Eigentlich wollte Thorsten Falke (gespielt von Wotan Wilke Möhring) nach dem Tod seiner Kollegin eine Auszeit in einem Kloster nehmen. Doch als ein Priester bei einem Brand ums Leben kommt, findet sich in dessen Nachlass kinderpornographisches Material. Wurde der Brand absichtlich gelegt? Der Tatort „Schweigen“, der am 1. Advent um 20.15 Uhr (ARD) ausgestrahlt wird, ist zum Teil im Kloster Mariawald gedreht worden. „Ich betrachte die Zusage als Zeichen der Kirche, sich der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels nicht in den Weg stellen zu wollen“, sagt Regisseur Lars Kraume mit Blick auf die Dreharbeiten in der Eifel (Kritik Seite 38). Es ist das erste Mal, dass ein „Tatort“ von sexualisierter Gewalt gegen Kinder in der Kirche in der Kirche erzählt.
„Wir müssen überall dafür kämpfen, das Gerechtigkeit entsteht. Aber einfach die Institution zu verlassen, halte ich nicht für den richtigen Umgang“, sieht der Regisseur in Kirchenaustritten nicht das probate Mittel. Lars Kraume: „Diese Missbrauchstaten haben bevorteilt durch das System der Kirche stattgefunden. Man muss die Verbrechen aufklären und verhindern, dass weitere geschehen. Das ist die dringliche Aufgabe, und deshalb lässt sich der Widerspruch aushalten: Ich kann Katholik sein und einen Film über diese Verbrechen drehen.“
„Es ist ein emotional herausfordernder und mutiger Film, allein auf Grund des Themas, kein typischer Whodunit-Krimi, in dem am Ende ein Einzeltäter zur Strecke gebracht wird“, blickt Schauspieler Wotan Wilke Möhring laut Dossier auf die Dreharbeiten. Wotan Wilke Möhring: „Die Geschichte ist leider sehr nah an der Wirklichkeit.“
Für Matthias Katsch, Mitbegründer und Sprecher der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ und Mitglied der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, ist der Tatort „das Beste, was ich im fiktionalen Fernsehen zu katholischen Missbrauchsskandalen gesehen habe, seit wir im Jahr 2010 das Thema öffentlich gemacht haben“. Es habe ihn beeindruckt, wie es den Filmschaffenden gelungen ist, dieses komplexe Thema zu einer fiktiven Geschichte zu verdichten und auf den Punkt zu bringen. Katsch: „Am Anfang hatte ich die Befürchtung, dass die Geschichte auf ein Rachedrama hinauslaufen könnte. Aber die Opfer suchen in der Regel keine Vergeltung. Ich kenne keinen Fall, in dem ein Opfer an seinem Täter nach Jahren Rache geübt hätte.“
Frau Bölting, Sie sind Präventionsbeauftragte des Bistums Aachen, ist es eine richtige Entscheidung der Tatort-Macher, das Thema Kindesmissbrauch aufzugreifen?
Bölting: Ja, das ist richtig. Für die Prävention von sexualisierter Gewalt ist es notwendig, sich dem Thema zu stellen. Ein Tatort bietet Anlass für die Zuschauer, sich vertiefend zu informieren, wie Kinder und Jugendliche wirksam geschützt werden können.
Was können wir alle tun, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen?
Bölting: Sexualisierter Gewalt kann nur wirksam begegnet werden, wenn alle genau hinschauen und Grenzverletzungen, die auffallen, reflektieren und benennen. Dazu müssen wir alle lernen, über das Thema sprechen, damit Kinder und Jugendliche erzählen, wenn ihnen etwas passiert.
Als Folge aus den aufgedeckten Missbrauchsfällen besteht seit 2010 die Präventionsordnung in der katholischen Kirche Deutschlands. Prävention ist seitdem ein fester Bestandteil der täglichen Arbeit in Pfarrgemeinden und Einrichtungen, die alle ein Schutzkonzept und eine Präventionsfachkraft haben. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende, die Verantwortung für andere Menschen übernehmen, werden geschult. Es gibt eine Hotline (02 41/45 22 25) und eine Webseite: www.praevention-bistum-aachen.de.