Kreativitätsschub

Wie Corona in der Bildung ungeahnte Kräfte freigesetzt hat und welche neuen Ideen daraus wachsen

Lucia Traut leitet das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung in Mönchengladbach und Heinsberg. (c) Garnet Manecke
Lucia Traut leitet das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung in Mönchengladbach und Heinsberg.
Datum:
5. Jan. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 01/2022

Wie für andere Bildungsinstitute auch, ist die Pandemie für das Katholische Forum für Erwachsenen- und Familienbildung eine Herausforderung. Mitten in der Krise übernahm Lucia Traut die Leitung des Weiter-bildungsinstituts. Im Interview mit der 
KirchenZeitung berichtet sie, was sich verändert hat, warum sie eigentlich nicht in den kirchlichen Dienst wollte und worauf man in der Zukunft gespannt sein kann.

Um auch Menschen Teilhabe an Bildung zu ermöglichen, die ein schmales finanzielles Budget haben, arbeitet das Forum mit dem Treff am Kapellchen (Tak) zusammen. (c) TaK Mönchengladbach
Um auch Menschen Teilhabe an Bildung zu ermöglichen, die ein schmales finanzielles Budget haben, arbeitet das Forum mit dem Treff am Kapellchen (Tak) zusammen.

Seit dem 1. Juli sind Sie die Leiterin des Katholischen Forums. Sind Sie direkt ins Chefbüro umgezogen oder in Ihrem alten Büro geblieben?

Ja, ich bin umgezogen, aber nicht ins Chefbüro. Das teilen sich jetzt zwei Kolleginnen, die auch noch Büros in unseren Außenstellen haben. Ein kleines Büro ist dadurch frei geworden, in dem ein Digital-Studio entstehen soll. So dass man professionelle Video- und Podcast-Aufnahmen machen kann. Das können wir für unsere Angebote zur Online- und Digitalbildung nutzen, aber auch selbst damit arbeiten. 

 

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihre Arbeit?

Wie vielen anderen Bildungseinrichtungen hat uns Corona im Hinblick auf die Digitalisierung gut getan. Man musste sich umstellen, aber Zeit und die technische Infrastruktur waren ja da. Vieles war möglich, Teilnehmer und Kursleitung hatten Lust dazu. Aber man musste sich reinfuchsen, weil es eine eigene Didaktik und eigene Methodik brauchte. In der Pandemie haben wir unsere Kursleitungen geschult, ganz viele haben eigene Ideen und Konzepte entwickelt. Das war sehr schön, und es kam nochmal so richtig Schwung in die Bude. Für die Zukunft schauen wir, was wir gelernt haben und was wir davon auch in eine pandemiefreie Zeit übernehmen wollen. Zum Beispiel die Kita-Erzieherinnen-Kurse. Die religionspädagogischen Online-Selbstlernkurse werden viel besser angenommen als die Präsenzkurse. Wir haben eine große Reichweite und sind offensichtlich nachhaltig. Manche Einrichtungen schicken ihre Teams immer wieder zu uns. Auch bei Elternabenden zu Erziehungsthemen merken wir eine hohe Online-Nachfrage. 

 

Ist das digitale Angebot das Konzept der Zukunft?

Nur digital wird unser Angebot nicht bleiben. Unser Motto ist „Bildung und Begegnung“. Wir glauben daran, dass Bildung nachhaltig nur etwas bringt, wenn sie mehr als nur Wissen vermittelt, sondern den Menschen ganzheitlich anspricht. Dann kommen die Begegnung, Emotionen und Persönlichkeit mit rein. Das ist teilweise schwer online umzusetzen. Deshalb müssen wir schauen, für welche Angebote wir Präsenz brauchen, was online geht und wo eine Hybrid-Form sinnvoll ist, so dass man eine gute Mischung findet. Für reine Wissensvermittlung funktioniert online gut, aber um das Wissen für sich zu erschließen und für das eigene Leben da etwas rauszuziehen, braucht es an vielen Stellen die Präsenz. 

 

Bei Führungswechseln übernehmen im Bistum Aachen immer öfter Frauen die Positionen von männlichen Vorgängern. Sind Sie Teil einer stillen Revolution?

Ich weiß gar nicht, ob die Revolution so still ist. Ich finde es total gut, dass das Bistum Aachen bewusst darauf achtet, an welchen Stellen das Potenzial von Frauen noch nicht ausgeschöpft ist. Wir haben immer noch genug Stellen, wo Frauen nicht zum Zug kommen können, wenn es zum Beispiel um Weihe geht. Es ist ja eine allgemeingesellschaftliche Entwicklung, dass die gut ausgebildeten Frauen einen Anspruch darauf erheben, ihre Fähigkeiten einbringen zu können. Und umgekehrt, dass Familienarbeit selbstverständlich auch Vätersache ist.

 

Sie sind Feministin und haben Theologie und Religionswissenschaften studiert, obwohl Frauen letztendlich maximal die zweite Reihe in der katholischen Kirche zugestanden wird. Wie kam es dazu?

Genau aus diesen Gründen wollte ich früher nicht bei der Kirche arbeiten. Weil ich mir immer gesagt habe, dann ist mein oberster Chef immer ein Mann und wahrscheinlich auch ein Priester. Ganz ehrlich habe ich mich auch nicht zu einem pastoralen Beruf berufen gefühlt. Für mich war immer der Bereich Bildung das, wo ich merkte, dass es mir liegt. Deshalb war ich erst drei Jahre an der Universität und hab in der Religionswissenschaft gearbeitet und gelehrt. Aber da ist es nicht besonders familienfreundlich. Schon während des Studiums habe ich nebenher in der theologischen Erwachsenen- und Familienbildung im Bistum Münster gearbeitet. Dann habe ich die Chance gehabt, hier beim Katholischen Forum in eine Festanstellung zu kommen.

 

Sie haben jetzt sechs Monate Erfahrung auf dem Chefinnensessel. Gibt es etwas, mit dem Sie nicht gerechnet haben?

Tatsächlich habe ich relativ wenig Über-raschungen erlebt. Ich kenne das Team, die Struktur und die Arbeit hier ja schon sechs Jahre. Neu für mich in der Leitungsfunktion ist, näher an zentralen Abläufen des Bistums und des Generalvikariats zu sein. Da ist natürlich besonders spannend, was rund um den „Heute bei dir“-Prozess passiert. Im Bistum ist viel im Umbruch. Auch gesellschaftliche Umbrüche wirken auf unsere Arbeit. Teilweise haben wir große Probleme, neue Kursleitungen zu finden. Im alten Kursleitungssystem waren es oft Frauen, die in der Kinderphase nebenher angefangen haben, Kurse anzubieten und dann dabei geblieben sind.

Dieses Modell funktioniert nicht mehr. Wer sich in der Familienphase für eine Kursleitung ausbilden lässt, geht nach zwei oder drei Jahren Elternzeit zurück in den alten „richtigen“ Beruf. Das ist eine Herausforderung. Heißt aber auch, dass wir an dieser Stelle nochmal mehr professionalisieren und damit die Qualität noch besser werden kann. Das wiederum führt dazu, dass die Honorare und die Preise für Kurse vermutlich steigen. Gleichzeitig müssen wir darauf gucken, dass Menschen, die wirtschaftlich benachteiligt sind, an den Kursen teilnehmen können. Deshalb kooperieren wir mit dem Volksverein, dem Tak (Treff am Kapellchen, Anm. d. Red.) in Mönchengladbach und mit Amos in Heinsberg. Da müssen wir auf das Solidaritätsprinzip setzen: Dass gut verdienende Zielgruppen diese Arbeit mittragen. Was mich nicht überrascht hat, dass das Bistum als Behörde etwas langsamer agiert. Gleichzeitig erlebe ich aber auch, dass eine große Lust da ist, vernetzt zu denken und zu arbeiten.

 

Wie zeigt sich das?

Wo früher gläserne Wände waren, wird nun miteinander gearbeitet. Es wird mehr von der Sache her gedacht. Und dann ist es auch egal, wenn ich mit Abteilungen kooperiere, die eigentlich für Glaubensverkündigung und Katechese zuständig sind. Weil wir uns an bestimmten Stellen, wie bei der Fortbildung Ehrenamtlicher in der Liturgie oder in der Biblischen Bildung, ergänzen. Wir schauen, wie wir Bildung und unsere christliche Botschaft lebensnah an die Menschen bekommen. Ich arbeite daran, dass wir im Bistum als eine Einrichtung wahrgenommen werden, die im Jahr weit mehr als 20000 Menschen erreicht. Wir haben mit Menschen Kontakt, die mit den klassischen Kirchenangeboten nichts zu tun haben. Für die Zukunft könnten so Konzepte entwickelt werden, bei denen Bildung und Seelsorge Hand in Hand gehen. An viele biografische Anlässe kommt eine klassische Sakramenten-Seelsorge ja gar nicht mehr heran. Früher gab es biografisch die Ehe, dann kamen die Taufen der Kinder: Das war alles ganz klar. Aber heute haben die Leute vor der Ehe meist schon in mehreren Beziehungen Anfänge und Abbrüche hinter sich. Das sind Punkte, wo ich eigentlich Begleitung brauche. Zum ersten Mal mit jemandem zusammenzuziehen, der Junggesellenabschied oder die Babyparty, bei der eine werdende Mutter von ihren Freundinnen gefeiert wird: Zu solchen Anlässen haben wir Bildungsangebote. Da kann man sehen, was wir aus unserer spirituellen Weisheit als Kirche zu bieten haben, und das in einem katholischen Bildungskontext mit anbieten. Nicht missionieren, aber sagen: Das ist ein Mehrwert. Mein Team und ich haben viele gute Ideen und hoffen, dass wir gute Mitstreiter inner- und außerhalb des Bistums finden. Ganz im Sinne von mehr Vernetzung.

 

Was zeichnet Ihr Team aus?

Es ist breit aufgestellt. Alle bringen unterschiedliche Vorerfahrungen mit. Neben der Sozialpädagogin und der klassischen Pädagogin habe ich auch Quereinsteigerinnen, die vorher Betriebswirtschaft gemacht haben, und eine Sprachwissenschaftlerin. Das hilft, flexibel zu denken. Wir überlegen uns, welche Themen gerade gesellschaftlich dran sind. Wo sollten Diskurse nochmal vertieft werden oder eine gesellschaftliche Entwicklung überhaupt mal in einen Diskurs gebracht werden? In den nächsten Jahren wollen wir uns mit dem Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung auseinandersetzen. Wir setzen uns dabei das Ziel, das Thema in seiner ganzen Breite zu erfassen. Viel hat bei diesem Thema ja mit der Haltung zu tun: Wie muss zum Beispiel Erziehung in Zukunft passieren, damit Nachhaltigkeit sich als Wert und Handlungsmaxime durchsetzen kann? Aber auch: Wo spaltet das Thema?  

 

Worauf kann man sich im neuen Programm freuen?

Wir entwickeln interaktive Nachhaltigkeitsprojekte. Ganz neu wird eine Reihe mit dem Titel „Seelensommer“ sein mit unterschiedlichen Veranstaltungen , die Seele und Körper gut tun. Die aber auch dazu beitragen sollen, die letzten zwei Jahre zu reflektieren und gestärkt weiterzugehen. Das werden Angebote in der Natur wie auch spiritueller Art sein. 

Das Gespräch führte Garnet Manecke.