Krefeld verjüngt sich

Bekenntnisse zum „schönsten Beruf der Welt“: drei Priester über ihren Dienst in der Seidenstadt

Jüngere Seelsorger sind auf dem „Vormarsch“, wie man bei der Amtseinführung von David Grüntjens sehen konnte. (c) Dorothée Schenk
Jüngere Seelsorger sind auf dem „Vormarsch“, wie man bei der Amtseinführung von David Grüntjens sehen konnte.
Datum:
14. Jan. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2020 | Ann-Katrin Roscheck

Thorsten Obst, Frank Schürkens und  David Grüntjens senken als „die Neuen“  in der Krefelder Kirchen-Kultur den Altersdurchschnitt gewaltig. Dass es auch heute noch ein moderner Weg sein kann, Beruf und Berufung in Kirche zu finden, zeigen die drei jungen Männer im Gespräch mit der KirchenZeitung. 

„Priester zu sein, ist modern“ – David Grüntjens

David Grüntjens (c) Ann-Katrin Roscheck
David Grüntjens

Seit Herbst ist David Grüntjens als Pfarradministrator in St. Dionysius eingestellt:  Mit 28 Jahren zum Priester geweiht, ist er heute mit 34 Jahren immer noch einer der jüngsten wirkenden Hauptamtlichen in den Krefelder Kirchen. Viereinhalb Jahre war  er Kaplan an St. Cyriakus in Krefeld-Hüls, danach als Pfarrvikar in Mönchengladbach-Rheydt aktiv. 

 

„Obwohl mein Elternhaus nicht besonders kirchlich orientiert war, habe ich für mich nach der Erstkommunion hier meinen Schaffensraum gefunden. Ich war Messdiener in St. Johann Baptist, habe meine Freizeit hier verbracht und Freunde gefunden. Die Gottesdienste wurden zu einer anderen Welt, in der ich mit den Fragen meines Lebens einen Platz fand. Hier fühlte sich alles leicht an, hier konnte ich alles abladen und Gott erzählen. Spätestens im Abitur war die Entscheidung dann klar, Priester werden zu wollen.  Aufgrund meines Alters kenne ich die Kirche nur schrumpfend, und deswegen hat mich die Frage, wie Kirche trotz allem modern bleiben kann, schon immer begleitet. Ich möchte, dass die ,einladende Kirche‘ nicht nur eine Floskel ist, sondern dass wir eine Kirche als Heimatraum für viele schaffen. Gerade St. Dionysius bietet aufgrund des Standortes dafür unzählige Möglichkeiten. Für mich spielt dabei die Spiritualität eine große Rolle. Ich erlebe die moderne Kirche nicht mehr mit den großen Fragen vorheriger Generationen, sondern eher im transzendentalen Zusammenhang. Was kann Glaube und Kirche für mich tun? Wo erleichtern sie meinen Alltag? Was habe ich davon, zu glauben und die Kirche zu besuchen? Und was hat das mit meinem Leben zu tun? Zu glauben bedeutet oft, auf der Suche zu sein, und ich kann die Menschen dabei begleiten. Das ist nicht nur ein wahnsinnig vielfältiger Beruf, sondern für mich auch ein sehr moderner.“

„Die Freiheit ist in der Kirche ein wichtiges Thema“ – Thorsten Obst

Thorsten Obst (c) Arne Schenk
Thorsten Obst

Nach dem Tod von Regionalvikar Heiner Schmitz im Mai ist Thorsten Obst im September offiziell an seine Stelle getreten. Der 48-Jährige stammt aus Mönchengladbach und studierte Theologie in Bonn und Freiburg. Nach dem Theologiestudium verbrachte der Mönchengladbacher erst mehrere Jahre in der elterlichen Bäckerei, bevor er 2010 zum Priester geweiht wurde. Seit 2014 wirkt er als Priester in der Pfarrei Heiligste Dreifaltigkeit in Krefeld. 

„Von der jugendlichen Naivität ,Du musst die Welt retten‘ bin ich schon lange weg, aber meine Entscheidung, Theologie zu studieren, hing damit zusammen, für mich einen anderen Weg zu finden. Dass ich Priester werden wollte, entschied ich spät. Denn nach meinem Studium beschäftigten mich selbst Fragen, die ich erst für mich klären musste. Ich arbeitete einige Jahre in der Bäckerei meiner Eltern und über meine Promovierung zum Thema ,Das Heilige und das Denken‘ fand ich zurück zum Priesterberuf. Heute ist  es mir wichtig, in Zeiten einer sinkenden Versorgungsstruktur kirchliche Begegnungsräume zu schaffen. Dabei ist Freiheit ein großes Thema: Wir dürfen Glaube und die Kirche nicht an einen Ort binden, unser Glaubensdenken muss freier werden. Hochschulgemeinden oder auch Klöster zeigen uns, dass es noch etwas anderes neben der klassischen Pfarrei gibt. Und genau das ist die Herausforderung: Wie kann beispielsweise Trauerpastoral oder Erstkommunion stattfinden, wenn kein Pfarrer da ist? Wie können wir Gemeindeleben vor Ort erhalten und als Kirche ansprechbar bleiben? In den nächsten Jahren wird viel von dem wegbrechen, was wir als Kirche kennen. Erhalten bleiben die Begegnungen mit den Menschen, und das ist das, was Priestersein für mich ausmacht. Ich organisiere auf der einen Seite ein Wirtschaftsunternehmen und auf der anderen Seite teile ich Freude, Schmerz und Hoffnung.“

„Alle Menschen sind Priester“ – Frank Schürkens

Frank Schürkens (c) privat
Frank Schürkens

Im letzten Oktober löste der 42-jährige Frank Schürkens den pensionierten Pfarrer Karlheinz Alders in der Pfarrei St. Christophorus in Krefeld-Bockum ab. Schürkens wurde 1977 in Aachen geboren und verbrachte die Studienzeit außerdem in Freiburg, Münster und Bonn. Erst als Kaplan an St. Marien in Kempen tätig, wirkte er danach einige Zeit als Jugendseelsorger in der Region Mönchengladbach. Vor seinem Wechsel nach Krefeld war er leitender Pfarrer der drei Pfarreien in Brüggen-Bracht.  

„Ich habe vom Kern her den schönsten Beruf der Welt, denn ich bin ein lebendiger Wegweiser dafür, dass es noch mehr gibt. Meine Aufgabe ist es, die göttliche Wirklichkeit im Alltag erlebbar zu machen. Der Glaube war dabei schon immer ein Teil von mir. Glaube treibt mich an,  er motiviert mich, und er gibt mir Halt – auch in Zeiten, in denen mal nicht alles rosig ist.  Als junger Priester habe ich gemeinsam mit meinen Kollegen die Chance, an einem Prozess mitzuwirken, der schon ein paar Jahre vor mir begonnen hat. Wir haben die Möglichkeit, im Konstrukt Kirche noch einmal neu danach zu fragen, wie gemeinsamer Glaube weiterhin gelingen kann, und können gestalten und eigene Ideen in einer Zeit einbringen, die von Wandlung geprägt ist. Die Kirche, die ich als Kind erlebt habe, hat sich verändert. Diesen Wandel möchte ich nicht bewerten, denn er hat nichts damit zu tun, ob etwas früher besser oder schlechter war. Er gibt uns stattdessen zeitgemäße Antworten in einer Zeit, in der sich die Fragestellungen verändert haben. Ich bin Priester geworden, um Menschen daran zu erinnern, dass auch sie selbst Priester sind. Ich möchte, dass die Menschen in meiner Gemeinde die göttliche Wirklichkeit spüren. Mich macht es glücklich, dass wir gemeinsam Gottesdienst feiern, dass wir singen und beten. Aber mich macht es auch glücklich, neue Formen zu finden, die zukünftig gemeinsam zu glauben zeitgemäß werden lassen.“