Im Krankenhaus zu liegen, ist schon ohne Feiertage für viele Menschen schwer. Gerade in der Adventszeit ist die Sehnsucht nach Familie und Gemeinschaft besonders stark. Obwohl viele Patienten in dieser Zeit entlassen werden, müssen immer einige in der Klinik bleiben. In vielen Abteilungen wird daran gearbeitet, ihnen die Feiertage so angenehm wie möglich zu machen. Ein Besuch in den Kliniken Maria Hilf Mönchengladbach. Wie macht man Menschen den Aufenthalt im Krankenhaus während der Feiertage leichter? Ein Besuch bei Menschen, die im Krankenhaus vor und hinter den Kulissen arbeiten.
Warum sich das schlechte Image von Krankenhausessen so hartnäckig hält, kann sich Ulrich Schröder nicht erklären. Denn schon seit über zehn Jahren gibt es für die Patienten eine große Auswahl, zudem macht es ein schonendes Garverfahren möglich, den Geschmack und die Konsistenz des Essens möglichst optimal zu halten. Das gilt auch für die besonderen Gerichte, die Schröder und sein Team für die Feiertage kochen.
Im Alltag kocht er für maximal 755 Patientinnen und Patienten, dazu kommen unter der Woche noch 230 bis 250 Essen für den Mittagstisch. Während der Feiertage werden es wohl 380 bis 400 Patientenessen werden, ist seine Erfahrung. Schon in der Adventszeit versucht das Küchenteam, die besondere Atmosphäre der Advents- und Weihnachtszeit auch auf den Teller zu bringen. Dann kann es schon mal ein Wildgericht, eine Fischterrine oder Fleischmedaillons geben. Schröder denkt bei der Menüerstellung nicht nur an die Patienten: Mit seinem Team verköstigt er auch die Mitarbeitenden. Auch hier hat er etwas
Besonderes geplant. „Wenn es kalkulatorisch klappt, werden wir auch mal Gänsekeulen anbieten“, sagt er.
Beim Servieren soll der Festcharakter sichtbar sein: Die Teller stehen auf einem Tablett-Set mit weihnachtlichem Motiv, es gibt Weihnachtsservietten und als kleine Zugabe eine Schokoladenfigur. Patienten und Mitarbeitende sollen in diesen Tagen auch am Gaumen spüren, dass es sich um eine besondere Zeit handelt.
Für die Patienten auf der Palliativstation ist dieses Weihnachten ein ganz besonderes: Sie wissen, dass es ihr letztes ist – wenn sie es noch erleben. Das wirkt sich auch auf das Leben auf der Station aus. Sektionsleiterin Christiane Munsch und Melanie Küskens, stellvertretende Stationsleiterin, versuchen, den Patienten eine schöne Zeit zu bereiten.
Wenn sie keinen Weihnachtsmarkt mehr besuchen können, kommt der eben zu ihnen. Dafür wird ein kleiner Basar mit Kunsthandwerk und Live-Musik organisiert, zu dem auch Angehörige, Patienten und Personal der anderen Stationen eingeladen sind. Das Wohnzimmer der Station, das hier auch Café Zeit heißt, ist weihnachtlich geschmückt. Auf den Tischen goldene Hirsche und Tannen, Glitzerkugeln verbreiten adventlichen Glanz.
„Viele Patienten erleben ihr letztes Weihnachten sehr bewusst und versuchen, ihre Traditionen hierhin zu holen“, sagt Küskens. Ihre Zimmer sind geschmückt, eine Patientin hatte für ihre Tochter einen Nikolausteller angerichtet. An den Feiertagen gibt es ein Weihnachtsfrühstück für Patienten und Mitarbeitende. Dazu wird Waffelbacken angeboten. Aber es gibt auch Patienten, die still werden und sich zurückziehen. Da ist es wichtig, sie zu lassen und ihnen keine Weihnachtsseligkeit aufzudrängen.
Offiziell sind sie der „Freiwillige Krankendienst“, so steht es auf ihrem Namensschild. Aber von allen werden Sabine Groth und ihre acht Mitstreiterinnen liebevoll die „grünen Damen“ genannt – nach der Farbe ihrer Dienstkleidung. Zwei Tage in der Woche ist Sabine Groth im Krankenhaus: mittwochs als grüne Dame und donnerstags als Ehrenamtliche im Café Zeit auf der Palliativstation.
„Es gibt immer mehr Leute, die an den Feiertagen gar nicht nach Hause wollen“, fällt ihr seit einigen Jahren auf. „Hier sind sie nicht allein. Das betrifft nicht nur alte Menschen. Es gibt erschreckend viele junge Leute, die einsam sind und niemanden haben.“ Sie zumindest für ein paar Minuten diese Einsamkeit vergessen zu lassen, ist ein Ziel von Groth. Immer wieder gibt es ganz berührende Momente wie das spontane Klavierkonzert mit Schlagern des Palliativpatienten, der nur wenige Tage danach starb. Oder die Patientin, die noch Weihnachtspräsente verschicken wollte. Diese besondere Zeit wirke auch auf das Personal, sagt sie. „Das Personal ist fröhlicher.“
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch zu sein: Da ringen auf der Intensivstation Menschen mit dem Tod, sie werden beatmet, ihre Vitalfunktionen werden von Maschinen überwacht. Angehörige bangen oder trauern – wenn es ein Patient nicht schafft. Gleichzeitig ist die Welt in Weihnachtsstimmung und träumt vom Weltfrieden. Während für die einen die Welt stehen bleibt, ist sie für die anderen verheißungsvoll und harmonisch.
Das Personal auf der Intensivstation bewegt sich jeden Tag zwischen diesen beiden Gefühlswelten. „Auf der Intensivstation ist der Tod immer sehr nah“, sagt Volker Bialy. Für die Angehörigen ist das eine Ausnahmesituation. „Gleichzeitig bemühen sich die Mitarbeitenden, die adventliche Stimmung zu halten.“ Die Reaktionen darauf sind sehr unterschiedlich. Während die einen Tannengrün und Christbaumkugeln unpassend finden, sind andere dankbar, von ihrem Schmerz ein wenig abgelenkt zu werden.
Jede Station der Kliniken Maria Hilf bekommt einen Tannenbaum, den die Stationsteams nach eigenem Geschmack schmücken können. Das ist nicht nur für die Patienten: Auch das Personal braucht etwas für die Seele.
Es spielt keine Rolle, welche Konfession die Patienten haben, ob sie überhaupt an einen Gott glauben, ob sie zugewandert, geflüchtet oder in Deutschland geboren sind oder was ihr gesellschaftlicher Hintergrund ist: An den Feiertagen wird jeder besucht. Die Krankenhausseelsorger Herbert Schimanski, Burkhard Kroh, Jonas Hümmer und Schwester Tessly haben eine Grußkarte mit Weihnachtswünschen dabei und ein offenes Ohr.
„Weihnachten ist emotionaler besetzt als Ostern“, sagt Burkhard Kroh. Der katholische Priester bemerkt gerade in der dunklen Jahreszeit eine tiefe Sehnsucht nach Licht und Wärme bei den Menschen, die angesichts der Weltkrisen offenbar noch verstärkt wird. „Auf den Straßen sah man, dass einige schon zu Allerheiligen begonnen haben, ihre Häuser zu schmücken“, hat Kroh beobachtet.
Auch im Krankenhaus ist diese Sehnsucht zu spüren. „Je mehr es auf Weihnachten zugeht, umso mehr verdichtet sich das“, sagt Kroh. Zumal Weihnachten auch als Fest der Familie gilt. „Wenn da einer fehlt, weil er im Krankenhaus ist, entsteht eine Lücke“, sagt der evangelische Pfarrer Schimanski. Mit seinen Kollegen hat er in den Jahren als Krankenhausseelsorger schon manches kleine „Weihnachtswunder“ erlebt.
Besonders das Coronajahr 2020 ist ihnen noch gut in Erinnerung. „Wir gehen jedes Jahr von Station zu Station und singen, das durften wir damals nicht“, berichtet Schimanski. Das Seelsorgeteam hat sich deshalb am Heiligen Abend mit Blechbläsern in den Innenhof gestellt und gespielt. Die Musik drang auch bis zur Intensivstation. „Ein Sohn hat mir später erzählt, dass sein Vater da gerade im Sterben lag und die Familie nicht dabei sein durfte. Aber der Vater hörte die Musik der Engel, die ihn begleitet hat.“