Kulturraum Kirche

Das Suermondt-Ludwig-Museum hat seine Mittelalterabteilung völlig neu gestaltet

Das „Jesuskind“ wurde im Mittelalter „in Serie“ produziert. (c) Dorothée Schenk
Das „Jesuskind“ wurde im Mittelalter „in Serie“ produziert.
Datum:
25. Jan. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2022 | Dorothée Schenk

Ein Spaziergang durch ein Stück Kirchengeschichte: Das Suermondt-Ludwig-Museum nimmt Besucher mit ins Mittelalter zu Glaubensbildern und längst vergessenem Glaubensleben. Unter dem Titel „1100-1500 – Leben, Handel, Seelenheil“ wird im Erdgeschoss die neugestaltete Mittelalterabteilung als Dauerausstellung präsentiert. 

„Heiter Raum für Raum durchschreiten“, so könnte man an Hermann Hesse angelehnt die Marschrichtung der Ausstellungsarchitektur lyrisch beschreiben. In acht Räumen werden verschiedene Themenfelder bespielt, die von Engeln, himmlischer und irdischer Musik, der Gottesmutter im Wandel der Zeit, Verehrung des Christkindes bis zum Bildwerk und Reliquien reichen. Es sind Inszenierungen, durch die Sammlungsleiter Michael Rief und Kuratorin Dr. Dagmar Preising die Inhalte lebendig werden lassen. „Medien-Mix“ nennt es die Kuratorin: Malerei und Skulpturen ergeben mit entsprechendem Mobiliar und Ausstattungsstücken einen „Kulturraum“.

Sammlungsleiter Michael Rief gibt einen Einblick ins Innere der Statue. (c) Dorothée Schenk
Sammlungsleiter Michael Rief gibt einen Einblick ins Innere der Statue.

Rund 200 ausgesuchte Stücke zur Kirchengeschichte, die zum Teil 100 Jahre nicht mehr im Museum zu sehen waren, werden verbunden mit der Frage gezeigt: „Was sagen sie über das Leben der Menschen aus?“ Gerade dieser Aspekt macht die Ausstellung zu einer Entdeckungsreise.

„Kirche“ war vor 500 Jahren ein wesentlicher Bestandteil des Alltags, der Kultur und auch der Wirtschaftskraft der Menschen. Der Herrgottswinkel, der vermutlich noch aus großmütterlichen Erzählungen bekannt ist, ist heute längst dem großen TV-Schrank gewichen. Von kleinen Weihwasserbecken an der Türe ganz zu schweigen, und Seelentrösterchen ist nun ein Begriff, der gar nicht mehr geläufig ist. 
Besondere Hingucker sind die kleinen Jesus-Figuren, die wie heutige Puppen be- und entkleidet werden konnten, aber auch zum „Kuscheln“ oder eben Trösten genutzt wurden sowie – besonders unvorstellbar für Menschen der Gegenwart – auch an die Brust gelegt wurden. Ein Exportschlager in dieser Zeit.

Erwähnenswert sind ebenfalls Skulpuren, die ein geheimnisvolles Innenleben haben: Sie bergen Reliquien, die erst durch Röntgenaufnahmen wieder sichtbar gemacht werden. Es lohnt sich also, genau hinzusehen und auch die erläuternden Wandtafeln zu studieren, damit solche interessanten Details nicht übersehen werden. Ein Raum widmet sich den Glaubenspraktiken des mittelalterlichen Menschen. Abseits des Kirchenraumes wurden etwa Malereien als Andachtsbilder genutzt. Schon eine kleine Revolution, denn der einzelne Mensch konnte sich ohne Priester und Kirche, ohne zwischengeschaltete Instanz an Gott wenden.

Museumsleiter Til-Holger Borchert lenkt den Blick auf eine ungewöhnlich realistische Darstellung einer Beschneidung. (c) Dorothée Schenk
Museumsleiter Til-Holger Borchert lenkt den Blick auf eine ungewöhnlich realistische Darstellung einer Beschneidung.

Ein eigenes „Kapitel“ ist dem „Wirtschaftsfaktor“ Kirchenkunst gewidmet. Bekanntermaßen sind die beliebten Schnitzaltäre aus Brabant nicht nur Statussymbol von Gemeinden gewesen, sondern Produkte großer Werkstätten, die Arbeitsplätze boten und weit über die Landesgrenzen hinaus geliefert wurden. Deren Vertriebswege und Lieferketten für die Materialien sind ebenfalls anschaulich für die Besucher nachvollziehbar.

Im Herzen der Ausstellung liegt der „Ankerraum“. Minimalistisch, aber für den Kenner sofort ersichtlich ist hier ein Kirchenraum nachempfunden: An der Kopfseite steht der Altar, auf dem liturgisches Gerät – etwa ein Weihrauchfass – platziert ist. Ein Beichtstuhl und natürlich bildliche Darstellungen vervollständigen das Ensemble. Das Ziel ist, so Kuratorin Dagmar Preising, die Erfahrung der christlichen Kunst dem heutigen Betrachter näherzubringen. Damit erübrigt sich eigentlich schon die Frage, die sie in den Raum stellte: „Wer will denn heute noch katholische Kunst sehen?“

Information

Ein bewegliches Kruzifix: Kuratorin Dr. Dagmar Preising weist auf ein besonderes Ausstellungsstück hin. (c) Dorothée Schenk
Ein bewegliches Kruzifix: Kuratorin Dr. Dagmar Preising weist auf ein besonderes Ausstellungsstück hin.

Die Sammlungsvielfalt ist eindrücklich dargestellt, obwohl tatsächlich nur ein Bruchteil der Schätze gezeigt werden kann: Etwa 900 Skulpturen, 1500 Gemälde, 1000 kunsthandwerkliche Stücke und rund 10 000 Blatt der graphischen Sammlung gehören zur Sammlung. Das Suermondt-Ludwig Museum hat sich neben dem Kölner Museum Schnütgen einen Namen als eine der bedeutendsten deutschen Sammlungen von Mittelalterskulpturen gemacht. 
Die nächsten öffentlichen Führungen finden an den Sonntagen 29. Januar, 12. Februar und 5. März jeweils um 12 Uhr statt. Sonst ist das Museum dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. 


www.suermondt-ludwig-museum.de