Die Schöpfung zu bewahren ist ein Auftrag, den jede Generation hat. Bei Protesten gegen
den Tagebau Garzweiler wird das in den Gottesdiensten immer wieder gefordert. Was hier im großen Stil passiert, geschieht im Alltag aber immer wieder im Kleinen. Warum es für den Menschen überlebenswichtig ist, damit im Kleinen anzufangen.
Wenn man von St. Elisabeth Mönchengladbach-Eicken die Straße Richtung Süden hinunter geht bis zur zweiten Querstraße, kommt man an das Tor zum Paradies. Oder besser: dem gerade entstehenden Paradies. Aus der ehemaligen Brache hinter dem Eisentor an der Konzenstraße wird der erste Essbare-Wildkräuter-Park in Deutschland (Ewilpa). „Wenn man im kommenden Frühjahr das Tor aufmacht, wird es hier summen von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen“, sagt Meike Koppmann, die Initiatorin. Sie hat das Grundstück gepachtet und legt den Park gerade an. Aber es geht nicht nur um den Wuchs der Kräuter. „Das entwickelt sich zu so viel mehr“, sagt Koppmann. Ständig lerne sie hier interessante Menschen kennen, die mithelfen oder einfach neugierig sind. Menschen zusammenzubringen ist eine wichtige Funktion des Parks.
Was jetzt noch zufällig geschieht, soll später gezielt stattfinden. Ein Tastgarten für Blinde wird hier entstehen. Kindergartengruppen und Schulklassen sollen hier lernen, warum sich unter der Totholzhecke an der niedrigen Mauer Molche wohl fühlen und Igel den Reisighaufen als Wohnung bevorzugen. Alte Menschen mit Demenz sollen hier die Natur erleben können und junge erfahren, wie sich unsere Vorfahren aus der Natur ernährt haben.
Mit ihrem Projekt erregt Meike Koppmann Aufsehen: Ein Wildkräuterfeld mitten in der Stadt, auf dem jede Pflanze wachsen kann, wie es ihre Natur ist, und Tiere sich ansiedeln können. Allein das ist schon ungewöhnlich angesichts der versiegelten und
bebauten Flächen rings um den Park. Dieser Gegensatz und die Begeisterung für das Projekt, ja, dass es dieses Projekt überhaupt gibt, ist auch ein Zeichen dafür, dass der Mensch die biblischen Worte „Füllt die Erde und unterweft sie euch“ (Gen 1,28) gründlich missverstanden hat.
Zwar ist der Mensch das einzige Lebewesen auf der Erde, das logisch und vorausschauend denken kann, das komplexe Technologien entwickelt und in der Historie forscht. Dieser Vorteil gibt ihm Macht über andere Lebewesen. Was aber oft vergessen wird: Macht bedeutet auch Verantwortung. Sich die Erde zu unterwerfen, heißt, Verantwortung für die Schöpfung zu haben – auf allen Ebenen.
Das fängt im Kleinen an: „Wer einen Garten hat, hat Verantwortung für die Natur übernommen“, mahnt der Heilpflanzen-Experte Wolf-Dieter Storl immer wieder an. Denn was viele vergessen: Auch der Mensch ist Teil dieser Natur. Schottergärten, Pestizide auf Feldern, Massentierhaltung, Plastikmüll in Meeren, kleinste Kunststoffpartikel im Wasser: All das arbeitet gegen die Natur und damit auch gegen den Menschen.
Dass ein breiteres Umdenken im Umgang mit der Schöpfung langsam einsetzt, ist ein positives Zeichen. Die bienenfreundliche Blumenwiese, die im Mai vergangenen Jahres im Garten des Pfarrhauses von St. Michael Holt angelegt wurde, ist so ein Beispiel. Oder die Kurse für Kräuterführungen der Familienbildungsstätte. Die vielen Seminare und Kurse des Katholischen Forums für Erwachsenenbildung zu erneuerba-ren Energien, Plastikvermeidung, Ressourcenschonung oder Energieeffizienz gehören ebenfalls dazu.
In den Ferienfreizeiten der katholischen Jugendarbeit gehört der Bau von Insektenhotels inzwischen zum Standardprogramm. Vor allem den Wildbienen soll so ein Ort für ihre Brutpflege gegeben werden. Denn mit dem großen Bienensterben dämmert es den Menschen allmählich, dass er zwar die Welt nach seinen Wünschen umbauen kann, die Natur ihm aber Grenzen setzt. Wenn zum Beispiel Bienen aussterben, hat auch der Mensch ein massives Problem: Denn ohne die Arbeit der Insekten gibt es keine Ernten. Gleiches gilt übrigens auch für den Regenwurm. „Unterwerft Euch die Erde“ heißt eben auch: Respektiert auch die Kleinsten und vermeintlich unwichtigsten Lebewesen.
Die Natur lässt sich vom Menschen nicht beeindrucken. Wo immer er sich zurückzieht, nimmt sie den Raum schnell ein. Auf dem Gelände des ehemaligen Militärflughafens in Wildenrath oder auf dem Areal des früheren Nato-Hauptquartiers in Rheindahlen ist das gut zu beobachten. Straßen, die früher zweispurig waren, sind nun nur noch schmale Wege. Überlässt man Gebiete, zu denen der Mensch keinen Zugang mehr hat, sich selbst, siedelt sich dort eine Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen an, von der sogar Biologen und Umweltschützer immer wieder überrascht sind.
Diese heilende Kraft der Natur spürt auch der Mensch in vielfältiger Weise. Sei es durch Heilpflanzen, die bei verschiedenen Beschwerden helfen, oder einfach durch die beruhigende Wirkung von plätschernden Bächen und dem Rauschen der Baumkronen im Wind. Der Mensch kann nicht ohne sie leben, weil er Teil von ihr ist. Das zu vergessen, ist lebensgefährlich.