Schleiden-Scheuren. Das Konzept ist neu, für viele Menschen auf den ersten Blick womöglich ungewohnt. Und dennoch kommt der medial gestaltete, ansprechende und moderne Ansatz den Bedürfnissen der Menschen entgegen, ist Simon Hesselmann von der Innovationsplattform des Bistums Aachen überzeugt. „Vor einem Jahr saßen wir an einem Küchentisch über einer großen Skizze mit der groben Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen, die unterwegs sind und innehalten wollen, auf Knopfdruck eine Meditation aus Licht, Klang und Worten erfahren können“, blickt er auf das erste Gespräch mit den Initiatoren des besonderen Angebots zurück. Als Mitglied der Innovationsplattform berät, coacht und unterstützt der Pastoralreferent Gruppen, Einzelpersonen und Projektteams, die neue Orte von Kirche und neue kirchliche Angebote entwickeln und erproben möchten. Etwas weniger als ein Jahr später ging die „LichtErlebnisKirche“ in Scheuren sozusagen ans Netz.
Ein multimediales Kirchensystem bietet ab sofort allen Besucherinnen und Besuchern der Kapelle (locker 120 passen in die Bänke), die in einem Kirchenraum Ruhe, Besinnung und Zuspruch suchen, ein umfassendes, automatisiertes Angebot, das dennoch über ein interaktives Touch-Terminal gesteuert und nach eigenen Vorstellungen arrangiert werden kann. Über das Bedienfeld können Besucherinnen und Besucher das im Kirchenraum installierte Licht- und Audiosystem nutzen und beispielsweise auf der Oberfläche des Monitors selbst ein Thema, einen Text, eine Bibelstelle oder eine Musik aussuchen, die dann mit Licht- und Toneffekten eindrucksvoll inszeniert wird. So kann jeder seine individuelle Meditation zusammenstellen, ausprobieren und erfahren.
Zum Angebot gehören auch Texte und Lieder für Kinder, jahreszeitliche Angebote und auch Texte und Musikstücke, die zu ganz unterschiedlichen Gemütslagen passen, von Trauer bis zu freudigen Anlässen. „Dem System sind keine Grenzen gesetzt. Wir können Themen nach Bedarf hinzufügen oder ausweiten, einen Chor singen lassen oder eigene Texte vorlesen lassen. Wir haben beispielsweise die Idee, eine Frauenseelsorgerin etwas zum Thema Frauen einsprechen zu lassen“, erklärt Uschi Grab aus dem Projektteam LichtErlebnisKirche. Der multimediale Ansatz soll die LichtErlebnisKirche zu einem meditativ-spirituellen Angebot machen, das ganz unterschiedlichen Formen des Glaubens Ausdruck schenken kann und ganz unterschiedliche Zielgruppen anspricht.
Vor zwei Jahren traf sich erstmals ein Kreis von Interessierten, um einen Ansatz für eigenes Engagement in Kirche zu entwickeln. „Ich fühlte mich von den bisherigen Formaten nicht mehr angesprochen“, blickt Uschi Grab zurück. Nach zwei Wortgottesfeiern in der Scheurener Kapelle stand schnell fest, dass hier ein Ort gefunden worden war, der nur darauf zu warten schien, dass ihm wieder neues Leben eingehaucht wird. „Die Erlebniskirche hatte eine Heimat gefunden“, erklärt Uschi Grab. Es wurden Wortgottesfeiern veranstaltet, gab kleine Konzerte und die Kapelle beteiligte sich an der „Nacht oder offenen Kirchen“. Weil von Beginn an die weißgetünchten Wände der Kapelle von Marcel Gerhards so gekonnt angestrahlt wurden, dass eine ganz besondere Atmosphäre entstand, zeichnete sich der weitere Weg zur LichtErlebnisKirche langsam aber sicher ab.
Das Team der Innovationsplattform begleitete die Gruppe auf diesem Weg. Auch Pfarrer Thomas Schlütter unterstützte bei der Suche nach Geldmitteln, um die notwendige Technik zu erweitern und dauerhaft installieren zu können. Die Bischof-Hemmerle-Stiftung unterstützte die Anschaffung der Technik, die vom Ehrenamtes Marcel Gerhards installiert
wurde. Schreiner Christoph Groß, dessen Großvater bei der Entstehung der Kapelle maßgeblich beteiligt war, steuerte zum Selbstkostenpreis das Pult für das Touch-Display hinzu; auch sein Sohn packte mit an. Außerdem musste sich die Gruppe mit vielen neuen und zunächst unbekannten Themen wie Tourismuswerbung, Flyer-Gestaltung, Internetauftritt und Budget-Verwaltung auseinandersetzen.
Ohne das große ehrenamtliche Engagement der Gruppe und der vielen Helferinnen und Helfer wäre eine Umsetzung deutlich schwieriger geworden. Auch der Kapellenvorstand war von Anfang an offen und bereit, das Projekt zu unterstützen, bedankte sich Uschi Grab für die gute Zusammenarbeit mit dem „Hausherrn“. „Zu Beginn konnte sich vermutlich niemand etwas unter dem vorstellen, was nun in der Kapelle installiert ist“, sagt sie augenzwinkernd. Ein großer Dank ging auch an die Scheurener, die dem Projekt offen gegenüber standen, und Küster Reinhold Groß, der so lange die Kapelle auf- und wieder zuschließt, bis das Geld für eine entsprechende Schließanlage zusammengekommen ist.
Das niederschwellige spirituelle Angebot hat nach einer sogenannten Nutzeranalyse ganz klar auch die vielen (Tages-)Touristen im Blick, die in der Eifel unterwegs sind. Die LichterlebnisKirche wird mittlerweile bei zwei Wanderungen und zwei Radtouren im Internet als Wegpunkt angegeben, an einem entsprechenden Eintrag bei Google-Maps wird noch gearbeitet. Aber auch für Hochzeiten, Nutzungen der Dorfgemeinschaft und für Schulklassen und Besinnungstage soll die LichtErlebnisKirche einen würdigen Rahmen bieten.
„Man munkelt schon, dass ein paar andere Kirchen und Kapellen aus dem Bistumsgebiet neugierig nach Scheuren gucken“, deutet Simon Hesselmann an, dass die Kapelle in Scheuren zu einem Leuchtturm werden könnte, der nicht nur Menschen anzieht, sondern dessen Strahlkraft auch zum „Nachmachen“ einlädt. Die Idee, einen wenig genutzten Sakralbau durch eine technische Installation so auszustatten, dass ein spiritueller, geistlicher Mehrwert entsteht, scheine für mehrere Orte spannend zu sein. Zumal das Angebot über „ein reines Öffnen einer Kirche hinausgeht, gezielt auf die Bedürfnisse der Besuchenden eingeht, zugleich aber keiner personellen Präsenz bedarf, sondern automatisiert, auf Abruf, von selbst funktioniert“, führt Simon Hesselmann weiter aus.
Die LichtErlebnisKirche in Schleiden-Scheuren wurde Anfang April feierlich eröffnet. Das sagten Gastgeber und Gäste anlässlich der „Premiere“:
Thomas Schlütter: Die LichtErlebnisKirche ist etwas Zukunftsweisendes, was einen bei all dem Niedergang, den wir sonst so sehen, hoffnungsvoll stimmt. Ich bin auch ein bisschen stolz, dass es in unserem neuen Pastoralen Raum diese Kirche gibt, die uns zeigt, was Kirche ist, sein soll und kann.
Uschi Grab: Wir wollen, ein niederschwelliges spirituelles Angebot unterbreiten und alle Menschen ansprechen, die auf dem Weg sind, die unterwegs sind und im weitesten Sinne vielleicht auch auf der Wegsuche sind.
Simon Hesselmann: Von der Idee über die Initiative bis zur Umsetzung ist alles ehrenamtlich getragen und verantwortet. Und siehe da: Es geht! So wird Kirche immer mehr sein. Wir müssen uns als Kirche also fragen, wie wir den Weg bestmöglich ebnen und Ehrenamtliche unterstützen können.
Die LichtErlebnisKirche in Schleiden-Scheuren, Scheuren 24, ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Darüber hinaus sind folgende Angebote geplant: Freitag, 13. Juni, 19 Uhr, Open-Air-Gottesdienst mit der Sacropop Band „Spirit“; Freitag, 26. September, 18 Uhr, Gottesdienst der besonderen Art, Freitag, 14. November, ab 17 Uhr „Nacht der offenen Kirche“ mit stündlich wechselndem Angebot; Sonntag, 30. November, 17 Uhr, Adventkonzert mit der Band „Spirit“.