Über 400 Jahre alt ist die Johanniskapelle in Schlöp. Die Honschaft gehört heute zu Hinsbeck, einem Stadtteil von Nettetal. 1617 wurde die Kapelle erbaut, 1671 erweitert, damit die Anwohner vor Ort Gottesdienste feiern konnten.
Doch seit dem Zweiten Weltkrieg musste die Kapelle ohne ihre Glocke auskommen. Die war 1943 konfisziert worden, wohl, um Munition daraus herzustellen. Dazu kam es jedoch nicht. Die Glocke wurde in Bremen eingelagert, ebenso wie die konfiszierten Glocken aus zwei weiteren Hinsbecker Kapellen. Diese kehrten nach dem Krieg zurück, doch die Glocke aus der Johanniskapelle blieb verschollen. Eine Schiffsglocke tat ihren Dienst – mehr schlecht als recht. Das sollte sich ändern, fand die St.-Johannesbruderschaft Hinsbeck-Schlöp, die sich seit 1950 um den Erhalt der Kapelle kümmert. Zum Jubiläum zum 125-jährigen Bestehen der Bruderschaft in diesem Jahr finanzierte diese eine neue Glocke.
„Wir waren uns einig, dass es anstelle eines großen Schützenfestes eine neue Glocke für die Kapelle geben sollte“, erklärt Thomas Kall, erster Brudermeister der Johannesbruderschaft. Darum kümmerte sich Matthias Dichter, Kirchenmusiker und freiberuflicher Glockensachverständiger. Im Zuge der Sanierungen an der Kapelle 2024 stieg er dem kleinen Gotteshaus aufs Dach. Dabei entdeckte er nicht nur den unzureichenden Glockenersatz, sondern auch Schäden an der Aufhängung. „Da hätte nicht mehr viel gefehlt und die Glocke hätte sich aus der Halterung gelöst.“ Die neue Glocke sollte der verschollenen entsprechen. Doch wie sah die aus? Dichter fand im Deutschen Glockenarchiv in Nürnberg ein altes Foto.
Nach dieser Vorlage sollte die neue Glocke entstehen – mit kleinen Änderungen. Auf der Vorderseite ist ein Relief zu sehen, das die Taufe Jesu durch Johannes zeigt und das dem Altarbild in der Kapelle entspricht. Auf der Rückseite ist der Wahlspruch der Bruderschaft „Aus alter Wurzel neue Kraft“ zu lesen. Auf den oberen Kranz ist auf Latein „Sancto Ioanne ora pro nobis (Heiliger Johannes, bitte für uns)“ und das Jahr 2025 eingraviert, auf dem unteren Kranz „Laudy goss mich zum 125-jährigen Jubiläum der St.-Johannesbruderschaft-Hinsbeck-Schlöp“. Bei der Firma Laudy bei Groningen in den Niederlanden wurde die sogenannte „verlorene Glocke“ erstellt, die als Schablone für die Gussform dient.
Den Guss vor Ort begleitete ein zweitägiges Glockenfest. 500 Besucherinnen und Besucher verfolgten den Glockenguss vor Ort. Für die Bronzeglocke, die einen Durchmesser von rund 33 Zentimetern hat und 36 Zentimeter hoch ist, stellte das Team am Samstagnachmittag in Handarbeit zunächst den Schmelzofen aus Mauersteinen und Lehm her. Darin wurden 60 Kilogramm Kupfer und Zinn im Verhältnis 79 zu 21 eingeschmolzen. Rund 1100 Grad heiß muss das Metall werden, bis es in die Form gegossen werden kann. Drei Stunden dauerte das, dann war der Moment gekommen. Matthias Dichter kam in seinem Vortrag gerade noch dazu, kurz zu erklären, dass Glocken vor 5000 Jahren in China entstanden und dann über den Handel im Frühmittelalter ihren Weg nach Europa fanden, wo vor allem Wandermönche für eine rasche Verbreitung sorgten.
Dann herrschte absolute Stille, denn das Team musste sich selbst und auch den Gussvorgang hören können, um zu beurteilen, ob alles gutgegangen war. Das flüssige Metall goss Glockengießermeister Simon Laudy erst in die Glockenform, den Rest goss er zu Barren. Dann Erleichterung, alles war gut verlaufen. „Kleinere Glocken habe ich schon länger nicht mehr gemacht“, erzählt Laudy hinterher. Über Nacht kühlte die Glocke aus und war beim Auspacken am nächsten Morgen immer noch rund 40 Grad warm. Pfarrer Benedikt Schnitzler weihte die Glocke bei einer heiligen Messe ein. Dann hängten Matthias Dichter und das Team der Glockengießerei die neue Glocke an ihren vorgesehenen Platz. Eine kleine Überraschung gab es dann doch noch: Statt eines dreigestrichenen Dis, wie die alte Glocke, erklingt die neue Glocke jetzt in einem dreigestrichenen F.
„Das ist immer eine kleine Wundertüte, zumal wir die alte Glocke ja nicht kennen“, sagt Matthias Dichter und ist begeistert: „Der Klang ist herrlich. Diese Glocke wird man weithin hören.“ Und zu hören war die Glocke an diesem Tag reichlich, denn viele, die das Fest besuchten, wollten das kleine Kunstwerk einmal anschlagen.
Ebenfalls begeistert ist Peter Lennackers, der zweite Brudermeister der Johannesbruderschaft. Er hat die Arbeiten an der Glocke begleitet und ist seit frühester Jugend von Glocken begeistert. „Ich bin in Bracht aufgewachsen. Da konnte ich die Glocken aus 11 Gemeinden hören“, erzählt er und erinnert sich, dass sein Großvater beim Glockenschlag kurz bei der Feldarbeit innehielt. „Wenn man eine Glocke hört, ist das wie ein Gebet. Das ist eine unheimliche Verkündigung, auch, wenn man nicht in der Kirche ist.“