Konzert-Erlebnis

Mit dem Herzenswunsch-Krankenwagen zu den Rolling Stones

Uschi und Harald Heise mit Malteser Michael Wüster und dem Herzenswunsch-Krankenwagen. (c) Malteser
Uschi und Harald Heise mit Malteser Michael Wüster und dem Herzenswunsch-Krankenwagen.
Datum:
21. Sep. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2022 | Andrea Thomas

Und sie rocken immer noch die große Bühne... Im Rahmen der Jubiläumstour zu ihrem 60-jährigen Bestehen gaben die Rolling Stones im Juli auch ein Konzert in der Arena auf Schalke. Unter den 45000 Fans im Fußballstadion sind an diesem Abend auch Uschi und Harald Heise. Für die beiden ist es ein ganz besonderes Konzert.

Nicht, weil es ihr erstes wäre. Nein, Mick Jagger und Co. haben die beiden schon häufiger live gesehen. „Zu Zeiten als sie noch komplett und jünger und fitter waren. Wenn man Mick Jagger heute zuschaut, wie der über die Bühne rennt und rutscht, kriegt man Angst, der bricht sich was“, sagt Uschi Heise schmunzelnd. Dieses Konzert hat für das Ehepaar aus Mönchengladbach-Rheindahlen einen so hohen Stellenwert, weil es vermutlich das letzte große Konzert ist. Was weniger am Alter der Rock-Superstars auf der Bühne liegt als vielmehr daran, dass Harald Heise eine lebensverkürzende Erkrankung hat. Wie lange ihre gemeinsame Zeit noch dauern wird, das wissen sie nicht. Was die beiden, die seit 32 Jahren verheiratet sind, wissen, ist: Sie wollen sie genießen, solange es geht.

Dazu gehörte auch, noch einmal ein großes Konzert zusammen zu besuchen. „Mein Mann liebt Musik von Rock bis Klassik“, erzählt Uschi Heise. Neben den Stones seien das unter anderem Genesis, Eric Clapton („Der wäre der Hammer gewesen“), fügt Harald Heise hinzu. Gut gefallen hat ihm auch Zucchero, der im Vorprogramm der Stones gespielt hat. Die Hauptakteure haben ihm nicht ganz so gut gefallen. „Die Stones waren mal besser.“ Seine Frau lächelt und nickt. Ein Erlebnis war der Abend für beide dennoch, was an einer Reihe von Dingen liegt, unter anderem an ihren Begleitern und dem Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser Aachen.

Angefangen hat alles mit dem Arzt von Homecare, der Harald Heise betreut. „Was würden Sie denn gerne noch mal Schönes machen?“, habe er sie gefragt, berichtet Uschi Heise. Sie erzählt ihm, dass sie gerne einmal noch ein großes Live-Konzert mit ihrem Mann besuchen würde. Nur traue sie sich das allein nicht mehr zu. Für weitere Strecken braucht ihr Mann einen Rollstuhl und – man wolle es nicht hoffen, aber passieren könne bei so einem Ausflug ja auch immer etwas. „Kein Problem. Da fragen wir den Herzenswunsch-Krankenwagen“, lautete die Antwort des Arztes. „Dass es so etwas gibt, wusste ich von einer Freundin. Dass es das auch bei uns gibt, war mir neu“, erzählt Uschi Heise.

Todkranken und ihren Angehörigen besondere Momente schenken

Michael Wüster (l.) und Niclas Fuhrmann haben Ehepaar Heise für das  Gespräch mit der KiZ zuhause besucht. (c) Andrea Thomas
Michael Wüster (l.) und Niclas Fuhrmann haben Ehepaar Heise für das Gespräch mit der KiZ zuhause besucht.

Der „Herzenswunsch-Krankenwagen“ ist ein Angebot der Malteser, das es bereits in mehreren deutschen Bistümern gibt und seit diesem Jahr auch im Bistum Aachen. Koordiniert wird es von Peter Hine, der seit 40 Jahren im Rettungsdienst bei den Maltesern tätig und seit zwei Jahren Referent Rettungsdienst im Kreis Düren ist. Als die Anfrage, diese Aufgabe zu übernehmen, gekommen sei, habe er nicht lange gezögert: „Das ist genau mein Ding. Ich bin nah dran an den Menschen und kann helfen.“

Wobei „helfen“ es gar nicht richtig ausdrückt. Es ist so viel mehr, was er und das ehrenamtliche Team des Herzenswunsch-Krankenwagens todkranken Menschen und ihren Angehörigen schenken, wenn sie Wünsche wahr werden lassen, deren Erfüllung ohne sie nicht möglich wäre. Per E-Mail oder telefonisch melden sich Gäste (von Patienten spricht man hier nicht) oder deren Angehörige, beschreiben ihren Wunsch und füllen ein Antragsformular aus. Peter Hine schaut dann zum einen: Ist das wirklich der Wunsch des Gastes, oder möchte jemand einem lieben Menschen nur etwas ermöglichen, von dem er meint, es ist ein Herzenswunsch? Zum anderen schaut er, ob der Wunsch erfüllbar ist. „Ich habe auch schon abgeraten, weil die Fahrt für jemanden eine größere Belastung als Freude geworden wäre“, schildert er. Stimmen die Voraussetzungen (die Erkrankung muss lebensverkürzend sein, der Gast noch transportfähig und eine Begleitperson kann mitfahren), ist ihm keine Hürde zu groß und kein Telefonat zu viel, um den Herzenswunsch zu erfüllen. So wie bei Ehepaar Heise.

Uschi Heise organisiert übers Internet VIP-Karten für das Konzert auf Schalke. „Der Preis war mir in dem Moment sowas von egal“, sagt sie und schmunzelt. Man spürt: Für ein Lächeln auf dem Gesicht ihres Mannes würde sie alles tun. Um die Anreise, dass sie nahe ans Stadion heranfahren können, die Parkmöglichkeit, und dass die beiden Begleiter der Heises, Niclas Fuhrmann und Michael Wüster, mit ins Stadion dürfen, kümmert sich Peter Hine. Er selbst ist zwar nicht mit dabei, ist am Tag selbst aber noch einmal alles mit den beiden Kollegen durchgegangen und steht bei Problemen auf Stand-by. Sollte also alles glatt gehen. 

Konzertabend mit einem chaotischen „Vorprogramm“

Alle Turbulenzen sind (fast) vergessen, Uschi und Harald Heise freuen sich auf den Konzertabend. (c) Malteser
Alle Turbulenzen sind (fast) vergessen, Uschi und Harald Heise freuen sich auf den Konzertabend.

Nun ja, der Abend beinhaltete dann doch etwas mehr „Rock’n’Roll“ als gedacht.  Gut in der Zeit und ohne Zwischenfälle kommt der Herzenswunsch-Krankenwagen am Stadion in Gelsenkirchen an. Dann kommt, was Uschi Heise ohne die beiden Malteser an ihrer Seite wohl als Alptraum eingestuft hätte: Die Plätze ihrer teuren VIP-Karten sind – obwohl sie im Vorfeld nachgefragt hatte – nicht rollstuhltauglich. „Die waren mitten in einer normalen Reihe. Das ging nicht. Mein Mann kann nicht so lange auf den harten Schalensitzen sitzen, und dauernd aufstehen, wenn jemand vorbeimuss, das ging auch nicht“, sagt sie. „Ohne die beiden hätte ich angefangen zu heulen und geschaut, wie ich wieder zurückkomme.“

Nicht so mit Michael Wüster und Niclas Fuhrmann. Michael Wüster spricht den zuständigen Ordner an, schildert das Problem und fragt, ob er etwas für sie tun kann. Niclas Fuhrmann macht sich unterdessen auf zum Ticketschalter, um die Karten zu reklamieren und in die zugesicherten Rollstuhlplätze für Uschi und Harald Heise umzutauschen. Wie sich herausstellt, sind diese nicht die Einzigen mit dem Problem, auch andere Rollstuhlfahrer haben nicht die zugesagten Plätze erhalten. Mit freundlicher Hartnäckigkeit schaffen die beiden Malteser, beide sind erfahren im Rettungsdienst und haben eine Fortbildung für den Herzenswunsch-Krankenwagen gemacht, andere Plätze für Ehepaar Heise zu bekommen. Sie dürfen sogar dabeibleiben. 

Der Abend wird für Ehepaar Heise trotz der Turbulenzen unvergesslich bleiben: „Die beiden sind meine Helden. Sie haben sich so toll um uns und um alles gekümmert. Und auch Herr Hine macht einen ganz fantastischen Job“, sagt Uschi Heise auch für ihren Mann von Herzen Danke. Michael Wüster und Niclas Fuhrmann sind die Herzenswunsch-Fahrten eine Herzensangelegenheit, besonders bei so netten Gästen wie den Heises. „Es ist schön, Menschen eine Freude zu machen“, sagt Michael Wüster. Einem selbst gebe das auch viel zurück. Und manchmal sogar ein Konzert, das man sonst vielleicht nie live erlebt hätte.