Mehr als Steine

Schleckheim feiert 375 Jahre Kapelle und 550 Jahre Brüsseler Retabel

Über die Jahrhunderte ist aus dem  ursprünglichen Kapellchen eine kleine Kreuzkirche geworden. Neben Gottesdiensten finden hier unter anderem alle zwei Monate Filmabende statt. (c) Peter Esser
Über die Jahrhunderte ist aus dem ursprünglichen Kapellchen eine kleine Kreuzkirche geworden. Neben Gottesdiensten finden hier unter anderem alle zwei Monate Filmabende statt.
Datum:
8. Aug. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 32/2023 | Andrea Thomas

Wie lebendig kirchliches Leben ist, lässt sich nicht an der Größe des Kirchturms bemessen, um den herum es sich abspielt. So wie in der Kapellengemeinde Schleckheim im Süden von Aachen. Seit 377 Jahren bildet die Kapelle zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit den Mittelpunkt des dörflichen (Glaubens-)Lebens.

Vom 20. bis 27. August soll das 375. Jubiläum ihrer Kapelle, das Pandemieopfer wurde, groß nachgefeiert werden.

Der Altarraum der Kapelle. Über die Jahrhunderte hat sich auch der Innenraum mehrfach verändert. (c) Peter Esser
Der Altarraum der Kapelle. Über die Jahrhunderte hat sich auch der Innenraum mehrfach verändert.

Ein vielfältiges Programm der Interessengemeinschaft der örtlichen Vereine und des 2019 gegründeten Kapellenvereins soll das gar nicht einmal so kleine Gotteshaus – über die Jahrhunderte ist aus einem Kapellchen eine kleine Kirche geworden – ins rechte Licht rücken.

Das beginnt mit einem festlichen Hochamt und endet mit einem Kapellenfest fürs ganze Dorf. Einer der Höhepunkte wird „Kapelle im Licht“ werden. „Ab 22 Uhr soll es eine Lichterschau geben, bei der Bilder aus Schleckheim und Nütheim auf die Außenwand der Kapelle projiziert werden, untermalt von Orgelmusik“, berichtet Peter Esser, Schleckheimer und Mitglied des gemeinsamen Leitungsteams mit der benachbarten Gemeinde St. Rochus in Oberforstbach.  Gemeinsam sind sie Teil der GdG an der Himmelsleiter.

Um da nicht unterzugehen, braucht es die Identifikation mit den eigenen Wurzeln und Ideen. „Eigentlich gäbe es bei uns nach der Gottesdienstordnung nur am fünften Sonntag eines Monats eine Messe“, sagt Peter Esser. Will heißen: so gut wie nie.  

In Kooperation mit Oberforstbach gibt es alle zwei Monate eine Sonntagsmesse in der Schleckheimer Kapelle.

Das Brüsseler Retabel von um 1470 ist Schmuckstück in der Kapelle Schleckheim. (c) Andrea Thomas
Das Brüsseler Retabel von um 1470 ist Schmuckstück in der Kapelle Schleckheim.

An den anderen Wochenenden findet eine Wortgottesfeier statt, mal in Oberforstbach, mal in Schleckheim.  Zum kirchlichen und dörflichen Leben gehören die Dreifaltigkeitsschützenbruderschaft ebenso wie die Bigband Nütheim/Schleckheim und der ehemalige Kirchenchor, der inzwischen Kapellenchor heißt, sowie eine aktive Messdienerschar. Alle zwei Monate wird die Kapelle mit „Chapelle-Movie“ zum Kino, und als Einzige aus der GdG nehmen sie an der Aachener „Nacht der offenen Kirchen“ teil.

„Einig und dreifaltig ist der Herr. Ihm sei Lob, Ruhm und Ehre“, so die Übersetzung der lateinischen Inschrift über dem Eingang, die auch auf das Jahr der Erbauung der Kapelle 1646 verweist. Die Größe damals war die der Apsis einer kleinen Kirche. Das sollte sich über die Jahre ändern. Im Jahr 1868 wurde erstmals angebaut und die Kapelle nach Osten hin erweitert, um den Gottesdienstbesuchern Platz zu bieten, die zuvor draußen stehen mussten.

Die Bevölkerungszahl der Orte Nütheim und Schleckheim wuchs weiter, so dass der Platz erneut zu klein wurde, und im September 1933 begannen die Umbauarbeiten. Von der alten Kapelle blieb lediglich das 1868 angebaute Schiff. Der Neubau wurde zunächst nach Westen um ein Fenster verlängert, dann folgte ein Querschiff und ein Chorraum, so dass eine kleine Kreuzkirche entstand. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kapelle ohne größere Schäden. In den kommenden Jahren bereicherten ein Taufbecken, ein Beichtstuhl, eine Kanzel und eine Pfeifenorgel das Innere.

Die nächste größere räumliche Veränderung war die Umgestaltung des Chorraums im Zuge der Liturgiereform 1971. Die größte kirchliche Veränderung war die Verselbständigung der Kapellengemeinde 1976, die damit pfarrlich nicht mehr zu Kornelimünster, sondern zu Oberforstbach gehörte. 1992 wird renoviert und Platz geschaffen für eine neue Orgel an der Stirnwand des Chores. Der Altar wird auf eine Insel davor verlegt, und der historische Altaraufsatz wird im rechten Querschiff platziert.  

Wiederentdeckter Schatz

Ein Detail des Brüsseler Retabel von um 1470 mit seinen Schnitzereien. (c) Andrea Thomas
Ein Detail des Brüsseler Retabel von um 1470 mit seinen Schnitzereien.

Dieses „Brüsseler Retabel“ ist der besondere Schatz und Stolz der Schleckheimer Kapelle und mit gut 550 Jahren auch um einiges älter. Als 1802 im Zuge der Säkularisierung auch die Benediktinerabtei Kornelimünster aufgelöst wurde, kam der Altar der dortigen St. Gangolphikapelle hierher. Was für ein besonderes Stück sie da besitzen, war der Gemeinde lange nicht bewusst.

Im Zuge der Renovierung 1992 bekam auch das Retabel eine farbliche Auffrischung. Die Baldachine wurden als „Laubsägearbeiten“ abgetan und entfernt, das Schnitzwerk als „bäuerlich“ eingeschätzt und recht bunt angestrichen, Palmen und Berge ergänzt.  Anfang 2011 klingelte bei Peter Esser das Telefon. Das Aachener Couvenmuseum interessierte sich für ein wertvolles altes Retabel, das im Besitz der Gemeinde sein solle. Zunächst fiel es den Experten schwer, in dem bunten Teil (das im Übrigen auch nie bei der Bevölkerung Anklang gefunden hatte) eine wertvolle alte Schnitzerei zu erkennen. Die Baldachine, die Peter Esser wohlweißlich aufgehoben hatte, sorgten für Aufklärung.

Ein Beschlagzeichen ließ auf Brüsseler Herkunft von um 1470 schließen. Nach einigen weiteren Begutachtungen entschied der Kirchenvorstand, das Retabel in den Werkstätten des Landschaftsverbands Rheinland restaurieren zu lassen. Die Baldachine wurden wieder hergerichtet, die Bemalung so weit abgetragen, bis die Urbemalung weitgehend erreicht war. Dabei wurden auch Löcher gefunden, die darauf schließen lassen, dass das Retabel einmal Seitenflügel hatte.  Rund 70000 Euro kostete die Maßnahme, finanziert über Spenden und Patenschaften sowie die Unterstützung des Bistums, des Landschaftsverbands und der Stiftung Denkmalschutz. Seit 2015 hat es seinen Ehrenplatz im rechten Seitenschiff an der Westwand.

INFO

Die Feierlichkeiten zu 375 (+2) Jahren Kapelle zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit und 550 Jahren Retabel dauern vom 20. bis 27. August.
Das komplette Programm sowie weitere Informationen rund um das kleine Bauwerk gibt es auf der Internetseite des 2019 zum Erhalt der Kapelle gegründeten Kapellenvereins unter www.kapellenverein-schleckheim.de.