 starteten einige Gemeinden erneut mit einer Essenausgabe unter Coronaschutzauflagen. Als kein Frühstück in den geschlossenen Räumen der Gemeinden möglich war, gab es Frühstückstüten zum Mitnehmen.

Inzwischen beteiligen sich wieder mehrere Gemeinden und Einrichtungen. Träger und Gastgeber vor Ort sind zurzeit die Gemeinden St. Jakob, St. Josef und Fronleichnam, Franziska von Aachen (mit  St. Andreas, Heilig Kreuz und dem „Breakfast Club“ der Zeitfenstergemeinde), die evangelische Christusgemeinde gemeinsam mit St. Gregor von Burtscheid und seit Neuestem die Katholische Hochschulgemeinde. In der Vergangenheit  haben sich bereits die evangelische  Anna-Kirchengemeinde, die Gemeinden St. Adalbert, St. Peter, St. Paul, St. Marien, St. Foillan, die Kolping-Gemeinschaft, die Jesuiten an St. Alfons, die Bahnhofsmission und das Aachener Domkapitel beteiligt.  

Lebendiger Schatz im Bistum Aachen

Blümchen und Kerze auf jedem Tisch - eine freundliche Atmosphäre ist den Teams wichtig. (c) Andrea Thomas
Blümchen und Kerze auf jedem Tisch - eine freundliche Atmosphäre ist den Teams wichtig.

 Ein Einsatz, der über die Jahre vielfach Würdigung und Wertschätzung sowohl im Bistum als auch aufseiten der Stadt Aachen erhalten hat. So würdigte der damalige Oberbürgermeister Jürgen Linden im März 2009 im Rahmen eines Empfangs im Rathaus den Einsatz für die „Aachener Sonntagsfrühstücke“ und ehrte die über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchengemeinden. Anlass war das 500. Sonntagsfrühstück.

2013 wurde das soziale Angebot von Lindens Nachfolger Marcel Philipp mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet.  Zwei Jahre später wurde das „Aachener Sonntagsfrühstück“ durch den Aachener Bischof und den Diözesanrat der Katholiken als „Lebendiger Schatz im Bistum Aachen“ ausgezeichnet.
Am 17. März 2019 gab es mit dem 1000. „Aachener Sonntagsfrühstück für Menschen in Not und Obdachlose“ im Adalberthaus ein eindrucksvolles Jubiläum.

Wenige Tage später wurde dieses Ereignis mit den ehrenamtlichen Helfern bei einem Empfang durch die Vertretung des Oberbürgermeisters im Rathaus und bei einem ökumenischen Gottesdienst und anschließendem Fest in der Citykirche gefeiert. Im September gab es anlässlich des Silberjubiläums einen ökumenischen Gottesdienst mit anschließendem Empfang an gleicher Stelle in der Aachener Citykirche.