Malen mit Glas

Ein neues Buch feiert eine permanent unterschätzte Kunstform

Ein Feuerwerk der Farben: Ausgießung des Hl. Geistes (l.) und die Verherrlichung des Kreuzes von Ernst Otto Köpke in der Kreuzkirche, Düsseldorf-Pempelfort. (c) B. Kühlen Verlag
Ein Feuerwerk der Farben: Ausgießung des Hl. Geistes (l.) und die Verherrlichung des Kreuzes von Ernst Otto Köpke in der Kreuzkirche, Düsseldorf-Pempelfort.
Datum:
4. Aug. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 31/2021 | Garnet Manecke

Das Buch „Moderne Glasmalerei Düsseldorf“, das gerade im B. Kühlen Verlag erschienen ist, ist eine Hommage an ein wenig wertgeschätztes Genre in der Kunst. Studierende des Instituts für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität haben die Kirchenfenster in Düsseldorfer Gotteshäusern untersucht und eingeordnet. Arbeiten vieler der darin beschriebenen Künstler finden sich auch in Kirchen im Bistum Aachen. 

Mal ehrlich: Wann schauen Sie sich die Fenster in einer Kirche an? Wenn Sie eine Kirche alleine besichtigen? Oder doch eher, wenn Sie bei einer Führung auf die Fenster und ihre Besonderheiten aufmerksam gemacht werden? Während sakrale Kunstwerke wie Heiligendarstellungen, Gemälde oder Gefäße in der Regel eine hohe Aufmerksamkeit genießen und als Kunst wahrgenommen werden, führen Werke der Glasmalerei ein Schattendasein. Nur dann bekommen sie die Aufmerksamkeit des Publikums, wenn sie in Büchern beschrieben werden oder das Tageslicht mit ihren Farben Muster auf Kirchensäulen, -böden und -wände malt. Das  zu ändern, ist ein Ziel des Buches.

Es ist ein gewichtiges Werk, das man da in den Händen hält. Nicht nur, weil das Buch 2100 Gramm schwer ist. Inhaltlich liest es sich wie ein Who’s Who der Kunst und insbesondere der Glasmalerei: Georg Meistermann, Wilhelm Buschulte, Ludwig Schaffrath, Hubert Spierling, Joachim Klos, Anja Quaschinski, Heinz Mack und viele andere international bekannte Künstler sind vertreten. Bevor das Buch jedoch zur Beschreibung ihrer Werke kommt, gibt es erstmal einen Einblick in das Wesen und die Techniken der Glasmalerei – inklusive einer deutlichen Kritik an der mangelnden Wertschätzung dieser Kunstform.

Ein Punkt, der im Bistum Aachen auch in vielen Kirchen, die aufgegeben werden, zu beobachten ist: Während Gemälde, Skulpturen und andere Kunstwerke aus den Kirchen getragen und aufbewahrt werden oder in anderen Kirchen Verwendung finden, werden die Kirchenfenster nicht für die Nachwelt erhalten. Ob beim Abbruch der alten Kirchen in den Umsiedlungsdörfern des Tagebaus wie zum Beispiel des Immerather Doms bei Erkelenz oder bei der Umwidmung zu einer profanen Nutzung: Die Kirchenfenster werden zerstört oder verschwinden häufig hinter neu eingezogenen Wänden.
Aber auch in Kirchen, die noch regelmäßig für Gottesdienste genutzt werden, werden sie häufig geradezu stiefmütterlich behandelt und allenfalls bei einer Sanierung fachgerecht gereinigt. Dabei lohnt ein Blick auf die Fenster, die früher den Gläubigen, die nicht lesen und schreiben konnten, die biblischen Geschichten nahe brachten.

Die Wirkung der Werke hängt auch von der Intensität des Tageslichts ab

Wilhelm Buschulte schuf dieses Fenster in der Kapelle von St. Apollinaris in Düsseldorf-Oberbilk. (c) B. Kühlen Verlag
Wilhelm Buschulte schuf dieses Fenster in der Kapelle von St. Apollinaris in Düsseldorf-Oberbilk.

Bei der Beschreibung der Werke geht das Buch von den Künstlern und Künstlerinnen aus, die in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt werden. Jeder Text wird mit einer Kurzbiografie eingeleitet, danach folgen die Beschreibungen der Werke in den verschiedenen Kirchen, die auch in Fotos gezeigt werden.

Schon in der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass die Fotos die Strahlkraft der Werke nur begrenzt wiedergeben können. Denn die Wirkung hängt auch von der Intensität des Tageslichts ab. Bei Sonne strahlen die Farben intensiver und geben den Kirchen oft eine geradezu mystische Atmosphäre. Ist es eher bedeckt, wirken die Arbeiten wie helle Gemälde, die durch die Transparenz des Glases ihre Mehrdimensionalität erhalten.
Das Buch macht Lust, sich auch im Bistum Aachen aufzumachen, um die Werke der Glasmalerei in den hiesigen Kirchen zu entdecken. Denn viele Künstler, die in diesem Buch vertreten sind, haben international gearbeitet und so auch im Bistum Aachen eindrucksvolle Spuren hinterlassen.

Gottfried Böhm zum Beispiel, dessen Fensterwand mit Blütenkaskaden in St. Konrad (Neuss-Gnadental) im Buch vorgestellt wird. In Mönchengladbach hat  der am 9. Juni 2021 verstorbene Architekt die Außenanlagen der ehemaligen Klosterkirche St. Kamillus im Zuge der Umbauten zum Kolumbarium weiterentwickelt. Ursprünglich hatte sein Vater Dominikus Böhm das Ensemble mit drei Gebäuden (Kloster, Kirche und ehemaliges Krankenhaus) im Auftrag des Kamillianerordens konzipiert und gebaut. Die einleitenden Kurzbiografien konzentrieren sich auf die grundsätzlichen Informationen zu den Künstlern und regen dazu an, sich mit ihnen zu beschäftigen.

Wie die Begegnung mit Böhm kann man in den Regionen viele solcher interessanter Treffen erleben – auch an Orten, wo man das vielleicht nicht erwarten würde. Wilhelm Buschulte zum Beispiel ist in Heinsberg zu finden. Die Herausgeber des Buches, Reinhard Köpf und Jürgen Wiener, benennen ihn als einen der „sechs der international gefeierten Magnificient Seven („Glorreichen Sieben“) der deutschen Glasmalereiszene“, die in Düsseldorf lebten. Fenster von ihm zieren  St. Gangolf in Heinsberg und die Münster-
basilika Mönchengladbach.

Nur wenige Schritte neben der Münsterkirche steht St. Mariä Himmelfahrt, in der Fenster von Joachim Klos sind. Mit diesen Fenstern feierte der 2007 in Nettetal verstorbene Künstler 1959 seinen Durchbruch in der Glasmalerei-Szene. Zusammen mit Georg Meistermann erhielt er dafür den Preis für das beste Glasbild des Jahres. Klos studierte in den 1950er Jahren an der Werkkunstschule Krefeld und unterrichtete von 1974 bis 1983 als Kunstlehrer am Gymnasium in Nettetal. Es sind diese Details in den kurzen Biografie-Texten, die den Lesenden die Künstlerinnen und Künstler so nahe bringen.

Mit viel Liebe zum Detail wurde in über  100 Gemeinden zu den Arbeiten geforscht

Was auffällt: In dem Buch steckt viel Liebe zum Detail. In über 100 Gemeinden in Düsseldorf und der direkt benachbarten Region haben die Studierenden dafür geforscht. Und so gibt es eine ausführliche Begegnung mit den Arbeiten von EO (Ernst Otto) Köpke, von dem auch einige Fenster in St. Lambertus Erkelenz stammen. Bei einem Besuch in der Hauptkirche der GdG Christkönig Erkelenz begegnet man noch einem anderen Star der Glasmalerei: Hubert Spierling. Der arbeitete übrigens ab 1954 als freier Künstler in Krefeld, wie man weiter erfährt. Dass er in der Seidenstadt, in der er an der Werkkunstschule ausgebildet wurde, auch in der Textilkunst tätig war, verwundert da nicht. Zu seinen Arbeiten gehören auch die Fenster der transportablen Zeltkirche St. Hubertus in Krefeld.

Das Buch zeigt, dass die Kritik an der geringen Wertschätzung für diese zerbrechliche Kunstform, die sich in der allzu leichten Zerstörung zeigt, durchaus berechtigt ist. Auch wenn die Abbildungen der Fenster richtigerweise als Momentaufnahmen bezeichnet werden, zeigen sie doch, wie vielschichtig die Arbeiten sind. Ein Buch, das den Blick auf eine unterschätzte Kunstform schärft. 

„Moderne Glasmalerei Düsseldorf – Glasfenster und ihre Künstler“ von Jürgen Wiener und Reinhard Köpf (Hg.), erschienen im B. Kühlen Verlag, 378 Seiten mit farbigen Abbildungen, 79 Euro