Jeder Holzkasten ist ein Unikat und eine Welt für sich. Eine Welt, die sich mal auf den ersten Blick erschließt und mal ein wenig Zeit und Einfühlungsvermögen erfordert. Lohnenswert ist das allemal, denn es hilft Menschen zu verstehen, die ein Teil unserer Welt sind, die wir jedoch viel zu oft in ihre eigenen Welten abschieben, statt unsere Welten miteinander zu teilen und sie zu einer gemeinsamen zu machen.
Ursprünglich hätten alle 200 Kästen, die Menschen mit Behinderung für das Kunstprojekt „Entdecke mich“ geschaffen haben, bereits im Rahmen einer großen Ausstellung zur Heiligtumsfahrt in St. Jakob präsentiert werden sollen. Doch mit der Heiligtumsfahrt hat sich auch die Ausstellung auf 2023 verschoben. So lange wollten die Verantwortlichen nicht warten und präsentieren die Kunstwerke aus den einzelnen Regionen vor Ort in kleinen Ausstellungen sowie alle vereint auf einer eigenen Internetseite.
Die Kästen aus Aachen-Stadt und Aachen-Land – 60 an der Zahl – hatten ihren ersten größeren Auftritt Anfang des Monats in der Aachener Citykirche. Hier sorgten sie schon vor der offiziellen Eröffnung für Aufmerksamkeit, wie Gabriele Laumen, regionale Seelsorgerin für Menschen mit Behinderung, berichtet. „Die erste Vermutung war, das seien Kunstwerke von Kindern. Umso erstaunter waren die Leute, als sie die Hintergründe erfuhren und sie sich genauer anschauten.“ Sie ist „mächtig stolz“ auf die entstandenen Ergebnisse und das, was die Teilnehmer auf 30 x 30 x 17 Zentimetern geschaffen haben. Und auch darauf, dass sie die Aktion trotz aller Widrigkeiten durchgezogen haben. Für die 140 Menschen aus zehn Einrichtungen in der Stadt Aachen und Aachen-Land sowie dem benachbarten niederländischen Landgraaf, die mitgewirkt haben, ist es gerade in der für sie so schwierigen Zeit der Pandemie wichtig gewesen, ausdrücken zu können, was sie bewegt. „Entdecke mich“ lasse sich auch mit „Übersieh mich nicht“ oder „Entdecke mich mit deinem Herzen“ (so auch das Thema eines Kastens) übersetzen, erläutert Gabriele Laumen. Das Projekt ist eine wertvolle Chance für Menschen mit und ohne Behinderung, einander über die Geschichten, die die Kästen erzählen, besser verstehen zu lernen.
Corona ist ein großes Thema. Die Pandemie hat das Leben der Menschen, deren Teilhabe sowieso schon in vielem eingeschränkt ist, noch mehr eingeschränkt. So erzählen einige der Kästen von Ängsten und Unsicherheit, von Einsamkeit und der Sehnsucht nach Begegnung, nach Normalität, aber auch von Zusammenhalt und der Zuversicht, das gemeinsam zu schaffen. Eine Reihe Kästen greift das Thema „Autismus“ auf. Menschen mit diesem Handicap versuchen Einblicke zu geben in ihre Welt, in das, was in ihr vorgeht, darin, wie sie denken und fühlen. Verbunden ist das mit dem Wunsch, verstanden zu werden. Wo das mit dem Kopf schwierig ist, geht es vielleicht mit dem Herzen.
Überhaupt lernt man den anderen ganz gut kennen über die Dinge, für die sein Herz schlägt. Hobbys und Leidenschaften sind daher ein weiteres großes Thema. Da gibt es die Tierfreunde von Pferd über Katze bis Fisch oder die Fans von Fantasygeschichten. Andere erzählen von ihren Lieblingsorten in Aachen oder in der Natur, geben Einblicke in ihr Zuhause oder stellen ihre Wohn- und Arbeitsgruppe vor. Die Kästen sind eine Einladung an die Betrachter, auf Welt-Reise zu gehen und seinen Nächsten zu entdecken.
Alle Aachener Kästen sowie solche aus den anderen Regionen gibt es unter:
www.kunstaktion-entdecke-mich.de