Kunst im Dialog

„Partita/Shelter“ kombiniert Musik mit Stimmen von Obdachlosen

Obdachlose haben in der Gesellschaft kaum eine Lobby. „Partita/Shelter“ gibt ihnen eine Stimme. (c) AR/unsplash.com
Obdachlose haben in der Gesellschaft kaum eine Lobby. „Partita/Shelter“ gibt ihnen eine Stimme.
Datum:
1. Dez. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 32/2025 | Chrismie Fehrmann

Es ging um Fragen nach Hoffnung, Schutz, Unterkunft und vor allem nach dem Leben insgesamt, das sie meistern. Künstler haben sie Obdachlosen gestellt. Ihre Antworten berühren: „Ich muss mich zum Schlafen sicher platzieren, an einer Wand, denn dann kann von dort kein Angriff kommen.“ Oder: „Auf Friedhöfen gibt es Möglichkeiten des Unterschlupfs.“ Und: „Ich lebe im Wald, habe neue Lebensformen entwickelt.“

Diese Aussagen fließen in das experimentelle Kunstformat Partita/Shelter ein, eine Vorstellung mit barocker Solovioline und den Stimmen der Obdachlosen, das Anfang Dezember zweimal in der Krefelder Kirche Pax Christi zu sehen und zu hören ist. Es zeigt einmal mehr: Pax Christi ist auch ein Ort der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Verortung.

Sebastian Blasius hat das Format eigens für Pax Christi entwickelt. (c) privat
Sebastian Blasius hat das Format eigens für Pax Christi entwickelt.

Sebastian Blasius, der Krefelder Theatermacher, arbeitet vorzugsweise an der Schnittstelle von darstellender, bildender und akustischer Kunst. Seine Performances sind experimentell und fordern alle Sinne. Er hat Partita/Shelter eigens für Pax Christi inszeniert. Partita steht für ein Instrumentalwerk, Shelter ist ein englisches Wort für Schutz.
„Es werden Kompositionen für Violine Solo von Johann Sebastian Bach zu hören sein“, erklärt er. „Sie verschränken sich mit Perspektiven Obdachloser aus Krefeld – die Erfahrungen von Schutzlosigkeit schreiben sich in die Stücke Bachs ein, die von einer Aura umgeben sind.“

Die Kirche Pax Christi gibt dem experimentellen Kunstformat eine besondere Umgebung. Denn sie fordert mit ihrer zeitgenössischen Kunst den Dialog. In Pax Christi wird er zwischen Religion und Kunst sowie auch zwischen Kirche und Gesellschaft geführt. Sebastian Blasius möchte im Sinn von Pfarrer Maaßen handeln, der das Gotteshaus zur Kunst-Kirche entwickelte und der sich dafür engagierte, der Kunst den Platz zu sichern, der ihrer Bedeutung für die Gesellschaft entspricht.

„Die unversehrte Nachkriegskirche ist ein Schutzraum, die größere globale Ungleichheit zwischen Arm und Reich das Leitmotiv. Ich möchte im Sinn Maaßens arbeiten, für den Kunst und Kirche keinen ,Wohlfühlort‘ ergaben. Er wollte Kirche in ihrer fragilen Form, in ihrer Verletzlichkeit, zeigen.“

Für diese experimentelle Performance wurden die Obdachlosen zu ihren Sichtweisen, eben auf Fragen nach Schutz, Obdach und den Glücksversprechen der Konsumgesellschaft, befragt: „Gibt es Orte in Krefeld, an denen Sie sich sicher fühlen – wenn ja, wodurch?“ Oder: „Welche Erfahrungen mit Solidarität haben Sie gemacht?“ Und: „Wie erleben Sie den Überfluss und Konsum um sich herum?“

Der Regisseur: „In der Aufführung werden diese Berichte kombiniert mit barocken Stücken für Solovioline, gespielt von Augustin Lusson, einem der spannendsten jungen Barockgeiger in Frankreich mit einem ausgeprägten Interesse für die soziale Dimension von Barockmusik.“

Partita/Shelter konfrontiere den Schutzraum Kirche, die Musik Bachs und die Gemeinschaft der Kirchenbesucherinnen und -besucher mit Perspektiven des Außen. Das Projekt setze den Sakralraum neu in Szene, indem es die Grenze zwischen heiligem Raum und gesellschaftlicher Wirklichkeit aufhebt und neue Wahrnehmungsräume für Verletzlichkeit und Solidarität entstehen lasse, erklärt Blasius weiter. Es erfolgte in Kooperation mit der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Krefeld.

Gesprochen werden die Texte von Raafat Daboul, einem aus Damaskus geflüchteten Krefelder Schauspieler. „Mit seinen Erfahrungen bekommen die Texte eine besondere Tiefe.“

Eintritt ist frei

Das Projekt wurde durch das Kulturbüro der Stadt Krefeld in Kooperation mit Pax Christi Krefeld gefördert. Es findet am Samstag, 6. Dezember, 18 Uhr, und am Sonntag, 7. Dezember, 12.30 Uhr, in der Kirche an der Glockenspitz 265, statt. 
Der Eintritt ist frei, eine Kollekte findet statt.