Lösung mit „KuK“

Wie ein Gymnasium mit Overbacher Geist die Digitalisierung meistert

Die Idee ist aus dem Kollegium selbst gewachsen: Die Lehrerinnen und  Lehrer drücken bei den Kolleginnen und Kollegen die Schulbank. (c) GHO
Die Idee ist aus dem Kollegium selbst gewachsen: Die Lehrerinnen und Lehrer drücken bei den Kolleginnen und Kollegen die Schulbank.
Datum:
5. Jan. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 01/2021 | Dorothée Schenk

Dienstags und mittwochs drücken im Gymnasium Haus Overbach (GHO) nicht die Lernenden, sondern die Lehrenden die Schulbank. In Jülich-Barmen steht dann für sie unter dem Motto „KuK helfen KuK“ Digitalisierung auf dem außerordentlichen Unterrichtsplan. Im Klartext heißt das: Kolleginnen und Kollegen helfen Kolleginnen und Kollegen. 

Die Zauberworte in der Pandemie lauten „Distanzunterricht“ und „digitale Schule“. Für die Umsetzung ist im ersten Schritt die technische Ausstattung wichtig. Für sie 
haben Bundes- und Landesregierung reichlich Gelder im Programm „Gute Schule 2020“ und im sogenannten Digitalpakt freigemacht, die vom Gymnasium Haus Overbach dankend in Anspruch genommen wurden. Das Kollegium ist vollständig mit Tablets ausgestattet. Aber die Erkenntnis war dann nur einen Klick entfernt: Die beste Ausstattung nützt nichts, wenn die Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen, aufgrund fehlender Detailkenntnis nicht ausgeschöpft werden können. Von einer gelingenden Vermittlung an die Schülerinnen und Schüler ganz zu schweigen.

Medienkompetenz – also nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Lehrerinnen und Lehrer – ist darum ein wichtiger Baustein. Stephanie Kroesen und Vanessa Odinius sind die Köpfe der Arbeitsgemeinschaft Medienkompetenz, die sowohl die Schülerinnen und Schüler und „KuK“ betreuen. 

Wichtig sei die Erkenntnis, dass die Nutzer mehr sein können als nur Konsumenten, sondern mit dem I-Pad als Arbeitsgerät aktiv etwas tun, etwas gestalten, produktiv werden können. Das birgt für die Lernenden und Lehrenden auch einen Spaßfaktor, der motiviert: Neben Text- und Bildbearbeitung können Videoclips gedreht und mit Tonspur versehen werden. Das Erarbeitete wird nicht mehr per Plakat, sondern digitaler Pinnwand den Mitschülerinnen und -schülern vorgestellt. „Man hat viel mehr Möglichkeiten, die Lerninhalte aufzubereiten, als auf dem Papier, und es lässt einen weiter denken.“

Ein Beispiel: Fächerübergreifender Einsatz ist möglich, wenn der Sportlehrer „Körbe werfen“ übt und der Mathelehrer die beschriebene Wurflinie, die mit dem Tablet aufgezeichnet worden ist, von der Klasse berechnen lässt. In Overbach geht es dem Kollegium vor diesem Hintergrund darum, einander möglichst viel Wissen weiterzugeben und auf diesem Wege auch nicht so technikaffinen Pädagogen den Zugang zu erleichtern, was im Fachjargon so gerne mit „niederschwellig“ betitelt wird. So wurde in der Eingangskonferenz Anfang August 2020 das besondere Kollegiumscoaching „KuK helfen KuK“ beschlossen.  


Pädgogischer und didaktischer  Mehrwert 

Schulleiter Thorsten Vogelsang ist begeistert von dem Konzept, das hörbar aufgeht: „Was mir noch mal ganz wichtig ist zu betonen: Es ist keine Frage des Alters. Es gibt durchaus ältere, die im Thema fit sind, und jüngere, die noch mal eine Nachhilfestunde brauchen. Das hat sich gut ausgeglichen.“

Im „KuK“-Projekt folgte der Frage: „Wer kann welche Sachkenntnis und Kompetenz anbieten?“ die Frage: „Wer möchte das Angebot in Anspruch nehmen?“ Die Themen sind vielschichtig: Es werden pädagogische Netzwerke vorgestellt, vermittelt, wie digitale Tools wie „padlet“ oder „mentimeter“ zu bedienen sind und im Unterricht eingesetzt werden können, bis zum Basiswissen: Wie erstelle ich aus einer Textdatei ein PDF-Dokument? Wie heißt es doch so schön: Es gibt keine dummen Fragen. Im Vordergrund stehe immer die Frage, sagt Vogelsang, ob es nützt: „Gibt es einen Vorteil des Automatismus gegenüber dem Analogen? Wenn man die Frage nicht eindeutig mit ,Ja‘ beantworten kann, ist es eher eine Nerdigkeit der IT-Spezialisten“, erklärt der Schulleiter den Leitgedanken und bringt gleich ein Beispiel: „Sicher ist es gut, wenn man als Hobbyfilmer den Kindergeburtstag dokumentieren kann, und es hilft auch beim Erstellen von Lernvideos, aber die Frage lautet immer: Worin besteht der pädagogische und didaktische Mehrwert?“


Franz von Sales als spirituelle Leitfigur

Dass das Angebot „KuK helfen KuK“ ohne falsche Scham und Dünkel genutzt wird, führt Vogelsang auf den Overbacher Geist zurück. Dass dieser lebendig bleibt, dafür trägt der flanierende Orden der Oblaten des heiligen Franz von Sales mit Verantwortung. Vor dem ersten Shutdown habe auf Einladung des Ordens, erzählt Thorsten Vogelsang, die jüngste zweitägige Zusammenkunft stattgefunden, in dem es eben nicht um Kernkurrikula, Sicherheitskonzepte oder Entlastungsstunden gegangen sei, sondern um die Frage: „Worauf kommt es eigentlich im Leben an?“ „Wir gehören hier im Haus Overbach nicht nur dem Namen nach Franz von Sales an, sondern erfahren auch spirituell, was wirkt und schwebt und unausgesprochen im Raum steht.“ Mit hörbarem Stolz spricht der Schulleiter von der großen Kollegialität, die auch durch die Zeit des Shutdowns trage. „Sie verstehen sich als große Einheit.“ 

Gut gerüstet sieht sich die Schule daher auf ihrem Weg zur Digitalisierung, der mit jetzt mit  Siebenmeilenstiefeln beschritten wird. Nachdem nämlich der Breitbandanschluss seit April 2020 liegt und der Lehrkörper mit den Tablets ausgestattet war, kam sofort die Frage auf: „Und was ist mit den Schülerinnen und Schülern?“  Gemeinsam mit der Schulkonferenz wurde die Grundsatzentscheidung getroffen, dass das Gymnasium Haus Overbach zur digitalen Schule ausgebaut werden soll.

Mit Start des Schuljahres 2021/22 werden alle Achtklässler mit I-Pads ausgestattet. Nachfolgend sollen alle weiteren Jahrgänge, die in Klasse 8 wechseln, Tablets erhalten, so dass alle Lehrenden und Lernenden im Jahr 2028 „digitalisiert“ sein werden.
Jetzt soll es auch endlich losgehen. Die Vorfreude und die Erwartung im Kollegium sind groß, schildert Musik- und Biologielehrer Stephan Hebeler, der sich selbst als „älteres Semester“ bezeichnet. Das klassische Schulbuch soll in den kommenden Jahren durch das digitale Schulbuch ersetzt werden, und zwar nicht als „einfache“ PDF-Version, sondern als interaktives Lernmaterial. 

Hebeler selbst nutzt bereits jetzt die erweiterte Palette der Möglichkeiten und setzt die – als Leihmodelle im GHO schon zur Verfügung stehenden I-Pads im Unterricht ein. Er schwärmt von Videos über Lernapps, persönliche Zuschnitte von Unterrichtsmaterial, das alles sei möglich. 

Nun ist es ja nicht so, dass sich „Overbach“ erst in diesem Jahr digital auf den Weg gemacht hat: Moodle ist als Lernoberfläche lange etabliert. Dort werden Hausaufgaben und Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt, und es findet ein Austausch statt. 
Seit vier Jahren ist die Schule unterwegs zum „kreidelosen“ Unterricht. Internetfähige Smartboards ersetzen die herkömmlichen Tafeln, Dokumentenkameras die altbackenen Overhead-Projektoren. Und jetzt kommt der konsequente nächste Schritt im Schulterschluss mit „KuK“: „Infrastruktur, I-Pads und Kompetenz der Kollegen – in diesem Dreiklang kann das hier etwas werden“, blickt Schulleiter Thorsten Vogelsang voller Zuversicht in das neue Jahr.

Das Gymnasium Haus Overbach auf dem Weg zur digitalen Schule

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