Kleine, tastende Schritte

In der Region geht man ganz unterschiedlich mit der Möglichkeit öffentlicher Gottesdienste um

Was sonst ein trauriger Anblick war, ist nun gewollt: Kirchenbänke, die halb leer bleiben. Nur die markierten Plätze dürfen genutzt werden. (c) Andrea Thomas
Was sonst ein trauriger Anblick war, ist nun gewollt: Kirchenbänke, die halb leer bleiben. Nur die markierten Plätze dürfen genutzt werden.
Datum:
26. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 22/2020 | Andrea Thomas

Seit Anfang des Monats dürfen im Bistum Aachen wieder öffentliche Gottesdienste gefeiert werden. Für die Verantwortlichen in den Pfarreien und für die Gläubigen heißt das ein Stückchen mehr zurück zur Normalität. Aber auch jede Menge organisatorische Herausforderungen, Kompromisse in der Weise, wie Gottesdienst gefeiert werden kann, und weiterhin große Verunsicherung und viele Fragen.

Diese Fragen gilt es individuell vor Ort zu klären, bevor die Glocken wieder zu den Sonntagsgottesdiensten einladen können: Öffnen wir wieder alle unsere Kirchen dafür oder beschränken wir uns zunächst auf die, die von den räumlichen Gegebenheiten dafür am besten geeignet sind? Wie regeln wir das mit dem Einlass? Voranmeldung mit reservierten Plätzen oder Ordner, die Plätze zuweisen? Gibt es getrennte Ein- und Ausgänge? Gottesdienste mit oder ohne Kommunionausteilung? Und wenn ja, wie schützen wir dabei Priester, Kommunionhelfer und die Gläubigen am besten? Wie viele Gottesdienste soll es geben und vor allem, ab wann wieder? 

Die Pfarreien in den beiden Aachener Bistumsregionen haben sich das nicht leicht gemacht und setzen das ganz unterschiedlich um. Ein Teil hat bereits am zweiten Maiwochenende wieder mit der Feier von Gottesdiensten begonnen, andere haben das Pfingstwochenende als Starttermin gewählt und wieder andere warten bis auf Weiteres noch einmal ab.

Pfarrer Andreas Mauritz, Leiter der Pfarrei St. Jakob in Aachen, fasst den Spagat zusammen, dem sich die Verantwortlichen gegenübersahen und noch sehen: Wie lässt sich so Gottesdienst feiern, dass die Gesundheit aller daran Beteiligten nicht gefährdet, aber auch der Respekt vor der Feier der heiligen Messe  gewährleistet ist? Für ihn kam die Entscheidung Anfang Mai, mit Blick auf die aktuelle Situation, viel zu früh. „Ich bin seit 30 Jahren Priester, und ich feiere wirklich gerne Gottesdienste, aber unter diesen Bedingungen … Das ist eine ziemliche Gemengelage, die es da zu berücksichtigen gilt, weshalb wir diese Entscheidung für St. Jakob im Pastoralteam und mit dem Sprecherteam des GdG-Rates in Ruhe und ohne etwas zu überstürzen getroffen haben.“ 

In zwei Schritten werden die Gottesdienste hier wieder aufgenommen, ab dem Wochenende nach Christi Himmelfahrt mit Wortgottesfeiern und ab Pfingsten dann auch wieder mit Messen in allen vier Kirchen. Ehrenamtliche Ordner helfen am Ein- und Ausgang, beim Hände Desinfizieren, Plätze Finden (auf eine Voranmeldung verzichtet die Pfarrei bewusst) und allen weiteren Fragen. Auch daran, von jedem Gottesdienstbesucher Personalien und Sitzplatznummer zu notieren inklusive Datenschutzerklärung, hält St. Jakob zunächst fest, auch wenn dies vonseiten des Bistums nicht mehr verpflichtend ist. „Wir sammeln jetzt erst einmal Erfahrungen und sehen dann, wo wir eventuell nachjustieren müssen“, sagt Pfarrer Andreas Mauritz. Den fehlenden Gesang mit der Gemeinde hofft er mit Hilfe von Kantor Thomas Linder etwas ausgleichen zu können, doch wie lebendige Gottesdienste (wie die Familienmesse am Pfingstmontag) unter den Vorgaben möglich sind, ist er noch skeptisch. Gemischte Gefühle hat er besonders mit Blick auf die Menschen und ihre Gesundheit. Er selbst gehöre noch nicht zu den Älteren, aber viele seiner Priesterkollegen schon. Gleiches gelte für die Wortgottesfeierleiter und Ehrenamtliche in den Gemeinden, so froh er auch sei, sie zu haben. „Da muss man schon schauen, wen man da mit gutem Gewissen anspricht und wen besser derzeit nicht.“ So versteht und unterstützt er auch alle, die aus unterschiedlichen Gründen derzeit noch besonders vorsichtig sind und zu Hause bleiben. „Die Sehnsucht ist da, wieder in Gemeinschaft Messe zu feiern, doch jeder steht da auch in Verantwortung für sich und andere.“

 

Hoher Organisationsaufwand und kreative Schutzmaßnahmen

In „Christus unser Friede“ in Herzogenrath-Kohlscheid finden bereits seit dem Wochende 9./10. Mai wieder Gottesdienste statt. Sogar eine Familienmesse hat es schon gegeben. Allerdings beschränkt sich die Pfarrei dabei auf die Pfarrkirche St. Katharina, da sie die größte der fünf Kirchen ist, in der das mit den Abständen am besten umzusetzen sei, wie Pfarrer Rainer Thoma erklärt. „Wir haben das ausgemessen und jetzt 80 Plätze zur Verfügung, von denen bislang im Durchschnitt etwa 50 Plätze pro Gottesdienst belegt sind.“ Mit Beginn des Gottesdienstverbotes haben er und sein Team begonnen, regelmäßig Gottesdienste aufzuzeichnen und ins Netz zu stellen. Das soll für alle, die noch nicht wieder selbst in die Kirche kommen können und wollen, fürs erste auch weiter so bleiben. 

Die ersten Erfahrungen sind gut, doch der organisatorische Aufwand sei schon auch sehr hoch. „Pro Gottesdienst haben wir einen Ordnungsdienst von bis zu drei, vier Leuten, der beim Einlass die Hände desinfiziert und auf die markierten Plätze verweist. Anfangs haben wir auch noch die Adressen aufgenommen.“ Hygiene steht auch für die Priester, Lektoren und Messdiener, die am Altar am Gottesdienst beteiligt sind, an oberster Stelle. „Vor der Kommunion desinfizieren wir Priester unsere Hände. Die Hostien werden nur mit einer speziellen Zange angefasst und wir haben eine rollbare Plexiglaswand als Schutz bei der Austeilung der Kommunion gebaut“, schildert Pfarrer Rainer Thoma den Ablauf. Gut zu tun habe im Moment vor allem auch ihr Küster, der besonders oft wischen und alles desinfizieren müsse. Die Gemeindemitglieder nehmen die Einschränkungen weitgehend gelassen. „Die Menschen sind froh, wieder zusammenkommen zu können. Das war schon für viele schwer, gerade auch über Ostern.“ Auch für ihn selbst sei es schön – zwar mit Distanz durch Maske und Scheibe –, wieder mit Menschen in der Kirche gemeinsam zu beten. „Es ist schon schade, wenn man die Osternacht in einer leeren Kirche feiert.“

Auch Exequien (und demnächst Taufen) finden in Kohlscheid vereinzelt wieder statt in einem überschaubaren Rahmen und im engsten Familienkreis. „Mit den Eltern der Täuflinge spreche ich das so ab, dass sie ihrem Kind den Segen und die Taufe spenden. Da sind wir vorsichtig.“ Es sind kleine, noch tastende Schritte zurück.

In St. Josef und Fronleichnam in  Aachen-Ost hat sich das Pastoralteam nach Rücksprache und Abstimmung mit allen Gremien und Ausschüssen der Pfarrei noch gegen die Wiederaufnahme der Gottesdienste entschieden. Zunächst gilt dies bis Pfingsten, so der Stand bei Redaktionsschluss, dann will man weitersehen. Diese Entscheidung werde abhängig von weiteren Entwicklungen und Lockerungen jederzeit neu bedacht und verändert, aktuell sei sie vor allem Ausdruck von Solidarität mit der Gesellschaft und besonders gefährdeten Personengruppen, heißt es in einer Erklärung des Pastoralteams auf der Internetseite und im Juni-Pfarrbrief.

Eine Haltung, mit der sie nicht alleine im Viertel seien, wie Pastoralreferentin Yasmin Raimundo Ochoa berichtet. Auch die benachbarte Moscheegemeinde habe bislang aus ähnlichen Gründen auf Zusammenkünfte und Gebete verzichtet. Für sie persönlich passe die Entscheidung zum sozialen Engagement und der sozialen Ausrichtung in der Fronleichnamsgemeinde. Der Gottesdienstverzicht könne „aus der Grundhaltung christlicher Nächstenliebe weiter ein Gebot der Stunde sein“, zitiert sie den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode.  Gottesdienst um jeden Preis, darin sind sich die Verantwortlichen einig, sind in der momentanen Situation keine Option. Das gehe nur mit Augenmaß und Verantwortung, guter Vorbereitung und, wie es die örtlichen Gegebenheiten ermöglichen.

Messe feiern in Zeiten von Corona

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