Klimakrise, Krieg und Katastrophen.

Ist da noch Platz für Zuversicht?

(c) istock/Jacob Lund
Datum:
7. Aug. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 23/2025 | Stephan Johnen

Es stand vielleicht schon einmal besser um die Pläne für das Leben. Jungendliche und junge Erwachsene erklären, wie sie auf die Welt blicken, was sie beschäftigt und auch besorgt – und woraus sie dennoch Kraft für die Gestaltung der Zukunft schöpfen. 

Victoria Breuer, 23 Jahre, aus Jülich

„Es folgte die Erkenntnis, dass die persönliche Sicherheit auf diversen Ebenen deutlich angreifbarer ist als bisher gedacht.“ (c) privat
„Es folgte die Erkenntnis, dass die persönliche Sicherheit auf diversen Ebenen deutlich angreifbarer ist als bisher gedacht.“

Bis nach meinem Abitur hatte ich einen groben Plan für mein Leben. Pharmazie studieren, den passenden Mann finden, vielleicht eine Apotheke führen, heiraten, Kinder bekommen und so weiter. Häufig habe ich mit Freundinnen herumgesponnen, was nicht alles aus uns werden könnte. Die Welt schien stabil genug und der persönliche Lebensstandard so unangreifbar, dass mit einem zwinkernden Auge auch der Nobelpreis für eine von uns möglich schien. 

Doch dann kamen persönliche, gesellschaftliche und globale Krisen, wie die Pandemie, das rasche Erstarken von rechtsextremen Gruppierungen oder die Überflutungen im Sommer 2021 – und zwar nicht mehr nur als schreckliche Nachrichten aus fernen Ländern, sondern direkt vor der Haustür. Und dazu ein abgebrochenes Studium. Es folgte die Erkenntnis, dass die persönliche Sicherheit auf diversen Ebenen deutlich angreifbarer ist als bisher gedacht. Schon kreisten die Gespräche und Gedanken nicht mehr um das passende Kleid zur Nobelpreisverleihung, sondern darum, ob es noch verantwortungsvoll ist, Kinder in diese Welt zu setzen. Sarkastisch wird überlegt, wer von uns als erstes am Hitzetod stirbt. Es beschäftigt einen, wie man beim Dating als Christin mit durchaus feministischem Anspruch auch an sich selbst nicht durch alle Raster fällt – die einen erwarten Frömmigkeit ohne Emanzipation, die anderen Feminismus ohne Katholizismus.

 

Trotz aller Umstände und begründeter Gedanken, die ich mir um meine persönliche, aber auch die globale Zukunft mache, liegt mir der Pessimismus fern. Mir ist bewusst, dass man sich für ein zukünftiges, lebenswertes Leben auf diesem Planeten nicht mehr mit einem „Et hätt noch emmer joot jejange“ zurücklehnen kann, aber gleichzeitig habe ich erlebt, wie viel Kraft in Begegnungen, einzelnen Menschen und im Glauben liegen kann. Und sei es nicht zuletzt die tiefe Hoffnung, dass da jemand ist, der mich immer trägt, wenn der Ballast des Lebens zu schwer wird und zur rechten Zeit stärkt, wenn mein Einsatz gefragt ist. Als zukünftige Lehrerin hoffe ich, noch viele inspirierende Lebenswege ein Stück begleiten und bereichern zu können. Und wer weiß, vielleicht ist ja das Kind dabei, welches tatsächlich den Nobelpreis für bahnbrechende Klimaforschung oder den Frieden bekommt.
Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass ich Vertrauen haben kann – in mich selbst, in andere Menschen und in Gott. Ich wünsche mir, dass ich offen bleibe für das, was kommt, auch wenn es anders ist als erwartet.

Alex Braun (17 Jahre)  aus Düren

„Ich habe als einzelner Mensch zwar nicht so viel Kraft, aber auch ich weiß, dass ich immer noch etwas verändern kann.“ (c) Stephan Johnen
„Ich habe als einzelner Mensch zwar nicht so viel Kraft, aber auch ich weiß, dass ich immer noch etwas verändern kann.“

Ich habe schon etwas Angst wegen der Zukunft. Aber ich versuche, hoffnungsvoll zu bleiben. Was mir Angst macht? Ich habe Angst, dass ich nicht alt genug werde aufgrund von Kriegen oder aus persönlichen Gründen. Die Grundstimmung hat sich nicht verändert. Früher habe ich aber Nachrichten geschaut, jetzt lieber nicht mehr. 

Nach der Schule möchte ich Meeresbiologie studieren. Alle reden vom Waldsterben, aber wir kennen nicht einmal die Ausmaße der Bedrohung des Klimawandels auf die Weltmeere. Die Meere sind ja nicht einmal vollständig erforscht. Mir gibt es Hoffnung, dass mein letztes Zeugnis so gut ausgefallen ist. Ich hatte schlimme Erwartungen. Die guten Noten geben mir wieder Hoffnung, dass ich es doch schaffe. Ich habe mehr Mut, strenge mich mehr an. Generell hat man oft das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, über das eigene Leben, die Gesundheit. Die großen Weltmächte tun sowieso, was sie wollen. Egal, wie depressiv es im Moment aussieht, sollten wir uns deshalb auch über kleinere Erfolge freuen. Weil das Hoffnung gibt. Auch die kleinen Gewinne sind ein Gewinn. 

Luca Schmidt (16 Jahre)  aus Rölsdorf

„Ich versuche, den Algorithmus in Social Media so zu trainieren, dass es auch wieder gute Nachrichten gibt. Mehr Katzenvideos sozusagen.“ (c) Stephan Johnen
„Ich versuche, den Algorithmus in Social Media so zu trainieren, dass es auch wieder gute Nachrichten gibt. Mehr Katzenvideos sozusagen.“

Vor einem Jahr hatte ich fast gar keine Hoffnung mehr. Schlechte Noten, Stress – da ist viel zusammengekommen. Im Jugendtreff habe ich neue Freunde gefunden. Auch der Lernpunkt des Sozialwerks Dürener Christen hat mir geholfen. Dadurch, dass wir kürzer Schule haben und Praktika machen, ging es wieder einfacher, ich habe wieder Lust zu lernen. Auf dem letzten Zeugnis hatte ich richtig gute Noten. Mir geht es viel besser, aber in der Welt läuft im Moment sehr viel schief. An einem selbst merkt man das gar nicht so, aber wenn du Nachrichten schaust oder Social Media verfolgst. Ich versuche, das nicht mehr zu konsumieren, war wochenlang nicht mehr bei TikTok. Ich möchte ein eigenes Leben auf die Beine stellen, nach dem Schulabschluss Erzieher werden. Ich komme gut mit Kindern klar. Mit Blick auf die Weltpolitik versuche ich, so wenig wie möglich nachzudenken. Sonst würde die Hoffnung vielleicht schmelzen. 

Vox Nesnamov (18 Jahre)  aus Düren

„Das Problem an Social Media ist ja, dass nur angezeigt wird, was die eigene Meinung bestätigt.“ (c) Stephan Johnen
„Das Problem an Social Media ist ja, dass nur angezeigt wird, was die eigene Meinung bestätigt.“

Als Kind war ich voller Hoffnung. Dann kam Corona. Ich war nur zu Hause. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs hatte ich eine depressive Phase. Ich habe mein Interesse an Schallplatten entdeckt, begann, ehrenamtlich im Jugendcafé Liebertée zu arbeiten. Während dieser Zeit habe ich auch begonnen, mich politisch zu engagieren. Bei TikTok interessiere ich mich vor allem für Musik und kreative Ideen. Das Problem an Social Media ist, dass nur angezeigt wird, was die eigene Meinung bestätigt. Für mich ist wichtig, auch das Positive zu betrachten, zu differenzieren, sich eine eigene Meinung zu bilden. Nach dem Abitur mache ich zuerst ein Freiwilliges Soziales Jahr. Danach würde ich gerne ein duales Studium zur Rechtspflegerin beginnen. Mein Ziel ist es, einmal Richterin zu werden. 

„Wir müssen jungen Menschen zuhören, ihnen Raum geben und ihnen die Freiheit geben, Dinge selbst umzusetzen.“

Karina Siegers. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Karina Siegers.

Welche Projekte gibt es in der kirchlichen Jugendarbeit, um Jugendlichen Hoffnung zu vermitteln?

Karina Siegers: Kirchliche Jugendarbeit bietet vielfältige Angebote, die konkrete Hoffnungsräume eröffnen. Etwa in der offenen Jugendarbeit; sie schafft einen sicheren Ort. Dort werden Kinder und Jugendliche  so angenommen, wie sie sind. Dieses Prinzip der bedingungslosen Annahme ist eine der stärksten Ressourcen, die Kirche jungen Menschen bieten kann. Auch die Freiwilligen Sozialen Dienste sind ein echter „Hoffnungsort“. Junge Menschen erleben: Wir können die Welt verändern. Auch spirituelle Angebote ermöglichen Austausch über Sinn, Zweifel und geben Hoffnung in der Gemeinschaft.


Wie unterstützt die kirchliche Jugendarbeit Jugendliche dabei, in schwierigen Zeiten Hoffnung zu bewahren?

Siegers: Die neue Shell-Jugendstudie kommt zum Fazit: Trotz großer Herausforderungen blicken Jugendliche größtenteils optimistisch in die Zukunft. Dort, wo es Sorgen und Ängste gibt, müssen diese ernst genommen werden. Jugendliche erwarten, dass sie in gesellschaftliche Prozesse eingebunden werden. Das sollte man auch auf kirchliche Prozesse übertragen und Jugendlichen aktiv vermitteln und vor allem praktisch zeigen: Du bist nicht alleine und du darfst wirklich (mit)gestalten. 

Wie wichtig ist es, dass Kirche sich aktiv mit den Herausforderungen junger Menschen auseinandersetzt?

Siegers: Das ist unerlässlich. Wer Hoffnung vermitteln will, muss die Realität anerkennen, in der Jugendliche leben: Krieg, Klimaangst, psychische Belastung, soziale Ungleichheit. Jugendliche wünschen sich, dass Institutionen diese Themen nicht umschiffen, sondern ansprechen und konkrete Handlungsoptionen bieten. Wir müssen jungen Menschen zuhören, statt nur zu reden, und ihnen Raum geben, selbst Dinge umzusetzen ganz im Sinne des Gedankens Freiheit, Begegnung, Ermöglichung.


Welche Rolle spielen Gemeinschaft und Glauben in der Hoffnung, die die Kirche Jugendlichen vermittelt?

Siegers: Gemeinschaft ist ein ganz zentrales Element. Sie wird als Unterstützung, Anerkennung und Zugehörigkeit erlebt. Der Glaube kann für manche Jugendliche wiederum wichtige Orientierung bieten – schließlich beruht der christliche Glaube auf einer sehr hoffnungsvollen Botschaft. Viele Jugendliche lehnen ein dogmatisches Glaubensverständnis eher ab. Die Shell-Studie 2024 zeigt aber, dass Spiritualität für viele wieder an Bedeutung gewinnt, auch wenn sie sich zunehmend nicht klassisch religiös verorten. Kirche hat hier die Chance, Räume zu eröffnen – ohne zu vereinnahmen.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft der kirchlichen Jugendarbeit im Hinblick auf die Unterstützung junger Menschen?

Siegers: Ich wünsche mir allgemein eine mutige, offene und lernbereite Kirche, die jungen Menschen nicht nur Angebote macht, sondern sie noch mehr mitgestalten lässt. Dazu gehören mehr Gestaltungsräume, Beteiligungsformate und Risikobereitschaft bzw. noch besser: Jugendliche gehen zu lassen und dass wir ihnen zutrauen, Hoffnungsträger:innen zu sein und selbst wirksame, treibende Kraft – auch für Veränderungen in Kirche.