Martinszug (vorerst) gerettet!

Martins-Verein Niederkrüchten sucht dringend Nachwuchs

(c) Ann-Katrin Roscheck
Datum:
2. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 44/2021 | ann-Katrin Roscheck

Es gibt Dinge, die gehören einfach zusammen: Apfelkuchen mit Sahne, Italien und die Pasta oder eben Sankt Martin und der Martinszug. 

Als Meike Lützkendorf feststellte, dass ihre Kinder nur noch wenig vom heiligen. Martin wissen, entschied sie sich, sich im Martins-Verein Niederkrüchten zu engagieren. (c) Ann-Katrin Roscheck
Als Meike Lützkendorf feststellte, dass ihre Kinder nur noch wenig vom heiligen. Martin wissen, entschied sie sich, sich im Martins-Verein Niederkrüchten zu engagieren.

Fast aber hätte Niederkrüchten in diesem Jahr die goldene Regel gebrochen und den lokalen Sankt-Martins-Zug für immer abgesagt. Denn der St.-Martins-Verein Niederkrüchten sucht seit vielen Jahren händeringend Nachwuchs und wird einfach nicht fündig. Sechs Familien sorgen nun in diesem Jahr erneut dafür, dass der Laternenumzug mit zwei Kapellen, einem Sankt Martin auf dem Pferd und einem anschließenden Feuer stattfinden und so christliche Tradition in der Gemeinde weitergelebt werden kann.

„Schon als Kind hat mich Sankt Martin total fasziniert. Wenn die bunten Fackeln die Dunkelheit zum Leuchten gebracht haben, war ich verzaubert“, erinnert sich Vorstandsmitglied Arndt Venten. „Ich wünsche mir für meine Kinder, aber auch für alle anderen Kinder hier in der Gemeinde, dass sie diesen Zauber ebenfalls erleben können. Dafür bin ich angetreten.“ Aber Ventens Kinder sind inzwischen fast schon aus dem Laternenalter herausgewachsen. Renate Knierim, die seit mehr als 20 Jahren im Verein wirkt, hat sogar schon Enkelkinder. „Natürlich möchte ich auch ihnen diese Erfahrung ermöglichen, aber eigentlich wäre es doch viel schöner, wenn junge Familien mit eigenen Kindern unseren Zug organisierten“, schildert sie.

Nachdem der Verein immer wieder in der Nachbarschaft herumrumfragte und Suchmeldungen nach weiteren Organisatoren veröffentlichte, stellten sie in der letzten Mitgliederversammlung ein Ultimatum: Sollte sich kein Nachwuchs finden, erklärte der Verein, würde er den Zug ab sofort einstellen.

Auch Meike Lützkendorf saß in der besagten Mitgliederversammlung. Selbst Mutter von 12-jährigen Zwillingsmädchen und einer Zweijährigen entschied sie sich, auf den Notruf zu reagieren und dem Vorstand beizutreten. „Sankt Martin ist eines der letzten christlichen Feste, das – anders als zum Beispiel Weihnachten oder Nikolaus – keine kommerzielle Note hat“, erklärt sie. „Hier stehen die Kinder mit ihren Fackeln und die Martinsgeschichte, die für die Werteentwicklung der Kinder so wichtig ist, allein im Vordergrund. Das möchte ich erhalten.“

Mehr als 50 Jahre Tradition hat der Martinszug in Niederkrüchten. Jetzt wäre er fast ausgefallen, weil der Verein keinen Nachwuchs findet. (c) Ann-Katrin Roscheck
Mehr als 50 Jahre Tradition hat der Martinszug in Niederkrüchten. Jetzt wäre er fast ausgefallen, weil der Verein keinen Nachwuchs findet.

Die Tradition des Niederkrüchtener Vereins reicht dabei weit in die 60er Jahre zurück. Damals wurde die Initiative aus den Reihen der Schulpflegschaft der ansässigen katholischen Grundschule gegründet. Schnell wurde der Martinszug zur festen Institution. Als Knierim vor rund 20 Jahren dazustieß, gab es nach dem Straßenzug und der Ausgabe der Martinstüten sogar noch ein großes Ortsfest mit einer Verlosung, Tanzmusik und Getränken. Immer kleiner wurde aber mit den Jahren das Interesse der zugezogenen Familien. „Zuletzt halfen uns Senioren, die durch die Nachbarschaft gezogen sind, um Gelder für den Zug zu sammeln und die Marken für die Tüten an die Kinder zu verteilen“, erklärt die Niederkrüchtenerin. „Aber irgendwann sind wir eben auch zu alt. Da können wir das nicht mehr.“

Einen großen Bruch erlebte der Verein außerdem, als sich die Grundschule irgendwann aus den Vorbereitungen für den Zug herauszog. Wurden die Martinstüten seit jeher gemeinsam mit Engagierten der Elternpflegschaft in den Räumlichkeiten der Schule gepackt, sagte diese aufgrund einer Überschneidung von Sankt Martin mit den Herbstferien vor rund vier Jahren die Unterstützung für einen Martinszug ab und kehrte dann nicht mehr als Unterstützer zurück, weiß Bernadette Lamvers zur erzählen: „Wir fanden dann im Pfarrhaus Unterschlupf, aber die helfenden Hände fehlen natürlich weiterhin.“

Sankt Martin sorgt für Gemeinschaft

Iris Meisel, Bernadette Lamvers, Renate Knierim, Meike Lützkendorf, Arndt Venten und Marcel Bässler organisieren den Martinszug in Niederkrüchten. (c) Ann-Katrin Roscheck
Iris Meisel, Bernadette Lamvers, Renate Knierim, Meike Lützkendorf, Arndt Venten und Marcel Bässler organisieren den Martinszug in Niederkrüchten.

Als Sammler haben sich in diesem Jahr auf der Mitgliederversammlung immerhin einige gemeldet. Auch Marcel Bässler, ebenfalls im Vorstand des Vereins und nach Niederkrüchten zugezogen, sammelt gemeinsam mit seiner Frau in der Nachbarschaft. „Sankt Martin sorgt für Gemeinschaft. Du lernst deine Nachbarn und deinen Wohnort noch einmal neu kennen“, schildert er. „Allein deswegen finde ich es wichtig, dass Bräuche gewahrt werden.“ Wenn der Zug und das Martinsfeuer am Niederkrüchtener Begegnungszentrum beendet sind, wird er anschließend im Garten gemeinsam mit anderen Nachbarsfamilien das Zusammensein bei Glühwein und Muzen genießen. Auch Meike Lützkendorf hat Familien aus der Klasse ihrer Töchter bereits eingeladen. „Das haben wir eingeführt, als sich meine Mädels darüber beschwert hatten, dass in der Grundschule keine Martinslieder mehr gesungen werden“, beschreibt sie. „Ich fände es schön, wenn die Schule sich wieder mehr für die Bräuche und Traditionen engagieren und ihre Mitarbeit rund um St. Martin erneut zusagen würde.“

Der Vorstand des Vereins wünscht sich außerdem, dass sich mehr Niederkrüchtener für ein ehrenamtliches Engagement im Brauchtum entscheiden. Grundsätzlich hoffen die Ehrenamtlichen aber auch, dass Martins-Vereine generell Nachwuchs finden und so auch in Zukunft Bräuche und Traditionen weitertragen können. „Am Ende sind es nur wenige Wochen Arbeit im Jahr, die doch so eine große Ausstrahlungskraft haben“, sagt Iris Meisel nachdrücklich. „Stellen Sie sich vor, dass Ihr Kind oder Ihr Enkelkind irgendwann nicht mehr weiß, was ein Martinszug ist – das wäre doch schrecklich, oder?“