Kunstreinemachen für die Pilgerscharen

Im Aachener Dom sind derzeit reichlich Restauratoren im Dienst

Restauratorin Stefanie Korr geht mit allergrößter Vorsicht zu Werke. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Restauratorin Stefanie Korr geht mit allergrößter Vorsicht zu Werke.
Datum:
9. Feb. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2023 | Ruth Schlotterhose

Wer hohen Besuch erwartet, bringt zuvor die Wohnung auf Vordermann. Gleiches gilt für den Dom, der zur diesjährigen Heiligtumsfahrt wieder zahlreiche Pilger erwartet. Statt Scheuerlappen und Allzweckreiniger kommen bei der Putzaktion jedoch Wattetupfer und Waschbenzin zum Einsatz.

Aceton und Waschbenzin sind gängige Hilfsmittel bei der Reinigung der beiden Schreine. (c) Domkapitel Aachen/Andreas Steindl
Aceton und Waschbenzin sind gängige Hilfsmittel bei der Reinigung der beiden Schreine.

Zwar werden die Reinigungsarbeiten an den Kunstwerken des Aachener Doms in regelmäßigem Turnus vollzogen, doch in diesem Jahr spiegeln die Arbeiten die Freude auf die anstehende Heiligtumsfahrt wider. Im Januar standen Marienschrein und Karlsschrein sowie die Strahlenkranzmadonna auf der To-do-Liste. Dazu wurden von beiden Schreinen die Glaskästen entfernt und bei dieser Gelegenheit gleich blank poliert. Die Sorge um streifenfrei gewienertes Glas teilen die Spezialisten dabei mit jedem gewöhnlichen Haushaltsvorstand.

Obwohl die beiden Schutzgehäuse mit einem Schadstoffabsorber ausgerüstet sind, lagern sich doch im Laufe der Zeit winzige Schmutzpartikel auf den darunter befindlichen Kunstwerken ab. Diplom-Restauratorin Anke Freund geht bei deren Reinigung mit größter Sorgfalt vor. Sie wie auch die Praktikantinnen und Praktikanten, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen, haben Stirnlampen aufgesetzt, die auch kleinste Verunreinigungen zutage bringen.

Birgitta Falk, die Leiterin der Domschatzkammer, nutzt die Gelegenheit, Karls- und Marienschrein aus nächster Nähe zu begutachten. Zum Beispiel die Dachreliefs des Karlsschreins (nach 1182 bis 1215) kann man nämlich bei der üblichen Zurschaustellung unter Glas nicht einsehen. Beim Blick auf das sogenannte Widmungsrelief weist Falk auf die Abbildung des Aachener Doms hin: Die vorhandene Brücke zwischen Westturm und Zentralbau könnte darauf hindeuten, dass die großen Aachener Heiligtümer schon zu damaliger Zeit, Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts, öffentlich gezeigt wurden. Darüber hinaus soll der Meister des Widmungsreliefs mit demjenigen, der den Marienschrein (1220 bis 1239) schuf, identisch sein – was eine weitere Verbindung zur Aachener Heiligtumsfahrt herstellt.

Besonders viele Blicke zieht die Strahlenkranzmadonna aus dem Jahr 1524 auf sich. Das von dem Maastrichter Bildschnitzer Jan van Steffeswert (um 1465 bis etwa 1531) geschaffene Werk schaut üblicherweise aus einer Höhe von 10 Metern auf den Betrachter herab. Nun – am Boden befindlich – zeigt sich, dass die Figuren der Madonnen nahezu lebensgroß sind. Diplom-Restauratorin Stefanie Korr erklärt, dass die beiden Marienskulpturen aus ein und demselben Stamm einer Eiche geschnitzt wurden, wie dendrochronologische Untersuchungen Ende des 20. Jahrhunderts ergaben. In der Regel schwebt das Kunstwerk alle zwei Jahre zu Boden, doch coronabedingt wurde der Inspektionstermin von 2021 auf dieses Jahr verschoben. So hat Korr dieses Mal etwas mehr Staub zu entfernen. Dabei führt sie ihren Pinsel mit großer Behutsamkeit. Das Blattgold des fast 500 Jahre alten Kunstwerks ist so dünn aufgetragen, dass es bei zu großem Druck weggewischt werden könnte.

Von Anfang an hatte die Strahlenkranzmadonna den Platz inne, an dem sie sich noch heute befindet. Während des Stadtbrandes von 1656 nahm sie großen Schaden, sodass im Jahr 1685 Ergänzungen in barockem Stil vorgenommen wurden. Die Figuren der Gottesmutter mit Kind sowie die bekleideten Engel auf der Schauseite stammen jedoch zweifelsfrei von Jan van Steffeswert, ebenso gehört die Kette, an der das Kunstwerk befestigt ist, zum spätgotischen Originalbestand. Die Bretter des Strahlenkranzes hingegen sind später hinzugefügt worden. Sie sind aus Pappelholz, was in der Verbindung mit dem eichenen Schnitzwerk aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Reaktion der Hölzer mitunter zu kleinen Rissen führt, die geschlossen werden müssen.

Birgitta Falk ist von dem Faltenwurf des Kunstwerks begeistert, ebenso wie von den fein gearbeiteten Mantelschließen einer der Madonnen oder dem Halsschmuck des Jesuskindes. Die hohen Stirnen der Muttergottesfiguren seien eine Mode des 16. Jahrhunderts, erklärt sie. „Die Frauen rasierten sich die Haare sogar ein Stück weit ab, um einen größeren Effekt zu erzielen.“

Sobald die aktuellen Reinigungsarbeiten erledigt sind, geht es mit dem Barbarossaleuchter weiter. Wenn demnächst die Festbeleuchtung brennt, dürfen auf keinen Fall Spinngewebe zu erkennen sein. 

Reinigung der Kunstwerke und Schreine im Aachener Dom vor der Heiligtumsfahrt

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