Ruhestand – mit diesem Begriff konnte Agnes Simon nie wirklich viel anfangen. Schon früh war sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit ehrenamtlich aktiv, half dort aus, wo Unterstützung gebraucht wurde.
Als der Ruhestand dann anstand, fand die ehemalige Kassiererin in der Aachener Kreissparkasse ihre Berufung im Einsatz für die Patientinnen und Patienten des Krankenhauses Jülich.
Die Seniorin ist seit 27 Jahren Teil einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen, die den Patientinnen und Patienten genau das schenken, woran es heute immer öfter mangelt: Zeit.
„Ich bin das älteste Pferd im Stall“, sagt die 86-Jährige und muss lachen. Mit Bettina Speen (62), die früher als Arzthelferin im Haus gearbeitet hat, ist sie sozusagen Gründungsmitglied des Teams. Dritte im Bunde ist Monika Nießen, die Krankenschwester in Jülich war. „Als ich in Rente ging, haben meine Kolleginnen gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ehrenamtlich zu helfen. Da musste ich nicht lange nachdenken", sagt sie.
Seither kommt sie mehrmals in der Woche ins Krankenhaus, macht Besorgungen für die Patientinnen und Patienten, fährt und begleitet sie zu Untersuchungen im Haus und bietet ihre helfende Hand an „für alles, was sonst noch anfällt".
Ganz neu im Team sind Angelika Wutke (68) und Inge Willms (84). „Seitdem ich denken kann, habe ich schon neben der Tätigkeit im Büro ausgeholfen“, sagt Inge Willms. „Ich brauche Leute um mich herum.“
Vor einigen Jahren hatten sie und Agnes Simon schon bei der Jülicher Tafel zusammen gearbeitet. Bei einem Wiedersehen in der Stadt reifte bei der 84-Jährigen der Entschluss, das Team im Krankenhaus zu verstärken.
Über den Ehrenamtstag der Stadt Jülich lernte Angelika Wutke den ehrenamtlichen Dienst kennen. „Es hat mich fasziniert, denn jeder von uns kann krank werden. Und in den Krankenhäusern gibt es immer mehr Menschen, die dort komplett alleine sind. Weil sie keine Verwandten mehr haben oder die Kinder weit weg wohnen und nur einmal im Monat kommen können“, sagt sie.
Schnell war klar: Lange Probearbeiten müssen beide „Neuzugänge“ nicht, so gut hat ihnen die neue Aufgabe gefallen.
„Die Menschen freuen sich, wenn wir auftauchen“, weiß Bettina Speen. Jeder Besuch ist eine kleine Reise ins Ungewisse Agnes Simon und Bettina Speen kommen jeden Dienstag und Donnerstag ins Krankenhaus Jülich.
Wie viel Zeit jeder ins Ehrenamt investieren möchte, entscheiden die Teammitglieder selbst. Jede „gespendete“ Stunde Zeit ist ein Gewinn für die Patientinnen und Patienten. Und jedes Mal ist es eine kleine Reise ins Ungewisse. Denn nach der Absprache mit dem Pflegeteam gehen die beiden Frauen in die Patientenzimmer, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sie meist vorher nicht kannten.
Und doch gelingt es ihnen schnell, Vertrauen zu schaffen. „Wir hören zu“, nennt Bettina Speen das Rezept. „Die Menschen spüren, dass wir ihnen nichts verkaufen oder uns aufdrängen wollen, sondern nur ein offenes Ohr anbieten. Es ist schön, wie viele das gerne annehmen und beginnen, von sich erzählen."
Es können Gespräche über Krankheit, über Sorgen und Ängste sein. Über Gedanken, mit denen man die Angehörigen vielleicht nicht belasten möchte. Da tut es gut, sie einmal aussprechen zu können. Aber oft wird auch von den Kindern, den Enkeln, Hobbys und Urlaub oder das Leben an sich erzählt.
Und manchmal bedarf es auch keiner großen Worte. „Dann sind wir einfach nur da, halten eine Hand und spüren, wie gut das dem Patienten tut“, sagt die 86-Jährige, die nach entsprechenden Fortbildungen auch in der Sterbebegleitung aktiv ist.
„Ich bin in sehr vielen Vereinen zuhause, war immer unter Leuten, habe keine Angst, auf Menschen zuzugehen“, sagt Agnes Simon, die bei Bedarf auch Platt redet. „Damit nehme ich manchen Patienten schon die Angst, sie fühlen sich geborgen“, sagt sie.
Ins „kalte Wasser“ geworfen wird bei diesem Ehrenamt selbstverständlich niemand. Neue Teammitglieder werden an die Hand genommen und Schritt für Schritt eingearbeitet, es gibt Schulungen für das Team und niemand muss beispielsweise Gespräche führen, für die er oder sie (noch) nicht bereit ist.
„Selbstverständlich reden wir auch mit den Menschen über die Krankheiten, wenn sie es denn möchten“, sagt Agnes Simon. Bettina Speen und Monika Nießen wissen aus ihrer eigenen beruflichen Erfahrung, dass neben allen pflegerischen und organisatorischen Aufgaben und Pflichten leider oft kaum noch Zeit für das Zwischenmenschliche bleibt – und welche wichtige Rolle das ehrenamtliche Team bei dieser Aufgabe spielen kann.
„Ich finde es wichtig, sich menschlich einzubringen. Wir können dieses Gesundheitssystem unterstützen, indem wir hingehen und die Pflegekräfte unterstützen, uns darum kümmern, was zwischen Personal und Patient zu kurz kommt, weil einfach Zeit fehlt. Mir ist es im Leben immer gut ergangen – so kann ich etwas zurückgeben“, erklärt Angelika Wutke ihre Motivation, regelmäßig den ehrenamtlichen Dienst im Krankenhaus Jülich anzutreten.
Ein Dienst im Zeichen der Nächstenliebe.
Das Team vom ehrenamtlichen Dienst des Krankenhauses Jülich freut sich über weitere Verstärkung. Freude daran, mit Menschen zu sprechen, Empathie und Zeit – das sind die einzigen Voraussetzungen, die Interessierte mitbringen sollten.
Um die Arbeit besser kennenzulernen, kann unverbindlich ein „Probetag“ verabredet werden. Wer Interesse hat, ist herzlich eingeladen, sich bei Josa Jansen-Stankewitz unter 02461/6205700 zu melden.
Besonders würden sich die aktuell ausschließlich weiblichen Teammitglieder über einen Kollegen freuen.