Kontaktvermittler zu Gott

Die Fachstelle für Exerzitienarbeit hütet alte Glaubenspraktiken und entwickelt moderne Angebote

Die vier Köpfe bilden die Fachstelle  für Exerzitienarbeit: (v. l.) Willi Acker, Gabriele Löser-Widua, Frank Reyans und Patrick Wirges. (c) Dorothée Schenk
Die vier Köpfe bilden die Fachstelle für Exerzitienarbeit: (v. l.) Willi Acker, Gabriele Löser-Widua, Frank Reyans und Patrick Wirges.
Datum:
22. Sep. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2021 | Dorothée Schenk

„Das Gute bewahren ist eine Aufgabe. Exerzitien sind ein Wert in sich, sie sind einer der geistlichen Schätze des Christentums“, sagt Patrick Wirges, Leiter der Fachstelle für Exerzitienarbeit im Bistum Aachen. Wie das mit Schätzen oft so ist, sind sie nicht sofort für jedermann sichtbar. Vom Dom zog die Fachstelle 2004/05 ins Haus der Regionen Mönchengladbach und Heinsberg, und dort in der „hintersten Ecke, die Treppe hoch“ sind vier Menschen beheimatet, die dieses Gut pflegen und mehren. 

Gott in sich wirken zu lassen, ist ein Ziel von Exerzitien. Darauf muss man sich einlassen. (c) Dorothée Schenk
Gott in sich wirken zu lassen, ist ein Ziel von Exerzitien. Darauf muss man sich einlassen.

Der erste Versuch der Annäherung erfolgt über die Begriffsklärung. Exerzitien gehen auf Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert zurück, dem Gottesmann, der im ersten Leben Soldat war. Nicht ohne Grund erinnern „Exerzitien“ an das militärische „Exerzieren“. Übersetzt sind es Übungen, die der einzelne Mensch absolviert, wenn er sich vor schwierigen Fragen gestellt sieht, sich besinnt und sagt: „In mir wirkt Gott. Ich kann ihm auf die Spur kommen, wenn ich ihm die Chance gebe, mit mir in Kontakt zu kommen.“

So beschreibt es Patrick Wirges, der seit Januar 2020 die Fachstelle leitet und sich als „das Küken“ im Quartett bezeichnet. „Der Senior“ Frank Reyans, Pfarrer und seit neun Jahren als Exerzitienseelsorger dabei, vermittelt: „Wir würden heute eher von Spiritualität sprechen – das ist vielen Leuten viel näher.“ Und es geht sogar noch etwas niederschwelliger. Pastoralreferentin Gabriele Löser-Widua: „,Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung‘, sagt Johann Baptist Metz. Das ist das Gemeinsame dieser Angebote der Fachstelle für Exerzitienarbeit. Es sind Unterbrechungen, um aus dem Alltag oder auch gemeindlichen Bezügen herauszukommen, um zu sich zu kommen, damit sich ein Raum öffnen kann, damit spirituell etwas passieren kann und in Ihnen Gott wirken kann.“
Weil der Glaube zwar ohne Gegenwert praktiziert wird, Exerzitien aber schon mal schnell teuer werden können, vervollständigt Willi Acker das Viererteam. Er sorgt dafür, dass nach Antragstellung und eingereichtem Teilnahme- und Kostennachweis die Gebühr erstattet werden kann. „Wobei wir Schmerzen haben, ist die Höhe der Förderung. Es gibt einen Fonds, und der ist festgeschrieben, der wird nicht aufgestockt“, bedauert Acker. „Exerzitien sollten nicht am Geld scheitern“, springt ihm Patrick Wirges zur Seite. „Wir würden in sozialen Notlagen auch mehr als die Mindestfördersätze ausschütten. Ich kann nur dazu aufrufen: Wendet Euch vertrauensvoll an uns.“

 

>> Erxerzitien sind Seelenarbeit – das kann sehr hart sein.<<

Frank Reyans

 

Auf 76 Seiten hat das Exerzitienteam aus dem gesamten Bistum Angebote zu „Spiritualität. Orientierung. Begleitung“, wie der Veranstaltungskalender betitelt ist, zusammengetragen. Nicht nur eigene Veranstaltungen finden Aufnahme. Das Team bietet Unterstützung für gut erdachte und passende Veranstaltungen Dritter. Es lebt von der Vielfalt, oder wie Patrick Wirges es mit dem Jesus-Wort formuliert: „Was willst Du, das ich Dir tun soll?“ Im Programm, das bis August 2022 Gültigkeit hat, finden sich Angebote zu gezielter geistlich-geistiger Vorbereitung auf die Hochfeste des Glaubens, zu Bibelstudien, zu Auszeiten, sogenannten „Oasentagen“, ebenso wie Besinnungstagen. Angebote für „Leibarbeit“, wie Pfarrer Reyans sie nennt, und damit beispielsweise Yoga ebenso meint wie Tanz, und selbstverständlich die klassischen Exerzitien. Ob im Kloster, auf Wanderungen oder auf der Straße: Das besondere Element der Exerzitien sind die Übungen in absoluter Stille, schweigend.

Das habe nichts mit einer Vergnügungstour oder Urlaub zu tun, erklärt Exerzitienseelsorger Frank Reyans: „Exerzitien sind Seelenarbeit – das kann sehr hart sein. Wenn man sich in Schweigen begibt, ist man mit sich konfrontiert und mit allem, was in einem lebt.“ Das gelte auch für längst Verdrängtes, das hochkomme und die Chance habe, angeschaut zu werden. „Es kommt nicht von ungefähr, dass Menschen sagen: Eine Woche Schweigen – kann man gar nicht.“ Darum gibt es dafür auch stets eine geistliche Begleitung – das zweite Aufgabenfeld der Fachstelle mit Sitz in Mönchengladbach. Die kann, so schildert es Pastoralreferent Wirges, sogar telefonisch auf einer Pilgerschaft erfolgen. Mit diesem Ansinnen war eine Gläubige an die Fachstelle herangetreten, und diese hatte es möglich gemacht. „Es würde mich nicht überraschen, wenn das ein Modell der Zukunft ist.“ 
So versucht die Fachstelle für Exerzitienarbeit, das weite Feld der Spiritualität zu bedienen, aber auch „wahrzunehmen, in welcher Zeit wir leben“, formuliert Patrick Wirges die Selbstverpflichtung. Gemeindereferentin Löser-Widua sieht die Bedeutung der Aufgabe gerade in Zeiten von Trends wie „Retreats“ und Achtsamkeit, als Kirche Exerzitien anzubieten. „Ein großer Berührungspunkt ist im Bereich der Kontemplation. Dafür ist mehr Offenheit auch bei jenen, die im traditionell kirchlichen Rahmen nicht beheimat sind.“

 

Alle Angebote sowie Kontaktaufnahme über https://exerzitienarbeit-bistum-aachen.de oder telefonisch unter 0 21 61/57 64 98 85.