Mahnung an uns alle

Bischof Helmut Dieser und Weihbischof Karl Borsch besuchten die Gedenkstätte Auschwitz

(c) Alexey Soucho/unsplash.com
Datum:
16. Aug. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 33/2023

Der Name Auschwitz ist ein Symbol für die bis heute unfassbare fabrikmäßige Ermordung von Menschen. Bischof Helmut hat die heutige Gedenkstätte im polnischen Oswiecim in der vergangenen Woche besucht. Wie er diesen Besuch erlebt hat:

(c) Bistum Aachen

Vom 8. bis 10. August 2023 habe ich in einer kleinen Reisegruppe den Aachener Priester Pfarrer Dr. Manfred Deselaers, Oswiecim/Auschwitz besucht.
Pfarrer Deselaers arbeitet dort seit vielen Jahren am Zentrum für Dialog und Gebet, das nach der friedlichen Revolution in Polen in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau errichtet wurde.

Der Ort der unfassbaren Verbrechen und der Vernichtungsmorde an mehr als 1,5 Millionen Menschen, vorwiegend Juden, ist heute eine Gedenkstätte. 
Sie zu besuchen bedeutet zum einen, die Last der Geschichte unseres eigenen deutschen Volkes auf sich wirken zu lassen, und zum andern, die dauernd aufkommende Frage zu spüren: Wäre ich unter Diktatur und Gewaltherrschaft fähig, der Logik von Überlegenheitsideologien, Abwertungen und Entwertungen, Selektionen, Entwürdigungen und ausufernden Grausamkeiten bis zum Vernichtungswillen zu widerstehen? 
Auschwitz ist keine Kulisse eines Horrorfilms, sondern realer Tatort: Alles, was dort gezeigt wird, ist wirklich geschehen. Unzählige Menschen wurden dort in den Jahren 1940–1945 ihrer Persönlichkeit beraubt, ausgebeutet, gequält, entwürdigt, verhöhnt und in einen fabrikmäßig organisierten Tod geschickt.

Alle diese Eindrücke kann ich nur als Glaubender verarbeiten. Es ergab sich, dass unser Besuch in der Gedenkstätte am Namenstag der heiligen Theresia Benedicta a Cruce, Edith Stein, stattfand. Sie und in ähnlicher Weise der heilige Maximilian Kolbe wurden in Auschwitz für uns ansichtig als Personen, die alle diese entmenschlichenden Qualen der Nazis dort erleiden mussten und doch nicht daran zerbrochen sind.

Sie konnten glauben, dass ihre Leiden und ihr Tod nicht sinnlos seien und dass sie nicht vernichtet würden, weil Gott nicht vernichtet werden kann.

Beide Heilige sind ein Beispiel für die Hoffnung, zu der Menschen fähig sind.
Es gibt viele Stellen in Auschwitz, die mich zu einem stillen Beten angeregt haben: die Lagerbaracken, der Appellplatz, der Galgen, die Erschießungswand, die Folterkeller, die Blocks, in denen pseudomedizinische Menschenversuche durchgeführt wurden, die Selektions-Bahnrampe, die Gaskammern und die Krematorien. 
Gebe Gott, dass alle, die dort gelitten haben, zum Ziel der Hoffnung gelangen, an der Edith Stein, Maximilian Kolbe und viele andere, die Gott kennt, festhalten konnten!

Bischof Dr. Helmut Dieser

Edith Stein (Teresia Benedicta a cruce)

Edith Stein_von Unbekannt (Cologne Carmel Archives) [Public domain], via Wikimedia Commons (c) Wikimedia Commons
Edith Stein_von Unbekannt (Cologne Carmel Archives) [Public domain], via Wikimedia Commons

Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 in Wrocław (Breslau) geboren. Sie entstammte einer wohlhabenden jüdischen Groß- und Holzhändlerfamilie. 1922 konvertierte sie zum Christentum. 1923 beschloss Stein Lehrerin an der Lehrerinnenausbildungsanstalt der Dominikanerinnen von Sankt Magdalena in Speyer zu werden und setzte sich zudem für die Emanzipation ein. Im Jahre 1932 wurde sie zur Dozentin für wissenschaftliche Pädagogik an der Universität Münster ernannt, verließ die Universität aber ein Jahr später aufgrund der Machtergreifung Hitlers wieder, um die Leitung und Mitarbeiter der Universität nicht zu gefährden. Stattdessen trat sie 1933 in das Kölner Karmelitinnenkloster ein, wo sie den Namen Teresia Benedicta a cruce annahm.

Im Kloster schrieb sie viele Briefe an Papst Pius XI. und bat diesen um eine Stellungnahme bezüglich der Zustände im nationalsozialistischen Deutschland. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 musste Edith Stein das Kloster verlassen, weil die Priorin ihre jüdischen Wurzeln an die Nationalsozialisten verriet. Daraufhin floh Edith Stein.

1942 verhaftete die Gestapo Edith Stein. Kurz nach ihrer Verhaftung wurden sie in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht und unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet. „Komm, wir gehen für unser Volk“, soll Edith vorher zu ihrer Schwester Rosa gesagt haben.

1987 wird Edith Stein selig gesprochen, 1998 erfolgt die Heiligsprechung. 1999 wird sie zusammen mit Birgitta von Schweden und Katharina von Siena zur Patronin Europas erklärt. Ihr Gedenktag ist der 9. August.

Bischof Dieser und Weihbischof Karl Borsch in Oswiecim

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