Mehr als „Töne abliefern“

Der Chor an St. Laurentius ist seit 1874 eine starke Gemeinschaft, musikalisch und zwischenmenschlich

Auftakt zum Jubiläumsjahr war ein weihnachtliches Konzert in der Kirche St. Laurentius mit dem Kammerorchester der Gemeinde. (c) Chor St. Laurentius
Auftakt zum Jubiläumsjahr war ein weihnachtliches Konzert in der Kirche St. Laurentius mit dem Kammerorchester der Gemeinde.
Datum:
12. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2024 | Andrea Thomas

150 Jahre – und noch kein bisschen in die Jahre gekommen, so präsentiert sich der Chor an St. Laurentius in Aachen-Laurensberg zu seinem Gründungsjubiläum. Worin liegt das Geheimnis, als Chor so lange so lebendig zu bleiben? – Die Antwort darauf ist vielschichtig. 

Blick in das umfangreiche, mehrere Schränke füllende Notenarchiv. (c) Andrea Thomas
Blick in das umfangreiche, mehrere Schränke füllende Notenarchiv.

Gegründet wurde der Chor am 17. Mai 1874 in der Dorfschule von Laurensberg von neun namentlich genannten Gemeindemitgliedern und dem damaligen Lehrer und Organisten Johann Cohen. Quasi auf kirchlichem Boden, denn das damalige Schulgebäude war an den Turm der Kirche St. Laurentius angebaut.

Heute ist dort die Pfarrbücherei. Durch politisch und gesellschaftlich wechselvolle Zeiten hindurch entwickelte sich auch der Chor weiter. Bis zum Zweiten Weltkrieg als reiner Männerchor, dann kamen, weil die Männer größtenteils im Krieg waren, die Frauen dazu. Und die wollten mehr als „Lückenfüllerinnen“ sein: „Als die Männer aus dem Krieg und aus der Gefangenschaft zurückkamen, wollten die uns Frauen rauswerfen. Das haben wir nicht mit uns machen lassen“, erzählt Maritta Neuß, eine der resoluten Sängerinnen von damals und aktives Ehrenmitglied. Ab da war der Chor von St. Laurentius ein gemischter. 

Als eines der prägenden Ereignisse für die folgenden Jahrzehnte machte der langjährige Vorsitzende des Chors, Petrus Rick, anlässlich des 150. Stiftungsjubiläums im Januar das Zweite Vatikanische Konzil aus. Mit seiner Liturgiereform habe es auch die „musica sacra“ erneuert.

Ebenso einschneidend die Wiedervereinigung und die damit verbundene Vision 
eines immerwährenden Friedens. Ein Trugschluss, und auch die Kirche ist inzwischen keine feste Burg mehr. Petrus Rick lenkte den Blick auf den Chor und „auf das, was wir tun mit unserer ‚musica sacra‘, was wir sind und bewirken“: Musik hilft bei der Lebensbewältigung. Kirchenmusik tue sogar noch ein wenig mehr, sie öffne die Tür „für eine rational nicht greifbare Wahrheit.“ Dazu komme der soziale Aspekt, die Gemeinschaft ganz unterschiedlicher Menschen, die die Liebe zur (geistlichen) Musik zusammenführt. Er verweist auf die Bibelstelle „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“. Demnach sind sie als Chorgemeinschaft bei jeder Probe und jedem Konzert auch ein Ort von Glaubensverkündigung: „Wir leben Kirche, ja wir sind Kirche“, fasst Petrus Rick es zusammen.

Ein Stück Verkündigung

Bei den Proben können die Sängerinnen und Sänger den Alltag zwei Stunden hinter sich lassen. (c) Andrea Thomas
Bei den Proben können die Sängerinnen und Sänger den Alltag zwei Stunden hinter sich lassen.

Im Jubiläumsjahr leben das gut hundert Sängerinnen und Sänger quer durch alle Altersstufen. Seit 39 Jahren unter der Leitung von Kantor Gregor Jeub, der sie fördert und fordert. Für ihn ist Musik „ein großes Stück Verkündigung“. Die Texte der Stücke, die sie sängen, setzten in Verbindung mit den Tönen Gedanken frei, die nachklängen. Was „seinen“ Kirchenchor ausmacht, ist für ihn die Zweipoligkeit von Musik und Gemeinschaft. Die ermögliche auch die gesanglichen Leistungen auf beachtlichem Niveau. Das sie in den von ihnen mitgestalteten festlichen Messen und ihren Konzerten unter Beweis stellen sowie mit anspruchsvollen Werken. Das reicht von Händels „Dettinger Te Deum“ über die „Johannespassion“ und das „Weihnachtsoratorium“ von Bach zu Mozarts „Requiem“ oder Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Elias“.

 

Musikalisch unterstützt wird der Chor dabei von den anderen Ensembles und Chören von St. Laurentius, wie dem Kammerorchester St. Laurentius mit 40 und dem Jungen Chor „canto@campum“ mit 30 Mitgliedern. Immer wieder ist auch der etwa 50 Kinder starke Kinderchor bei Aufführungen mit dabei. All diese Gruppen haben mit Gregor Jeub als Leiter eine gemeinsame Klammer, was das musikalische Miteinander intensiver macht. Das Orchester begleitet den Chor nicht nur bei Konzerten in und um Aachen, sondern geht auch mit auf Konzertreisen. Das seien immer Erlebnisse, von denen alle zehrten, sagt Petrus Rick. „Das befruchtet sich gegenseitig und ist vielleicht unser Geheimnis“, sagt Gregor Jeub mit einem Lächen.

Ein Weiteres ist sicherlich, dass sie eine gute Gemeinschaft sind. Sei es bei den Proben oder bei gemeinsamen Aktivitäten. So werden beim jährlichen Stiftungsfest nicht nur Chormitglieder sondern auch Instrumentalisten des Kammerorchesters und Mitglieder des „canto@campum“ geehrt. „Was uns ausmacht, ist die Gemeinschaft über Generationen hinweg. Gemeinsam zu singen, transportiert Emotionen. Wir liefern nicht einfach nur unsere Töne ab“, beschreibt es Monika Debye. Mitsängerin Hildegard Erger drückt es so aus: „Chor bedeutet runterkommen vom Tag. Die anderen Chormitglieder fangen Stimmungen auf, und man kann bei der gemeinsamen Probe den Alltag abschütteln.“ 

Info

(c) Andrea Thomas

Höhepunkte des Jubiläumsjahres sind: Eine sechstägige Konzertreise mit dem Kammerorchester nach Dresden, wo der Chor mit Solisten in der Hofkirche Mozarts „Krönungsmesse“ und in der Herz-Jesu-Kirche den „Messias“ von Händel aufführt. Den bringen Chor und Orchester auch bei ihrem Jubiläumskonzert am Sonntag, 17. November, um 17 Uhr in Aachens Krönungssaal zu Gehör. Hier soll ihnen auch die Palestrinamedaille des Deutschen Cäcilienverbandes verliehen werden.